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Archiv der sozialen Demokratie

 

Das fortschrittliche Erbe der Ukrainischen Volksrepublik (1917-1921)

von Vladyslav Starodubtsev

Der Blick auf die Geschichte Osteuropas ist häufig durch eine russische Brille verzerrt. Dies gilt auch für die Revolution 1917. Zumeist ist von der Russischen Revolution die Rede, gelegentlich auch von den Russischen Revolutionen, wenn der Sturz des Zaren im Februar (des alten Kalenders) und die Machteroberung der Bolschewiki im Oktober gemeint sind. Wir haben es 1917 jedoch mit einer Reihe von Revolutionen im Russischen Reich zu tun, viele davon sozialistisch-demokratischer Natur, die mit dem Sieg der Bolschewiki im Bürgerkrieg zugrunde gingen. Die Ukrainische Volksrepublik von 1917 bis 1921 war einer dieser Versuche, eine demokratische und sozialistische, eine sozialdemokratische Gesellschaft zu erkämpfen. Die Volksrepublik und ihre Akteure stellten für die nachfolgenden Generationen von Oppositionellen und Dissident:innen wichtige Orientierungspunkte dar. Die ukrainische Revolution von 1917 ist ein Beleg für den lange vor 1991 einsetzenden Kampf um Unabhängigkeit und für eine demokratische Gesellschaft in der Ukraine.


Einleitung

Am 17. März 1917, nur wenige Tage nach Beginn der Revolution im Russischen Reich, wurde die ukrainische Zentralna Rada (Zentralrat) gegründet. Sie vereinigte eine starke Koalition revolutionärer Parteien und Bewegungen von Arbeiter:innen, Bauern und Bäuerinnen, Student:innen, Feministinnen, Soldaten sowie Vertreter:innen nationaler Minderheiten und kommunaler Verbände. Zwei radikale, linke Parteien dominierten das politische Feld – die Ukrainische Partei der Sozialrevolutionäre und die Ukrainische Sozialdemokratische Arbeiterpartei. Das Hauptziel der Zentralna Rada bestand darin, die Forderung nach Autonomie in einem föderalen Russland mit revolutionären Mitteln durchzusetzen. Die Politik der Zentralna Rada wies, was die Beziehungen zur Regierung in Petrograd betraf, eine gewisse Bandbreite auf. In der Ukrainischen Partei der Sozialrevolutionäre gab es Stimmen, die eine "völlige Unabhängigkeit" von der "russischen imperialistischen bürgerlichen Regierung" forderten, [1] die Ukrainische Sozialdemokratische Arbeiterpartei vertrat bis November 1917 eine stark autonomistische Position und die Ukrainische Partei der Sozialistischen Föderalisten (eine liberaldemokratische Partei) war am ehesten auf einen Kompromiss mit der russischen Provisorischen Regierung ausgerichtet. Faktisch richtete die Zentralna Rada im März 1917 jedoch eine eigene autonome Regierung ein. Sie versuchte eine Reihe von Reformen zu organisieren, darunter insbesondere eine Landreform und eine Reform der Kommunalverwaltung, wurde aber von der Provisorischen Regierung in Petrograd daran gehindert. Diese drohte den Ukrainer:innen mit Militäraktionen und Repressionen. Bei den Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung im Russischen Reich am 5. Januar 1918 erhielt der Block der ukrainischen sozialistischen Parteien in den ukrainischen Provinzen 2/3 aller Stimmen. [2] Wenige Tage später, am 9. Januar 1918, erlangten in der ukrainischen Verfassungsgebenden Versammlung allein die Ukrainischen Sozialrevolutionär:innen 61 Prozent der Stimmen und die ukrainischen Listen kamen auf mehr als 70 Prozent - was ihre führende Rolle nun auch durch Wahlen legitimierte. [3]

Erst im November 1917 rief die Zentralna Rada die Ukrainische Volksrepublik aus. Kurz darauf erklärte die bolschewistische Regierung in Petrograd der Ukraine den Krieg und löste damit den ersten Krieg der Geschichte zwischen zwei sozialistischen Staaten aus. Zuvor versuchten die Bolschewiki mehrmals, die Zentralna Rada zu stürzen, obwohl die Reformen der Ukrainischen Volksrepublik den bolschewistischen Parolen näherstanden als denen der durch die Bolschewiki gerade gestürzten Provisorischen Regierung. Die Sozialrevolutionär:innen und die Sozialdemokrat:innen in der Ukraine versuchten ihre Parteiprogramme umzusetzen, aber radikalere Reformen wurden durch den Krieg, die Hungersnot und die Notwendigkeit verlangsamt und untergraben, einen ganzen Staatsapparat mit einer Bevölkerung aufzubauen, der es an Bildung und Fachwissen mangelte.

1918 bat die Ukrainische Volksrepublik deutsche und österreichische Streitkräfte, sie gegen den russisch-bolschewistischen Imperialismus zu verteidigen, doch die Interventionskräfte stürzten die Republik und setzten die autoritäre und rechtsgerichtete Patronageregierung von Pawlo Skoropadskyj ein. Diese rechtsgerichtete Politik und die Ansicht, dass die Zentralna Rada für die Aktionen der Interventionstruppen verantwortlich war, stärkte die Popularität der Bolschewiki und führte zusammen mit anderen Faktoren zu einer generellen Radikalisierung der Bevölkerung. Die Regierung Skoropadskyj überlebte den mit dem Ende Weltkriegs einsetzenden Rückzug der deutschen Truppen nur wenige Tage.

Gegen die rechtsgerichtete und prorussische Regierung Skoropadskyjs hatten die ukrainischen Linksparteien das Direktorium gebildet – benannt nach dem Direktorium der Ersten Französischen Republik. Dieses revolutionäre Komitee organisierte erfolgreich den Sturz Skoropadskyjs, befand sich aber sofort im Krieg mit den zaristischen Truppen einerseits und denen der Bolschewiki andererseits. Das Direktorium versuchte, mit beiden Kräften ein Friedensabkommen auszuhandeln, aber letztlich waren weder die so genannten antiimperialistischen Roten noch die zaristischen Weißen daran interessiert. Beide wollten die Ukraine besetzen.

