Ins Gefängnis für die ukrainische Unabhängigkeit - Die Geschichte des Jurij Badzio

Demokrat, Sozialist und einer der letzten politischen Gefangenen in der ehemaligen Sowjetunion. Dieser Beitrag beleuchtet das Leben von Jurij Badzio (1936 - 2018), der sich zeitlebens für eine unabhängige Ukraine einsetze.

Jurij Badzio war einer der prominentesten sowjetischen Dissidenten ukrainischer Herkunft und einer der letzten politischen Gefangenen in der UdSSR. Er war Demokrat, Sozialist und einer von vielen, die zu Sowjetzeiten für die nationale Unabhängigkeit der Ukraine eintraten. Badzio zählte zur Dissidentengeneration der „1960er“ und wurde 1979 wegen seines Textes „Das Recht zu leben“ verhaftet. Das Manuskript wurde beschlagnahmt, aber eine Zusammenfassung konnte im Westen als Offener Brief an die Partei- und Staatsführung veröffentlicht werden. Im Dezember 1988 wurde Badzio schließlich freigelassen.

 

Vladyslav Starodubtsev, Historiker und Aktivist bei der NGO "Sotsialnyi Rukh" (Soziale Bewegung), schildert in seinem Beitrag eindrücklich den Werdegang Badzios, seinen politischen Aktivismus und dessen Analyse der politischen Verhältnisse der Ukraine. Dabei wird deutlich, dass Badzio einen nahezu prophetischen Ausblick auf die heutigen Verhältnisse gab.

 

Über Jahrzehnte betonte Badzio in Interviews und Publikationen die Notwendigkeit der ukrainischen Unabhängigkeit. – Und immer wieder warnte er vor der russischen Bedrohung für die ukrainische Unabhängigkeit.

 

In einem Interview aus dem Jahr 2010 wies er auf bereits unter Jelzin angelegte Aggressionen gegen die Ukraine hin und erläutert mit Verweis auf den russischen Chauvinismus, wie Jelzins Nachfolger Putin die frühere Russifizierung eines großen Teils der ukrainischen Bevölkerung nutzte, um Einfluss in der Ukraine zu gewinnen. Russlands strategisches Ziel sei es, so Badzio, „die Existenz der Ukraine als unabhängiger Staat zunächst zu einer rechtlichen und politischen Fiktion zu machen und sie dann zu einem günstigen Zeitpunkt aufzuspalten“. – Heute wissen wir, er sollte recht behalten. Für ihn waren die Bedrohung durch den russischen Imperialismus und seine Ambitionen klar – lange bevor Putin an die Macht kam. Badzios regen an, über eigene blinde Flecken in der Analyse Russlands nachzudenken.

 

Badzios Biografie ist Beleg für eine alte sozialdemokratische Tradition in den ukrainischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Wie eine Reihe anderer Dissident:innen kämpfte Badzio für einen demokratischen Sozialismus, der die Parteidiktatur überwindet, aber die Gesellschaft auch nicht alleinig den marktradikalen Kräften überlassen will – so wie es in der Ukraine und in Russland in den 1990er-Jahren der Fall war. Im öffentlichen Diskurs über die Solidarität mit der Ukraine wird auch über deren Geschichte gestritten. Jurij Badzio zeigt uns in seinen Texten Motive für den Kampf um Unabhängigkeit. Seine Entschlossenheit im Kampf für nationale Freiheit, Unabhängigkeit und die Wiederbelebung der unabhängigen ukrainischen Kultur sowie seine Analyse des russischen Imperialismus und dessen Assimilationspolitik sind etwas, von dem moderne Sozialdemokrat:innen lernen können.

 

 

Der vollständige Text über Badzios bewegtes Leben von Historiker Vladyslav Starodubtsev sind im englischen Original sowie in deutscher Übersetzung hier verfügbar.

Zentrale Genderkoordinatorin

Dr. Stefanie Elies

030 26935-7317
Stefanie.Elies(at)fes.de

 

Redaktion

Dorina Spahn

030 26935-7305
dorina.spahn(at)fes.de

Besuchen Sie uns auch auf Facebook und Instagram @gendermatters_fes

 

nach oben