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Red Dinner

Transformation trägt ein rotes Kleid

Über das Red Dinner

Das Red Dinner ist ein erprobtes Format der FES-Genderarbeit und fand am 4. Juli 2024 bereits zum dritten Mal statt.

Bei einem gemeinsamen Abendessen in einem besonderen Rahmen brachten wir Akteur*innen aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medien miteinander ins Gespräch.

Im Superwahljahr 2024 steht aus feministischer Sicht viel auf dem Spiel – nicht nur in der Abwehr der undemokratischen Kräfte, sondern auch, damit die sozial-ökologische Transformation und eine gerechte und auskömmliche Gestaltung der Lebensverhältnisse für alle gelingen kann.

Unter dem Titel „Stadt, Land, F...eminismus“ haben wir nach den Kommunalwahlen und der Europawahl gemeinsam analysiert und diskutiert: Was sagen uns die Wahlergebnisse über die Verwirklichung von Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung – in Europa und in der Fläche? Vor welchen (neuen) Herausforderungen stehen wir bei der Überwindung von Ungleichheit? Welche neuen Initiativen und Ideen brauchen wir, damit die Dividende der Transformation auch auf feministische Anliegen einzahlt?

Die Dinner-Speech hielt die Ministerpräsidentin des Saarlandes Anke Rehlinger.

Kontakt

Friedrich-Ebert-Stiftung e.V.

Referat Demokratie, Gesellschaft & Innovation

Verantwortlich
Dr. Ursula Bitzegeio
Geschlechtergerechtigkeit & Gender
ursula.bitzegeio(at)fes.de

Organisation
Katharina van Zanten
Geschlechtergerechtigkeit & Gender
katharina.vanzanten(at)fes.de

Die Ergebnisse der Europa- und Kommunalwahl

...und was sie für die Verwirklichung von Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung bedeuten – in Europa und in der Fläche

Rechtpopulistische Kräfte und Bewegungen nutzen den gesellschaftlichen „Triggerpunkt“ geschlechtergerechte Sprache und aktuelle kulturelle Debatten um Selbstbestimmung, um Wählerstimmen aus allen politischen Lagern zu gewinnen – mit Erfolg. Mit Blick auf die kommende Bundestagswahl changiert die Stimmung progressiver Frauen* in den AfD-Hochburgen zwischen „Wir wollen und das nicht mehr persönlich antun“ und „jetzt erst recht“. Eine Motivationshilfe, sich weiter politisch zu engagieren, könnten Resilienz-Trainings und überparteiliche Netzwerke sein. Hier sollten Methoden erarbeitet werden, wie man mit den Bürger:innen vor Ort und direkt ins Gespräch über die Alltagssorgen, aber auch die Kernelemente der Demokratie kommt.

In sozialdemokratisch geführten Bundesländern konnte eine Zunahme der politischen Teilhabe von Frauen* an herausragenden Gestaltungräumen auf kommunaler und Landesebene nicht zurückgedrängt werden. Mit Blick auf die Bundestagswahlen müssen jetzt verstärkt Verteilungsthemen und drohende Notlagen der der Daseinsvorsorge und der unmittelbaren Alltagswirklichkeiten (Mobilität, Wohnen, Bildung, Arbeit), die aus der multiplen Krisenlage und der Transformation erwachsen, in den Vordergrund gerückt werden.

Ein kleiner Exkurs nach Brandenburg

Ein kleiner Exkurs nach Brandenburg

Der Frauenanteil in den brandenburgischen Kreistagen nach der Kommunalwahl

Wir sind von Parität meilenweit entfernt. Der höchste Frauenanteil beträgt in der Landeshauptstadt Potsdam gerade einmal 41 Prozent. Durchschnittlich beträgt der Frauenanteil 26%, also ein Viertel und in nahezu jedem dritten Kreistag und jeder dritten Stadtverordnetenversammlung sitzen weniger als ein Viertel Frauen (5 von 18 = 28%).