Gegen die rechtsgerichtete und prorussische Regierung Skoropadskyjs hatten die ukrainischen Linksparteien das Direktorium gebildet – benannt nach dem Direktorium der Ersten Französischen Republik. Dieses revolutionäre Komitee organisierte erfolgreich den Sturz Skoropadskyjs, befand sich aber sofort im Krieg mit den zaristischen Truppen einerseits und denen der Bolschewiki andererseits. Das Direktorium versuchte, mit beiden Kräften ein Friedensabkommen auszuhandeln, aber letztlich waren weder die so genannten antiimperialistischen Roten noch die zaristischen Weißen daran interessiert. Beide wollten die Ukraine besetzen.

Sobald es möglich war, organisierte das Direktorium Wahlen zum sogenannten Arbeiterkongress. Als Nachfolger der Zentralna Rada sollte dieser Kongress als ukrainische verfassungsgebende Versammlung und als Parlament fungieren. Die sozialistischen Bewegungen in der Ukraine radikalisierten sich weiter nach links, was dazu führte, dass sowjetdemokratische, kommunalistische Ansichten und Illusionen über den bolschewistischen Imperialismus an Popularität gewannen. Die politische Rechte existierte zu der Zeit in der Ukrainischen Volksrepublik nicht, sieht man von kleinen monarchistischen Gruppen ab, die mit Skoropadskyj verbündet waren.

In den großen linken Parteien kam es zu einer Spaltung, die den Entwicklungen in Westeuropa nicht unähnlich war. Die ukrainischen Sozialrevolutionäre spalteten sich in die „Hauptströmung“ und in die Borotbysten (benannt nach ihrer Zeitung "Borotba", „kämpfen“/“Kampf“, was sich auf Taras Schewtschenkos Kaukasus-Gedicht "Kämpfe – und triumphiere" bezog). Sowohl die Borotbysten als auch die Hauptströmung sprachen sich für eine geeinte, unabhängige und von Räten regierte Ukraine aus. Beide kämpften gegen die Bolschewiki und die Weißen, wobei die Borotbysten letztlich eher zu einem Kompromiss mit Lenins Kräften bereit waren. Zur gleichen Spaltung kam es in der ukrainischen Sozialdemokratie, deren linker Flügel sich nach dem Vorbild der deutschen USPD als Unabhängige bezeichneten. Anfänglich unterstützten die radikalen Abspaltungen das Direktorium. Später jedoch versuchte die radikale Linke, die sich inzwischen in Ukrainische Kommunistische Partei (Borotbysten) und Ukrainische Kommunistische Partei (Ukapisten) umbenannt hatte, eine dritte, unabhängige kommunistische Kraft zu schaffen. Für eine kurze Zeit gab es sogar eine Einheitsfront aus den Anhängern Nestor Machnos und den beiden unabhängigen kommunistischen Parteien. Später beschloss der radikale linke Flügel der Revolution, mit den Bolschewiki zusammenzuarbeiten. Sie hofften, die bolschewistische Partei mit ukrainischen Kadern zu "überschwemmen" und so den imperialistischen und einseitigen Charakter der bolschewistischen Kräfte zu überwinden. [4] Diese Strategie schlug völlig fehl. Die unabhängigen Kommunist:innen, die sich den Bolschewiki anschlossen, wurden gezwungen sich gegenseitig zu bekämpfen. So sollten sie den Beweis erbringen, dass sie sich von ihrer "nationalistischen" und "kleinbürgerlichen" Vergangenheit "losgesagt" hatten.

Zurück zum Direktorium. Der Arbeiterkongress beendete seine Sitzung in einer Pattsituation zwischen den Anhängern demokratisch-parlamentarischer und sowjetischer Regierungsformen. Als Kompromiss wurde ein hybrides "Arbeitsprinzip" eingeführt, eine verwirrende parlamentarisch-sowjetische Regelung.

Zu dieser Zeit stand die Ukraine unter starkem militärischem Druck der russischen Weißen und Roten sowie der Nachbarstaaten, insbesondere Polens. Auch die Entente schwächte die Ukraine mit einem weitreichenden Embargo und der französischen Intervention auf der Krim. Die Desorganisation des Staates und der Armee führte zu Phänomenen wie der Atamanschyna - der zunehmenden Bedeutung von Kriegsherren und lokalen Bauernaufständen, die wie die Machnobewegung oder die Truppen des Ataman Hryhorjew mehrmals ihre Bündnispartner wechselten. Mal waren sie mit der Ukrainischen Volksrepublik alliiert, mal mit den Bolschewiki, und einige wurden sogar Teil der republikanischen Streitkräfte. In dieser Zeit kam es zu massiven Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung durch die Kriegsherren und die republikanische Armee sowie zu Plünderungen, Morden und Plünderungen der mennonitischen Bevölkerung durch die Machnotruppen. [5]

Trotz aller Probleme gelang es der Ukrainischen Volksrepublik in dieser Situation, Landreformen durchzuführen und über die notwendigen Kader oder Erfahrungen zu verfügen, staatliche Institutionen aufzubauen. Sie verteidigte sich heldenhaft gegen übermächtige Kräfte und bewahrte gleichzeitig die Republik vor Hunger, Arbeitslosigkeit und zeitweise vor Anarchie und Chaos. In den von der republikanischen Verwaltung kontrollierten Gebieten wurden die Minderheiten vor Repressalien und die Bäuerinnen und Bauern vor Requisitionen geschützt. Die Ukrainer:innen führten erfolgreich radikale politische Reformen durch und etablierten eine staatlich-kooperative Wirtschaft. Der Bolschewik I. Sammer formulierte es folgendermaßen: "In der Ukraine sind wir gezwungen, mit einem kooperativen Staat umzugehen". [6]

Während der Revolution stand der größte Teil der ukrainischen Wirtschaft unter genossenschaftlicher Verwaltung und der Staat selbst arbeitete mit proto-keynesianischen Methoden, um Arbeitslosigkeit, Kriegsbedarf und Armut zu bekämpfen. Die politischen Ziele der beiden großen Parteien waren radikal. Die Hauptströmung der ukrainischen Sozialrevolutionär:innen traten für eine vollständige Vergesellschaftung der Wirtschaft und die Sozialdemokrat:innen für einen demokratischen sozialistischen Staat im Sinne Kautskys oder Bernsteins ein. Es wurde zwar keines der Parteiprogramme vollständig umgesetzt, aber dennoch waren die unter absolut extremen Bedingungen durchgeführten Reformen beeindruckend.

