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Internethandel, innovative Dienstleistungen, Bürokratieexzesse und klamme Staatskassen in der Europäischen Union geben Reformen neue Dringlichkeit. Was tun?
Bild: Finanzamt 233 von Amanda Graham lizenziert unter CC BY-NC-ND 2.0
Der gemeinsame Markt ist einer der Eckpfeiler der europäischen Integration. Nicht nur Personen, auch Waren, Dienstleistungen und Kapital sollen sich im europäischen Wirtschaftsraum frei bewegen können. Starke Handelsbeziehungen sind politisch gewollt, üppige Mehrwertsteuereinnahmen auch. Europaweit beklagen die Finanzverwaltungen aber Einbußen bei der Mehrwertsteuer, die 2014 bei einem Gesamtaufkommen von knapp einer Billion Euro auf 14 Prozent geschätzt wurden. Durch den Internethandel nehmen grenzüberschreitende Geschäfte rasant zu, Social-Media-Dienstleistungen und die Sharing Economy müssen steuerlich geregelt werden. Zeit also für ein einheitliches europäisches Mehrwertsteuersystem.
Allein die Logik regulärer und ermäßigter deutscher Mehrwertsteuersätze erschließt sich nur schwer, Reformbemühungen versanden dort schon regelmäßig. Bei den Gesetzen, Verwaltungspraktiken und Handelsbeziehungen von 28 EU-Staaten wird die Sache entsprechend obskur und kontrovers. Klar ist: Privatverbraucher_innen sollen bürokratisch so unbehelligt wie möglich bleiben. Nach dem Bestimmungslandprinzip soll weiterhin der Staat die Mehrwertsteuer bekommen, in dem der Konsum stattfindet. Wie dabei das Steueraufkommen gesichert, der bürokratische Aufwand für Privatleute, Unternehmen und Staaten minimiert und der Binnenmarkt gestärkt werden können, diskutieren Paul P. Maeser und Volker Halsch, Mitglieder des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung und aktiv in der Arbeitsgruppe Finanzen, in einer Publikation der Stiftung.
Wie so oft in der Politik, prallen auch hier zwei Systeme aufeinander: Das Reverse-Charge-Verfahren und der One-Stop-Shop. Normalerweise reichen Verkäufer die Mehrwertsteuer, die der Käufer bezahlt hat, dem Staat weiter. Geht der Verkäufer zwischenzeitlich pleite oder sitzt ohne Umsatzsteuerregistrierung in einem anderen EU-Land, ist die Mehrwertsteuer für den Staat verloren. Beim Reverse-Charge-Verfahren bezahlt deshalb der Käufer die Mehrwertsteuer direkt an den Staat. Beim One-Stop-Shop sammelt weiterhin der Verkäufer die Mehrwertsteuer für den Staat ein, bei grenzüberschreitenden Geschäften die des Bestimmungslandes. Sein Finanzamt überweist die Mehrwertsteuer dann an das Bestimmungsland. Bürokratischer Aufwand würde minimiert, allerdings müssten die EU-Staaten eine einheitliche Qualität der Arbeit der nationalen Steuerverwaltungen sicherstellen.
Beide Systeme werden im europäischen Handel schon teilweise angewendet, haben aber ihre Nachteile. Das Reverse-Charge-Verfahren ist gut gegen Steuerbetrug, senkt den Bürokratieaufwand aber kaum, der wiederum mehr Handel und damit günstigere Verbraucherpreise verhindern kann. Beim One-Stop-Shop ist es andersherum. Die Europäische Kommission sucht also nach einem Kompromiss. Die Mehrwertsteuer liegt auch deshalb in ihrem unmittelbaren Interesse, weil ein Teil des EU-Haushalts aus den Mehrwertsteuereinnahmen der Mitgliedstaaten kommt. Eine eigene europäische Steuerbasis und Fiskalpolitik wird vielfach gefordert, eine europäische Umsatzsteuer halten Paul P. Maeser und Volker Halsch hier aber nicht für eine Lösung. Rechtliche Hürden und neue zwischenstaatliche Verteilungskonflikte stünden im Weg, Steueraufkommen und Bürokratieabbau wären nicht besser gesichert. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Mehrwertsteuer ist, dass sie vor allem Geringverdiener trifft. Niedrigere Sätze könnten also zu sozialem Ausgleich beitragen – aber um die geht es zurzeit noch gar nicht.
Ansprechpartner_in in der Stiftung:
Sina Dürrenfeldt
Marc Meinardus
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Zentrale Genderkoordinatorin
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Redaktion
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