Besonders dramatisch ist die Situation in Spree-Neiße. In der AfD-Hochburg sind nur 10% der Kreistagsmitglieder Frauen, das sind 5 von 50. Der niedrige Frauenanteil beruht insbesondere auf dem Erfolg der AfD, der Freien Wähler und Bauern, anderer kleiner Parteien und Einzelbewerbern.

Dramatisch ist, dass dadurch auch der Vorsitz, Ausschussvorsitze und die Besetzung von Gremien, etwa der Sparkasse, der Abfallverbände etc., die sich aus Kreistagsmitgliedern speisen, nur noch schwer mit Frauen besetzt werden können. Fehlende Frauen in den Kreistagen sind auch deswegen problematisch, weil die Kommunalpolitik als Eingangstor auch zu anderen Politikebenen gilt.

Ein kleiner Exkurs nach Baden-Württemberg

Ein kleiner Exkurs nach Baden-Württemberg

Dagmar Wirtz, Politikwissenschaftlerin: "Der Fortschritt ist eine Schnecke"

Die Kommunalwahl in Baden-Württemberg hat 0,6%-Punkte mehr Frauen in Gemeinderäten und 0,9%-Punkte weniger Frauen in Kreistagen gebracht.

Die Frauen sind bereit für eine Kandidatur, die Strukturen sind es nicht.

Eines der größten Hindernisse für eine Kandidatur ist der benötigte Zeitaufwand. Es braucht mehr gemeinsame Anstrengungen, die Gläserne Decke zu durchstoßen, um die strukturellen Hindernisse zu beseitigen: mehr Sitzungseffizienz und hybride Sitzungen zu familientauglichen Uhrzeiten (auch bereits vor der Kandidatur in den Parteien und Vereinen!), diverse Kandidierendenlisten durch diverse Listenfindungskommissionen, Entwaffnen von Sexismus in der Kommunalpolitik.

Ein weiterer Ansatz: Im Kampf gegen rechts erkennen, dass Frauen eher links wählen und sie als Wähler*innengruppe stärker in den Fokus nehmen! Gleichstellung ist die Basis zur Demokratierettung.

Visionen und Praxen für eine faire Transformation

an verschiedenen Thementischen

Welche Chancen und Risiken bietet die sozialökologische Transformation für die Gleichstellung und wie können wir sie aktiv und im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit mitgestalten? Diese und weitere Fragen diskutierten wir mit 81 Frauen* aus Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Kultur an mehreren spannenden Thementischen.

Unsere Thementische:

  • Geschlechtergerechtigkeit als Führungsaufgabe
  • New Feminist Work World
  • Monitoring Feminists
  • Feminists in Crisis
  • Hate and Love Feminists
  • Cultural Feminists
  • 50/50 Feminists

Geschlechtergerechtigkeit als Führungsaufgabe

Geschlechtergerechtigkeit als Führungsaufgabe

Die FES-Studie “Demokratie braucht Demokratinnen” (2020) hat gezeigt, dass sich politisch begabte Frauen nur dann als z.B. Stadträtin, Abgeordnete in Land- und Kreistagen, als Beigeordnete oder Dezernentin zur Wahl stellen, wenn sie nicht die sog. „Ochsentour“ durchlaufen müssen und Fragen nach Vereinbarkeit mit der Familie eindeutig geklärt sind.

Damit mehr Frauen in politische und vor allem kommunalpolitische Spitzenpositionen gelangen, ist es wichtig, dass die politische Branche ihr Verständnis von Führung neu definiert, indem sie verschiedene Führungsstile zulässt. Der stark extrovertierte und durchsetzungsfähige Führungsstil, kann sich bei Frauen anders darstellen. Wir müssen integrativ und offen sein, um Demokratinnen die Möglichkeit und Struktur zu geben, authentisch zu sein und sich nicht unter Druck gesetzt zu fühlen, sich grundlegend verändern zu müssen. Diese Impulse können am besten von Frauen ausgehen, die sich in vorbildlichen Spitzenpositionen befinden.