Unter äußerem Druck erlebte die Ukrainische Volksrepublik fünf Regierungswechsel, wobei sich die politische Ausrichtung von der radikalen über eine gemäßigte Linke bis hin zu einer unpolitischen nationaldemokratischen Regierung entwickelte. Am Ende wurde die Republik praktisch von dem Militärführer und ehemaligen Sozialdemokraten Symon Petljura geführt. Petljura glaubte immer noch fest an den demokratischen Prozess, aber in Anbetracht der extremen Situation, in der sich die Volksrepublik befand - die Entente stand kurz vor dem Einmarsch in die Region –, befürwortete er die Zentralisierung der Macht.

Die Sozialdemokrat:innen spielen weiterhin eine wichtige Rolle, aber um mit der Entente verhandeln zu können, riefen sie am 7. Februar 1919 ihre Minister aus der Regierung ab. Petljura selbst trat am vier Tage später aus der Partei aus. Die Herrschaft Petljuras entfremdet nach und nach erst die Sozialrevolutionär:innen und dann den linken Flügel der Sozialdemokrat:innen. Aufgrund des militärischen Drucks von allen Seiten – zaristische und bolschewistische Kräfte kämpften gegen die Republik und es befanden sich französische, polnische und rumänische Truppen auf ukrainischem Boden – ging Petljura ein Bündnis mit Polen ein und "überließ" damit die Westukraine den polnischen Streitkräften. Polen forderte für seine Unterstützung die Besetzung eines großen Teils der Ukraine und die Ausnahme polnischer Landbesitzer von der Bodenreform. Westukrainische Politiker waren entsprechend wütend und forderten Mittel, um ihre Heimat gegen polnische Invasoren verteidigen zu können. Die größte Unterstützung für Petljuras Regierung kam vom gemäßigten Flügel der Sozialdemokratischen Partei, angeführt von den beiden orthodoxen Marxisten Isaac Mazepa und Panas Fedenko. [7]

Nach dem Zusammenbruch der Front und eines einheitlichen, zusammenhängenden staatlichen Territoriums organisierten die ukrainischen Streitkräfte eine aufständische Bewegung zum Kampf gegen die Roten und Weißen. Daneben sahen sich die Bolschewiki mit einer großen bäuerlichen Widerstandsbewegung konfrontiert, die mehr als 300.000 Menschen zählte. Das bemerkenswerteste Beispiel für einen solchen Aufstand fand in Cholodnyj Jar statt, wo die republikanische Armee zusammen mit der bäuerlichen Selbstverteidigung eine Republik organisierte und sogar ein Projekt für eine künftige Verfassung entwarf, deren Grundlage man heute als "demokratischen Marktsozialismus" bezeichnen könnte. [8]

Um den ukrainischen Widerstand zu brechen, organisierten die Bolschewiki ein repressives System, das die unabhängige Genossenschaftsbewegung zerschlug sowie Bäuerinnen und Bauern durch Hunger und Requisitionen unterjochte. Die Bolschewiki verfolgten eine geschickte Politik des "Teile und Herrsche". "Von den ersten Jahren der Okkupation an organisierten die Bolschewiki in der Ukraine ein repressives und strafendes System, das 18 Konzentrationslager umfasste. Allein in den Jahren 1918-20 wurden mehr als 100.000 Ukrainer vernichtet", so der ukrainische Historiker Roman Krutsy. [9]

Doch der republikanische Widerstand blieb bestehen. Zwischen 1917 und 1932 gab es in der Ukraine 692 Untergrundorganisationen und 1435 aufständische Einheiten. In diesem Zeitraum wurden in der Ukraine 268 Aufstände gezählt. [10] Es bedurfte eines Völkermords, um den republikanischen Widerstand zu zerschlagen. In der Folge übernahmen ukrainische Elemente in der Kommunistischen Partei die Fahne der Opposition, gefolgt von verschiedenen aufständischen Gruppen während des Zweiten Weltkriegs und schließlich einer Dissidentenbewegung in der Nachkriegszeit. [11] Das Symbol der Ukrainischen Volksrepublik wurde zu einem der stärksten Bilder, um diejenigen zu mobilisieren, die gegen den Totalitarismus in der Ukraine kämpften.


Was war die Ukrainische Revolution?

Die ukrainische Revolution klopft an die Tür

Die ukrainische Revolution entstand in den Gebieten des Russischen Reiches und der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie unter Bedingungen großer nationaler Unterdrückung und Assimilierung. Die Ukrainer:innen waren in beiden Ländern eine große Minderheit und gehörten zu den Ärmsten. Gleichzeitig war die ukrainische Nation von den Städten und von jeder Art von sozialer Elite isoliert, die aus landbesitzenden und kapitalistischen Wirtschaftsgruppen bestand. Im Gegensatz zu diesen Gruppen war die Ukraine durch und durch eine Nation von Landlosen und Kleinbauern. Die ukrainische städtische Arbeiterklasse war winzig, die ukrainische Mittel- und Oberschicht waren noch kleiner. Die Städte waren Instrumente der Assimilierung und "Inseln" der russischen oder polnischen Herrschaft im ukrainischen Land. Für die meisten Ukrainer:innen war soziale Mobilität in den Städten entweder nicht möglich oder sie war mit Assimilation verbunden. Im Jahr 1919 setzte sich die Bevölkerung von Kyjiw, der Hauptstadt der Republik, aus 43 % russischen, 23 % ukrainischen und 21 % jüdischen Einwohner:innen zusammen. In den anderen Städten auf dem Gebiet der Ukraine war die Situation ähnlich. Das machte die Städte politisch schwer kontrollierbar und gleichzeitig umkämpft. Die Städte waren Orte mit einer unverhältnismäßig hohen Machtkonzentration. Sie wurden als Instrument zur Unterdrückung der ukrainischen Mehrheit genutzt, was die Gründung der Ukrainischen Volksrepublik zu einem schwierigen Unterfangen machte.

