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Viele Europäer_innen attestieren der EU ein Demokratiedefizit, immer mehr wollen selbst aktiv werden. Proeuropäische Bewegungen gehen gegen Nationalisten auf die Straße. Aber eine Bewegung konstruktiv unter einen Hut zu kriegen, ist gar nicht so einfach.
Bild: Julian Heun, Performance Auktionshaus von Friedrich-Ebert-Stiftung/ Jens Schicke
Knapp zwei von drei Deutschen denken, dass ihre Stimme in der Europäischen Union zählt, 36 Prozent finden das nicht. Damit ist ihre Einschätzung deutlich positiver als im EU-Durchschnitt: 43 Prozent der Europäer_innen haben das Gefühl, ihre Stimme bedeute etwas, für 53 Prozent ist das Gegenteil der Fall. In Griechenland haben nur 16 Prozent den Eindruck, dass ihre Stimme gehört werde, 84 Prozent nicht. Das schlägt sich in der Bewertung der demokratischen Prozesse der EU nieder: 47 Prozent der Europäer_innen sind mit ihnen unzufrieden, 43 Prozent zufrieden. Während sich in Deutschland Zufriedenheit und Unzufriedenheit die Waage halten (47 zu 46 Prozent), ist auch hier das Bild in Griechenland am extremsten – 20 Prozent Zufriedene stehen 76 Prozent Unzufriedenen gegenüber.
Die Verunsicherung durch Wirtschaftskrise, Terrorismus oder Flüchtlingspolitik wird gerne auf die EU projiziert, vor allem rechtspopulistische Bewegungen haben das bisher ausgenutzt. Viele Bürger_innen sehen in ihnen ihre neue Stimme im sich verändernden Parteiengefüge. Nach dem Pessimismus der Rechtspopulist_innen mobilisiert inzwischen auch der Optimismus proeuropäischer Kräfte, etwa mit „Pulse of Europe“. Ihr zivilgesellschaftliches Engagement und ihr Bekenntnis zu Europa werden zwar gelobt. Gleichzeitig wird kritisiert, dass hier hauptsächlich bürgerliche Schichten auf die Straße gehen, die von der europäischen Integration profitieren, sich aber zu wenig mit den institutionellen und politischen Defiziten der EU auseinandersetzen. Außerdem wird prognostiziert, dass es nur mit den bislang sehr vage formulierten Positionen gelingt, die potentiell heterogenen Einstellungen der Teilnehmer_innen zu verschiedenen europapolitischen Fragen eine Zeit lang zusammenzuhalten.
Mit ihrem „Poetry.Jazz.Slam – EUROPA!“ hat die Friedrich-Ebert-Stiftung kreativen und konstruktiven Formen der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Europa in Berlin eine Bühne geboten. Vier Poetry-Slammer_innen trugen ihre Eindrücke und Visionen zu Europa vor, vier Musiker_innen spielten ihren Rhythmus Europas. Kristoff Ritlewski von „Pulse of Europe“ begrüßte in der Diskussion die Politisierung der europäischen Integration. Transparenz, Aufklärung, Bildung und Respekt vor den Bürger_innen sieht er als wichtige Ansatzpunkte gegen Populismus.
Nach den Jahrzehnten des „permissiven Konsenses“ ist eine breite, öffentliche Debatte über die europäische Integration tatsächlich notwendig. Obwohl die Politisierung bislang vorwiegend destruktiven Auswüchsen Vorschub geleistet hat, kann sie genauso Chance zu demokratischer Umgestaltung und Legitimierung Europas sein. Viele Menschen und ihre Interessen konstruktiv zu verbinden, ist zwangsläufig schwer und muss mit abstrakten Positionen beginnen. Die Menschen erst einmal zusammenzubringen und damit aus den Echokammern ihrer politischen Filterblasen herauszuholen, ist aber für sich schon einiges wert. Nur sollte man die Aufgeschlossenheit der Menschen Europa gegenüber nicht mit Unterstützung für die EU gleichsetzen, die in allen Mitgliedstaaten geringer ist als die Sympathie für Europa. Zusammen mit der Frustration über die europäische Demokratie kann das nur – auch das sehr vage – bedeuten, dass sich Europas Politik für institutionelle und inhaltliche Veränderungen öffnen muss, die über den Horizont der nächsten Wahlen hinaus Weichen für ein anderes Europa jenseits der Konstruktionsfehler der EU stellen.
Ansprechpartnerin in der Stiftung:
Franziska Richter
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Zentrale Genderkoordinatorin
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Redaktion
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