New Feminist Work World

New Feminist Work World

Die neue Arbeitswelt braucht visionäre Zukunftsgestalterinnen und mutige Musterbrecherinnen – die Covid-19-Pandemie hat dies deutlich zutage gefördert. Politisch und gesellschaftlich müssen hier Gleichbehandlung- und berechtigung, Rollenerwartung und gendersensible Arbeitsplatzgestaltung dringend politisch bearbeitet werden.

Wie soll der Betrieb, die Firma, das Büro als feministischer und intersektionaler Ort der Zukunft aussehen? Mit welchen Genderinnovationen, die Selbst- und Mitbestimmung ermöglicht, können wir die Arbeitswelt von Morgen gestalten?

Feminists in Crisis

Feminists in Crisis

Die weltweiten katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels, der Covid-19-Pandemie und derzeitigen Kriege durchdringen umfassend unsere Lebenswelt. Eine Rolle rückwärts in den gender policies und in der nachhaltigen Gestaltung der Welt deutet sich in vielen Ländern an und ist fatal: Akute Hilfe für bedrohte Menschen, ein Schutz des Planeten und Friedenssicherung können ohne Feminismus nicht gelingen.

Welche Genderinnovationen müssen jetzt in die Politik vermittelt werden? Wie können wir global feministische Solidarität erhöhen?

Speakerin Prof. Dr. Naika Fourutan, Direktorin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM):

Wir leben in einer postmigrantischen (Arbeits-)gesellschaft und dennoch gehört die konstruktive Migrationspolitik auf Bundesebene nicht zu den politischen Schwerpunkten der Bundesrepublik Deutschland, wie beispielsweise die Industrie- oder Sozialpolitik. Integrationspolitik wird im Föderalismus nicht selten den Kommunen überlassen. Migrationspolitik und Integration löst längerfristig die Fachkräftefrage. Die besondere beruflichen Förderung von migrantischen Frauen führt zu Wissensbrücken in der internationalen feministischen Solidarität.

Hate and Love Feminists

Hate and Love Feminists

Rechtsextreme und rechtspopulistische Akteur:innen nutzen digitale Räume, um menschenverachtende Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft zu ver- breiten. Ihre Aktivitäten
haben dazu geführt, dass misogynes und sexistisches Verhalten zunehmen und der Gender-Empathy-Gap in vielen Gesellschaften als Problemstellung erkannt und als Phänomen
beschrieben wird. Der intersektionale Feminismus setzt sich zum Ziel, diese Entwicklung aktiv zu bekämpfen. Dazu brauchen wir analoge, digitale und vor allem politische Ideen und Innovationen. Welche fallen euch ein?

Cultural Feminists

Cultural Feminists

Durch Kunst, Literatur, Film und Musik wird intersektionaler und postkolonialer Feminismus in ganz besonderer Weise ausgedrückt, erfahr- und erlebbar. Aber die Kulturszene fällt nicht durch besondere feministische Kunst- und Kulturförderung auf. Frauen als Teil, als Objekte und Subjekte der Kunst- und Kulturszene erfahren nach
wie vor viele Momente der Ausgrenzung, der Diskriminierung und der beruflichen Schlechterstellung. Was brauchen wir für eine innovative Förderung feministischer Kulturalität? Welche politische Performance und welches gesellschaftliche Happening führen zu mehr Geschlechtergerechtigkeit?