Die einzigartigen ukrainischen Bedingungen (die auch in anderen osteuropäischen Ländern wie dem Baltikum galten) bedeuteten, dass soziale und nationale Unterdrückung sehr eng miteinander verbunden war. Es gab keine "ukrainischen Kapitalisten" oder "ukrainischen Landbesitzer", da das Ukrainischsein an sich als antikapitalistische und landbesitzfeindliche Identität angesehen wurde. In gewisser Weise stellte das Ukrainischsein nicht nur eine nationale, sondern auch eine soziale Identität dar. Dies ist einer der wichtigsten Faktoren für die enorme Popularität der sozialistischen Parteien. Sie waren nicht nur die Parteien, die konsequent für nationale Rechte kämpften, sondern auch diejenigen, die die sozialen Bestrebungen der Ukrainer:innen vertraten. Die Geschichte der Ukraine als Ganzes ist eine miteinander verwobene Geschichte sozialen und nationalen Widerstands.

Im Jahr 1917 war die Ukraine ein Frontgebiet, das stark unter dem Krieg litt. Sie war geteilt und sah sich mit dem Zerfall der russischen Armee, Binnenmigration, Epidemien, drohender Hungersnot und Anarchie konfrontiert. Es war die Region, die am stärksten vom Ersten Weltkrieg betroffen war. Unter diesen Bedingungen fand die ukrainische Revolution statt.

Im Februar 1917 (julianischer Kalender) brach die Revolution auf dem Gebiet des Russischen Reiches aus und die Ukrainer:innen gehörten zu den ersten, die den revolutionären Wandel unterstützten - sowohl die ukrainischen Soldaten in Petrograd als auch andere Ukrainer:innen in Russland und der Ukraine. Zwanzigtausend Ukrainer:innen gingen in Petrograd auf die Straße, um zum Gedenken an Taras Schewtschenko zu demonstrieren. In allen größeren Städten der Ukraine fanden unzählige Proteste statt. Demonstrationen am Todestag oder am Geburtstag von Taras Schewtschenko (9. und 10. März, gregor. Kalender) hatten eine lange Tradition und waren zentrale Daten der ukrainischen Proteste am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 1914 berichtete der Chef der Kyjiwer Provinzgendarmerie, Oberst Schredel, an seine Vorgesetzten in St. Petersburg: "Die Führer der ukrainischen Bewegung schlossen sich mit anderen regierungsfeindlichen Organisationen zusammen und begannen, einen Plan für die Organisation von Straßendemonstrationen am 25. und 26. Februar auszuarbeiten, wobei sie alle ihre Bemühungen darauf richteten, Kyjiwer Studenten für diese aktiven Proteste zu gewinnen. [...] Zur Organisation solcher Reden wurde unter den Studenten ein spezielles zeitweiliges Komitee gebildet, dem auch Vertreter ausländischer Gemeinschaften (Polen, Georgier, Armenier usw.) angehörten und [...] mit der Vorbereitung von Proklamationen begannen." [12]

Die revolutionäre Stimmung veranlasste ukrainische politische Vertreter, Gemeindevorsteher, Untergrundrevolutionäre und kulturelle Organisationen zur Gründung der ukrainischen Zentralna Rada. Die Gesellschaft der ukrainischen Progressiven, eine bereits vor 1917 existierende überparteiliche Organisation, beschloss nach langen Diskussionen die Organisierung eines revolutionären Gremiums, um so die ukrainischen Kräfte zu koordinieren und das Selbstbestimmungsrecht in die Praxis umzusetzen. Diese Gesellschaft wurde von liberal gesinnten Politikern dominiert und es gab nur wenige Marxisten und nicht-marxistische Sozialisten. Die liberale Mehrheit vertrat eine ausgrenzende und gemäßigte Position: Das neue ukrainische revolutionäre Gremium sollte nur der Entwicklung der kulturellen, nicht aber der politischen Autonomie dienen, und es sollte nur von den Mitgliedern der Gesellschaft organisiert werden. Sie wurden sofort von den Sozialisten überrannt, die für einpartizipatives politisches Gremium plädierten, das alle Ukrainer repräsentieren sollte - die Zentralna Rada. Die Initiative wurde also von der Linken ergriffen und erhielt einen volksnahen und inklusiven Charakter.

Wer bildete die ukrainische provisorische Regierung - die Zentralrada?

Die ukrainische Zentralna Rada wurde im März 1917 gegründet. Die Zentralna Rada war jedoch kein gewähltes Parlament, da es mitten in der Revolution keine Möglichkeit gab, Wahlen zu organisieren. Sie war eine nationale Versammlung, die sich aus Delegierten der wichtigsten ukrainischen Parteien und Organisationen zusammensetzte. Die größten dieser Organisationen, die in der Zentralna Rada vertreten waren, waren die Bauern-, Arbeiter- und Soldatenräte (die als eine Art Sowjetregierung fungierten); zu den anderen Gruppen gehörten die größten sozialistischen Parteien, die Organisationen der nationalen Minderheiten, Berufsgruppen wie Gewerkschaften, Studentenorganisationen usw., Kommunal-, Kultur-, Sport- und Frauenorganisationen sowie Delegierte der lokalen Verwaltung. Mehr als die Hälfte der Delegierten waren Vertreter der Räteorganisationen. Massive Demonstrationen und andere Zeichen der Unterstützung für die Zentralna Rada durch diese Organisationen folgten in den nächsten Monaten ihres Bestehens. Aufgrund ihrer Zusammensetzung - die Bildung und die Sitzungen der verschiedenen Rätekongresse und der Minderheitenorganisationen nahmen einige Zeit in Anspruch - hatte sich die Zahl der Delegierten in der Zentralna Rada seit der ersten Sitzung verzehnfacht. In diesem Sinne war die ukrainische Zentralna Rada kein Parlament, sondern eine Institution der partizipativen, revolutionären Demokratie. Ihre Hauptziele waren der Kampf für die ukrainische Autonomie(dies betraf auch den Zentralismus und Imperialismus der "großrussischen" Provisorischen Regierung in Petrograd), die Organisation der Ukrainer:innen, die Vorbereitung der ukrainischen Verfassungsgebenden Versammlung und die Durchführung der Landreform. Später sollte die Zentrale Rada durch ein gewähltes Parlament ersetzt werden. Die Zentrale Rada wurde somit zu einer provisorischen ukrainischen Regierung.

Um funktionsfähig zu werden, bildete die Zentrale Rada einen Ausschuss namens Mala Rada (Kleiner Rat). Er repräsentierte von seiner Zusammensetzung her in etwa die Zentralna Rada und bereitete zwischen den Sitzungen Gesetze vor, über die später in der Zentralen Rada abgestimmt und diskutiert wurde. Von 58 Mitgliedern der Mala Rada waren 18 Vertreter der Minderheiten. Über der Mala Rada gab es ein Generalsekretariat, das als Kollegialorgan mit der höchsten Exekutivgewalt fungierte. Mit dem Vierten Universal im Januar 1918 – einen Gesetzesakt des Zentralna Rada – wurde es um die Ministerien für jüdische, russische und polnische Angelegenheiten erweitert.

Die Parteien der Zentralna Rada

Die Sozialrevolutionäre

Wenn die Menschen als Gemeinschaft mit den Werkzeugen der Produktion arbeiten, dann müssen sie das gesamte Arbeitsprodukt als Gemeinschaft erhalten. Was sie von diesem Produkt für die öffentlichen Angelegenheiten abgeben, bleibt ihnen überlassen. Es darf nicht sein, dass, wenn ein Eigentümer oder eine Gruppe von Eigentümern nicht arbeitet, der größte Teil des von ihnen nicht produzierten Produkts weggenommen wird. Sowohl in der bäuerlichen Arbeitswirtschaft als auch in der Industrie ist es notwendig, dafür zu sorgen, dass der Herr und der Arbeiter eine Person sind, damit die Arbeiter Herren im Kollektiv sind. Die Beseitigung dieses Widerspruchs [des Kapitalismus] wird bedeuten, dass die Klasse der Industriellen zerstört wird: die Organisatoren der Industrie, die Eigentümer, und die Arbeiter werden dieselben Personen sein, die das Unternehmen leiten, organisiert als Demokratie. Die Arbeiterdemokratie in der Industrie ist ein Novum. Als nächstes muss der Austausch von Produkten ("Handel") durch die Zusammenarbeit der Verbraucher organisiert werden. In ihrer ersten Form wird die Arbeit selbst nichts anderes sein als eine Produktionskooperation. Die kulturellen Angelegenheiten (Schulen, Verlage, Zeitungen, Zeitschriften, Forschungseinrichtungen, Kunstbetriebe usw.) müssen ebenfalls kooperativ organisiert werden. Die Verwaltung der Wirtschaft und der kulturellen Arbeit sollte von den Dorf- und Stadtgemeinschaften und ihren Verbänden und Zentren auf demokratischer Grundlage organisiert werden. Die politische Organisation der Gesellschaft (der "Staat") hätte demgegenüber nur den äußeren und inneren Frieden zu wahren. Wir schließen uns nicht der Meinung der Bolschewiki an, die alle wirtschaftlichen und kulturellen Funktionen der Gesellschaft in den Händen des "Staates" konzentrierten. Der bolschewistische Staat ist zu einem Eigentümerkapitalisten geworden, der die gesamte Gesellschaft mit allen Mitteln der Gewalt zwingt, für sich zu arbeiten. Der Staatskapitalismus ist die schlimmste Form des Kapitalismus im Allgemeinen. Die Vergesellschaftung des Bodeneigentums wird diejenigen begünstigen, die in der Nähe des Bodens arbeiten wollen, die Industrie mit der Landwirtschaft verschmelzen und die Kluft zwischen dem Land und der Stadt beseitigen, indem sie die Landwirtschaft mit der Industrie vereint. Dadurch werden auch die kulturellen Unterschiede zwischen dem Dorf und der Stadt verschwinden. Wir nennen dieses System der Arbeitsdemokratie Sozialismus oder, wie Drahomaniv sagte, Hromadivstvo (Kommunismus).[13]

Mykyta Schapowal, 1927

Schapowal (1882-1932), Dezember 1918-Februar 1919 Landminister, zuvor Minister für Telegrafie der Ukrainischen Volksrepublik, einer der Hauptorganisatoren des Direktoriumsaufstands, Führer und Theoretiker der Ukrainischen Sozialrevolutionären Partei (Hauptströmung) und Anhänger einer sowjetischen Plattform; im Exil Mitbegründer der Sozialistischen Liga des Neuen Ostens.

Die Ukrainische Partei der Sozialrevolutionären (UPSR, ukrain. Ukraїns’ka partija socialistiv-revoljucioneriv/USPR) war die mit Abstand größte und radikalste Partei in der ukrainischen Zentralna Rada. Sie wurde kurz nach der Revolution gegründet und wuchs rasch, wobei ganze Dörfer auf einmal der Organisation beitraten. Die Partei vertrat eine radikale Haltung gegenüber der Landfrage und in der Frage der ukrainischen Unabhängigkeit. Die UPSR war eine Bauernpartei und ihre ideologische Plattform bestand aus einen nicht-marxistischen, pluralistischen, radikalen Sozialismus. Sie lehnte die marxistische Theorie von der Arbeiterklasse als einziger revolutionärer Klasse ab und vertrat das Konzept der "werktätigen Klassen" (Bauern, Landwirte, Arbeiter und Arbeiterintelligenz), die beim Aufbau des Sozialismus gleichermaßen wichtig waren.

Die Partei durchlief eine Entwicklung und Radikalisierung. Trat sie anfangs für die "Vergesellschaftung der Produktionsmittel" und die radikale Dezentralisierung der Regierung im Rahmen einer umfassenden parlamentarischen Demokratie ein, so stand sie später auf dem Boden des Syndikalismus und der Rätedemokratie. In der Spätphase der ukrainischen Revolution spaltete sich die Partei in den radikalen Flügel der Borotbysten, der fast anarchistische Ansichten vertrat, und die „Hauptströmung“, welche die Idee eines Rätesystems vertrat (allerdings nicht im bolschewistischen Sinne, wo das Räte- bzw. Sowjetsystem von einem Einparteienstaat kontrolliert wurde).

Die Sozialrevolutionäre waren die größte Partei in der Zentralna Rada. Allerdings fehlte es ihr an Erfahrung, so dass die Partei die meiste Zeit über an zweiter Stelle hinter der viel kleineren Sozialdemokratie stand.

Die Ukrainische Sozialdemokratische Arbeiterpartei (USDAP)

Die USDAP (Ukraїns’ka social-demokratyčna robitnyča partija/USDRP) war eine marxistische Partei, die sich auf das Erfurter Programm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) von 1891 stützte und stark von Kautsky, Bernstein und anderen linken SPD-Führern beeinflusst war. In der ukrainischen Politik wurden marxistische Parteien als sozialdemokratisch bezeichnet, während nicht-marxistische sozialistische Parteien einfach als sozialistisch bezeichnet wurden. Die USDAP war eine Partei mit viel Erfahrung aus der Revolution von 1905 und brachte diese in der Revolution von 1917 ein. Sie war eine starke intellektuelle Kraft, wenn auch recht dogmatisch. Die USDAP übernahm die führende Rolle in der Revolution.