Speakerin Anica Happich, Schauspielerin und Kuratoriumsmitglied im Fonds Darstellende Künste

Die Datensichtung des Dossiers der FES „Zukunft erproben. Theaterarbeit in Ostdeutschland“ ergab, dass Frauen mit knapp 25 % Leitungsfunktionen an Theatern (Staats-, Landesbühnen) nach wie vor unterrepräsentiert sind - auch wenn es Lichtblicke wie das Deutsche Theater Berlin und das Thalia Theater Hamburg gibt, die erstmals von Frauen geleitet werden. Es geht voran, aber zu langsam. Gründe hierfür sind intransparente Besetzungsverfahren und Findungskommissionen, familienunfreundliche Strukturen an den Theatern, patriarchal orientierte Führungsstrukturen und Führungsstile. Die Lage der oft weiblichen Kulturakteur*innen der Freien Szenen vor Ort, die in AfD dominierten Regionen arbeiten, (z.B. wie berichtet in Thüringen)  ist zunehmend besorgniserregend. Sie erleben Einschüchterungen und Restriktionen. Die Resilienz der Kulturakteure in den Regionen bröckelt, es braucht dringend Förderung und Netzwerke zu ihrer Stärkung. Mehr Infos dazu bei „Handbuch Kulturarbeit in politisch unsicheren Zeiten. Situationsanalyse und Handlungsmöglichkeiten“.

50/50 Feminists

50/50 Feminists

Demokratie und Gleichberechtigung sind aufeinander bezogen und verstärken sich wechselseitig, deshalb haben beide Konzepte Verfassungsrang. Geschlechterparität und Quotenregelungen in den Arenen Recht, Politik und Wirtschaft sind anscheinend jedoch mit die kniffeligsten und umstrittensten Anliegen in den Parlamentsdemokratien und den sozialen Marktwirtschaften der westlichen Welt. Im kriegs- und krisengebeutelten Ruanda dagegen gibt es seit 2003 u.a. im Parlament eine rechtlich festgeschriebene Frauenquote von mind. 30 %. Derzeit sind über 60 % der Parlamentarier:innen Frauen. Was machen die Feminist:innen in Ruanda anders oder sogar besser? Wie können wir feministische Paritätspolitik durchsetzen?

Monitoring Feminism

Monitoring Feminism

Feminismus ist beides. Eine politische Haltung und eine sozialwissenschaftliche Analysekategorie. Empirische Verfahren können beides Zusammenführen. So zum Beispiel der Der FAIR SHARE Monitor. Das datenbasierte Instrument untersucht langfristig Geschlechterverteilung in den Belegschaften sowie in Leitungs- und Aufsichtsgremien zivilgesellschaftlicher Organisationen.

Er wird seit 2020 erhoben und bis 2030 jährlich aktualisiert. Auf Basis der erhobenen Daten wird ein Ranking darüber erstellt, welche der Organisationen einen angemessenen
Anteil von Frauen in Führung haben – und welche noch nicht. Die Organisationen werden namentlich aufgelistet und ihre jeweilige Entwicklung von Jahr zu Jahr systematisch
dokumentiert. Mit jeder Aktualisierung werden Fortschritte, Stagnation oder Rückschläge in der geschlechtergerechten Besetzung von Führungspositionen transparent gemacht, um diese Veränderungen abzubilden.

Speakerin Helene Wolf, Mitbegründerin und Geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von FAIR SHARE of Women Leaders e.V.:

Der Grad an geschlechtergerechter Gestaltung der Arbeitswelt ist empirisch messbar, der Fair Share Monitor misst dies in Wirtschaftsunternehmungen, Verwaltungen, Stiftungen und NGO`s. In den beiden letztgenannten Kategorien liegt der Frauenanteil der Mitarbeitenden bei 70%-80%, in Führung befinden sich hier knapp 30%. Die Messung erbringt auch ein qualitatives Ergebnis, da die Organisationsanalyse Erkenntnisse darüber bringt, welche Strukturen und Maßnahmen zur Entwicklung einer geschlechtergerechten (feministischen) Unternehmung führen. Neben Bündnissen solcher Unternehmen und Organisationen untereinander, ist der Grad der Selbstverpflichtung entscheidend. Solche Unternehmungen sind vor allem in Großstädtischen Zentren zu finden, ein Roll Out in die Fläche wäre äußerst wünschenswert.


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