Die Sozialisten-Föderalisten

Die gemäßigten Mitglieder der Gesellschaft der ukrainischen Progressiven organisierten sich in einer sozialistisch-föderalistischen Partei, die nur dem Namen nach sozialistisch war, in Wirklichkeit aber eine sozialliberale Partei, die sich auf die Ideale der lokalen Selbstverwaltung, der sozialen Sicherheit und der kommunalen Autonomie stützte. Die Ukrainische Partei der Sozialisten-Föderalisten war auch die gemäßigtste in Bezug auf die nationalen Forderungen und verfolgte eine Politik der Beschwichtigung gegenüber der russischen Provisorischen Regierung. Sie war eine marginale Kraft, aber die Partei bestand dennoch aus hochtalentierten Persönlichkeiten wie dem späteren Leiter des Außenministeriums der Ukrainischen Volksrepublik, Oleksander Shulgin.

Kongresse und Bewegungen

Der Kongress der versklavten Nationen

Der Kongress der versklavten Völker Russlands tagte vom 8. bis 15. September 1917 auf Initiative der Zentralna Rada in Kyjiw. 92 Delegierte von Ukrainern, Georgiern, Polen, Letten, Litauern, Esten, Juden, Weißrussen, Moldawiern, Kosaken, [14] Burjaten, Tataren, Krimtataren, türkischen und muslimischen Organisationen und dem Rat der Sozialistischen Parteien Russlands waren anwesend. Andere Nationen, die nicht teilnehmen konnten, übermittelten ihre Grüße und unterstützten die Initiative. Ziel des Kongresses war es, eine Zusammenarbeit zwischen den versklavten Völkern des Russischen Reiches herzustellen und eine neue republikanische, dezentralisierte Realität zu schaffen. Zum Vorsitzenden des Kongresses wurde Mychajlo Hruschewskyj gewählt. Der Kongress fand wenig Unterstützung  bei den zentralistischen gesamtrussischen Parteien wie den russischen Konstitutionellen Demokraten, den Menschewiki und den Bolschewiki. Gemäß ihren Theorien und ihrem russischen Nationalismus strebten dieser eher einen Einheitsstaat oder eine Pseudoföderation an.

Der Kongress war ein großes und symbolträchtiges Ereignis, das nicht nur die Zusammenarbeit zwischen den nicht-russischen Nationen bestätigte, sondern auch verschiedene Nationalitäten motivierte, für ihre Autonomie zu kämpfen. Die Ukraine ging mit "gutem Beispiel" voran und bereitete der Provisorischen Regierung entsprechende Probleme. Die russische Provisorische Regierung hatte einen imperialistischen Charakter und lehnte die ukrainische Autonomie ab. Die Haltung der russischen Intelligenz war noch schlimmer. Die Provisorische Regierung sah in der Eindämmung der ukrainischen Bewegung ein Mittel, um andere nationale Bewegungen zu stoppen, die das zentralisierte, "eine und unteilbare" Russland bedrohten.

Der Kongress der Genossenschaften

Die ukrainische Genossenschaftsbewegung spielte eine entscheidende Rolle in der ukrainischen Revolution. Sie bemühte sich nicht nur um das wirtschaftliche Wohlergehen ihrer Gemeinschaften, sondern auch um die Eröffnung von Schulen und Museen, die Organisation kultureller Aktivitäten und sogar um die Finanzierung von Stipendien. Es handelte sich um eine große, gut organisierte und prinzipientreue Bewegung. Mit der Revolution weitete sich die Genossenschaftsbewegung aus. Sie bildete Gremien heraus und entwickelte Regularien, mit denen sie demokratische Grundsätze und Mitwirkungsrechte absicherte. Sie wandte sich gegen sogenannte Pseudo-Kooperationen, verteidigte Arbeitnehmer:innenrechte in den Genossenschaften und trat für harmonische und nicht spekulativen Marktwirtschaft ein. Die Genossenschaftsbewegung basierte auf den Grundsätzen der nationalen Befreiung (sie wurden als Instrument im Kampf für Selbstbestimmung gesehen), der "Selbstverteidigung" gegen Ausbeutung und unvorhergesehene wirtschaftliche Bedingungen. Sie trat für Demokratie ein, engagierte sich für die Gemeinde und sorgte sich um die moralische Entwicklung der Arbeiter:innen. Die Genossenschaften wollten ihre Mitglieder befähigen, als Bürger:innen aktiv die Gesellschaft zu gestalten. Arbeit sollte nicht mehr entfremdete Tätigkeit sein. Der Genossenschaftskongress tagte vom 27. bis 29. März 1917 und wählte den Leiter der Zentralna Rada, Mychajlo Hruschewskyj, zum Ehrenvorsitzenden des Kongresses. Der proto-keynesianischer Ökonom und Theoretiker des genossenschaftlichen Sozialismus Michajlo Tuhan-Baranovskyj wurde zum Vorsitzenden des Kongresses gewählt und das Mitglied des Zentralkomitees der Sozialrevolutionäre P. Chrystjuk zum Sekretär. Der Kongress endete mit einer Erklärung zur vollen Unterstützung der Zentralna Rada, und Forderungen nach Schaffung der ukrainischen Autonomie, einer größeren Rolle der Genossenschaftsbewegung, die Einführung der ukrainischen Sprache in allen Lebensbereichen und einer Polizeireform.

Die Genossenschaftsbewegung vereinte Millionen von Menschen und war wirtschaftliche Grundlage für das ukrainische Volk. [15]

Der Sowjetkongress und die bolschewistische Aggression

Der Sowjetkongress wurde von den Bolschewiki einberufen und war unübersehbar ein Versuch, die ukrainische Regierung zu stürzen. Obwohl die Bolschewiki nur schwach vertreten waren - etwa 60 der mehr als 2000 Delegierten waren Bolschewiki [16] - versuchten sie, ihre Agenda durchzusetzen: den Sturz der Zentralna Rada. Der erste Punkt war die Wahl des Präsidiums, war aber mit einer klaren Niederlage für die Bolschewiki endete: Neun Präsidiumsmitglieder entsandten die ukrainischen Sozialrevolutionäre und drei die ukrainischen Sozialdemokraten, während die gesamtrussischen Menschewiki, die Vertreter der Südwestfront, des Baltikums und des Schwarzen Meeres nur je ein Mitglied stellen konnten. Sieben weitere Mitglieder entstammten anderer russischen Fraktionen und nur vier den Bolschewiki. Zum Ehrenvorsitzenden des Kongresses wurde Hruschewskyj, der Leiter der Zentralna Rada, gewählt. [17] Der Sowjetkongress befürwortete zwar im Allgemeinen die bolschewistische Propaganda und betrachtete die bolschewistische Partei als fortschrittliche revolutionäre Kraft, aber die bolschewistische Partei war dennoch eine absolute Minderheit. Auch das Datum des Kongresses hätte für die ukrainischen Bolschewiki nicht schlechter gewählt werden können. Am Tag zuvor hatte die russische Sowjetregierung der Ukrainischen Volksrepublik ein Ultimatum gestellt und mit Krieg gedroht; ein Faktum, das selbst den ukrainischen Bolschewiki nicht bekannt war. [18] Damit war die Sache erledigt - die Arbeiterdelegierten, von denen viele russische Staatsangehörige waren, sowie andere Vertreter der Sowjets verurteilten das Ultimatum. Es wurde betont, dass das bolschewistische Ultimatum die zentralistische und chauvinistische Politik des Zarismus und der früheren Kerenski-Regierung des „einen und unteilbaren Russlands“ fortsetzte. Die Ukrainische Zentralna Rada erhielt eine überwältigende Unterstützung und festigte ihre Autorität bei den Sowjets, Die bolschewistische Fraktion verließ daraufhin den Kongress und zog nach Charkiw, um eine Gegenregierung zu organisieren. [19] Nach Angaben der Bolschewiki sprachen sich 124 Delegierte für den Austritt aus dem Kongress aus. Die Zahl ist jedoch umstritten.

Eine Zeit lang arbeiteten die ukrainischen Sozialisten mit den Bolschewiki auf der Grundlage einer scheinbar ähnlichen Ideologie zusammen, da der autoritäre und imperialistische Charakter des Bolschewismus noch nicht klar war. Ein wichtiger Faktor war der gemeinsame Hass auf die Provisorische Regierung, die eine Militäroffensive gegen die Zentralna Rada vorbereitete. Um sich vor einer Konterrevolution zu schützen, verhinderte die Zentralna Rada, dass die Truppen Kerenskis nach Petrograd zogen.

Diese Zusammenarbeit war jedoch nur von kurzer Dauer, da die Bolschewiki selbst versuchten, einen Staatsstreich gegen die Zentralna Rada zu organisieren. Die ukrainischen Behörden entdeckten jedoch die Vorbereitung des Staatsstreichs und entwaffneten rund 7.000 bolschewistische Soldaten in Kyjiw. Ein weiteres bolschewistisches Bataillon sollte mit der Eisenbahn in Kyjiw eintreffen, wurde jedoch abgefangen und ebenfalls entwaffnet. Am 27. November 1917 begann die sowjetische Regierung, ihre Streitkräfte in der Grenzregion zu stationieren. Am 30. November versuchten bolschewistische Truppen in Odesa, die ukrainische Regierung zu stürzen, was nach zweitägigen Scharmützeln mit einem ukrainischen Sieg und einem Waffenstillstand endete.

Am 4. Dezember (dem Tag des Sowjetkongresses) richtete der Rat der Volkskommissare (Sowjetregierung) ein Ultimatum an die Zentralna Rada. Die Bolschewiki forderten von der Ukraine Maßnahmen, die die Souveränität der Volksrepublik praktisch einschränken würden, dazu zählten die Forderungen nach Aufrechterhaltung einer gemeinsamen Front mit Russland und die Wiederbewaffnung der Roten Garde in der Ukraine. Die Aktionen vor und nach dem Ultimatum, der vorherrschende Parteizentralismus und die weit verbreitete Meinung in der bolschewistischen Partei, dass die Ukraine ein untrennbarer Teil Russlands sei, sowie die späteren Einmärsche in die Volksrepublik Krim, in Lettland, Estland, Litauen, Polen, Georgien und andere belegen, dass imperialistische Motive der Grund für den Einmarsch in die Ukraine war.

Dennoch belegen die Aktionen vor und nach dem Ultimatum sowie das allgemeine Auftreten der Bolschewiki, dass das imperialistische Besatzungsmotiv im Vordergrund stand. Der vorherrschende Parteizentralismus und die in der bolschewistischen Partei weit verbreitete Meinung, dass die Ukraine ein untrennbarer Teil Russlands sei sind ebenso solche Belege wie die späteren Invasionen in die Volksrepublik Krim, in Lettland, Estland, Litauen, Polen oder Georgien. Wenn die Forderungen erfüllt worden wären, hätten sie wahrscheinlich als Mittel zum Sturz der "bürgerlichen" Zentralna Rada gedient. Der Krieg, den die Sowjetregierung auf Initiative von Lenin und Trotzki begonnen hatte, brachte Chaos und Zerstörung, Repressionen und Requisitionen in die Ukraine.

Die Ukrainische Republik wurde von den weißen und roten Truppen Russlands bedroht, aber auch von Polen und Rumänien, dem deutschen Einmarsch und Putsch, der französischen Intervention sowie den Wirtschaftssanktionen der Entente. Die Ukraine befand sich in einem internationalen Umfeld, das ihrer Selbstbestimmung äußerst feindlich gesinnt war. Ihr mangelte es zudem an organisierten staatlichen Strukturen, an Munition, an militärisch-industrieller Produktion sowie an verfügbaren Offizieren. Dies waren die äußerst ungünstigen Rahmenbedingungen der Ukrainischen Volksrepublik.


Republikanische Reformen

Wirtschaftsreformen

Da die ukrainische Bevölkerung überwiegend bäuerlich geprägt war, stand die Bodenreform im Zentrum der Wirtschaftspolitik. In der Debatte standen sich die Ideen einer umfassenden Vergesellschaftung und die einer Aufteilung des Landes in Kleinbetriebe gegenüber. Letzteres bedeutete, dass jeder Bauer so viel Land erhalten sollte, wie er bearbeiten konnte, und dass das Land gerecht verteilt werden sollte. Große und wirtschaftlich bedeutsame Ländereien sollten verstaatlicht werden.

In der "Arbeiterfrage" war die Ukrainische Volksrepublik eines der ersten Länder, das den Achtstundentag, Tarifverhandlungen, Streikfreiheit und die Unterstützung der Gewerkschaften einführte. In den Wirren der Revolution und des Krieges, die in der Ukraine immense Zerstörungen angerichtet hatten, war die weitreichende Sozialisierung der Unternehmen unmöglich. Stattdessen entschied sich die Ukrainische Volksrepublik für ein provisorisches korporatistisches Modell, bei dem Arbeiterausschüsse die Unternehmen gemeinsam mit dem Staat oder privaten Eigentümern verwalteten. Es wurde eine proaktive Arbeitsaufsicht eingeführt, die Statistiken sammelte, einen ständigen Dialog mit den Beschäftigten und den Kommissionen führte, die Arbeitnehmer:innen über ihre Rechte informierte und sie in der Verteidigung ihrer Rechte und in der gewerkschaftlichen Organisierung schulte. Dieser Ansatz unterscheidet sich deutlich von der heute geltenden Philosophie der Arbeitsaufsicht als passives Gremium, das sich lediglich mit Beschwerden befasst.

Genossenschaftliche Unternehmen wurden als Alternative zu privaten Unternehmen gefördert, existierten aber neben diesen weiter. Allerdings war die ukrainische Wirtschaft war bereits überwiegend genossenschaftlich organisiert, während die staatlich oder privat kontrollierten Betriebe sich in der Minderheit befanden. Die genossenschaftliche Organisiertheit der ukrainischen Wirtschaft bedeutete in der In der Sprache des 20. Jahrhunderts so viel wie "im Besitz der Arbeiter" nach dem Prinzip "eine Person, eine Stimme". Im Rahmen der föderalistisch-kommunalen Vorstellungen der Zentralna Rada erhielten die lokalen Behörden und Selbstverwaltungsorgane weitreichende Autonomie und Instrumente, um auf lokale Probleme zu reagieren.

Die Mehrheit der Mitglieder der ukrainischen Sozialrevolutionäre befürwortete radikalere Lösungen, doch fehlten ihnen erfahrene Kader, um ihre Forderungen umzusetzen. Die von der Republik bereits vorgeschlagenen Reformen waren sehr radikal und modern, waren noch nie zuvor erprobt worden und erforderten hohe Verwaltungskapazitäten, über die die Ukrainische Volksrepublik nicht verfügte und die aufgrund der nachrevolutionären und kriegerischen Situation unter starken Druck gerieten. Die Aufrechterhaltung der Armee, der Kampf gegen Hunger, die Eindämmung von Epidemien und der Zwang zur Öffnung der Fabriken, um den Zusammenbruch der gesamten Wirtschaft zu verhindern, hatten Vorrang und erschwerten andere Reformen.

National-persönliche Autonomie und jüdische Rechte

Der Einfluss des großen ukrainischen sozialistischen Philosophen des 19. Jahrhunderts Mychajlo Drahomanow (1841-1995) veranlasste die Ukrainer:innen, eine nationale Autonomie für alle Nationen zu fordern. Insbesondere schien Drahomanow die ukrainische Haltung gegenüber der jüdischen Nation beeinflusst zu haben. Während die meisten (nichtjüdischen) Sozialdemokrat:innen Jüdinnen und Juden nicht als eigenständige nationale oder kulturelle Gruppe, sondern nur als religiöse Gruppe anerkannten, war es Drahomanow, der deren Anerkennung als Nation und die jüdische nationale Autonomie gefordert und in die Diskussion gebracht hatte. In der Folge übernahmen die meisten ukrainischen Parteien Die Autonomieforderungen in ihre Programme, und, wie Henry Abramson schreibt, [20] übernahmen einige ukrainische Kreise die Forderung nach jüdischer Autonomie noch bevor jüdische Organisationen dies selbst taten. Während der Revolution wurde die ukrainische Zentralna Rada von den prominentesten Befürwortern der Minderheitenrechte angeführt, unter anderem von ihrem Vorsitzenden Mychajlo Hruschewskyj. Die ukrainische Regierung unterschied sich wohltuend von der russischen Provisorischen Regierung. Letztere trat für "gleiche Rechte" ein, blieb aber hinter dieser Forderung zurück und neigte sogar zu chauvinistischen Positionen, als diese gleichen Rechte in der Ukraine umgesetzt wurden. Das machte die Zentralna Rada zu einem starken Konkurrenten um die Sympathien der jüdischen Minderheit, die zu dieser Zeit stark russenzentriert war.

Alle jüdischen Parteien unterstützten die Ausrufung der Ukrainischen Volksrepublik, sowohl die sozialistisch-zionistischen als auch die autonomistischen Parteien. Es kam jedoch zu Konflikten mit dem Streben der Ukrainer nach Unabhängigkeit. „For socialists, the preservation of the political integrity of the territory was especially important for maintaining the broadest possible “revolutionary front,” while for Zionists it meant the potential mobilization of the largest mass of Jewry for their own political ends.” [21] Die jüdischen Parteien waren Teil der gesamtrussischen Politik, während die ukrainischen Parteien entschlossen waren, ihr Land von der russischen Fremd- und Kolonialherrschaft zu befreien. Es gab keine populäre jüdisch-ukrainische Identität, da die meisten Juden zur städtischen Mittelschicht gehörten, während die Ukrainer als Unterschicht in den Dörfern isoliert waren. Dies führte zu einem Mangel an Verständnis für die Ziele beider Bewegungen, zu einer allgemeinen schlechten Stimmung und zu Feindseligkeit aufgrund der Klassenzugehörigkeiten.

Als der Krieg zwischen der Ukraine und dem bolschewistischen Russland ausbrach, begann die Zentralna Rada mit der Ausarbeitung eines Gesetzes über die nationale Autonomie der Minderheiten – und gleichzeitig kam es zu einer ersten Welle von Pogromen (im Januar 1918). Die Zentralna Rada scheiterte teilweise an einer der wichtigsten Aufgaben der Revolution: der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Organisation einer effektiven und disziplinierten Armee. Der Mangel an Verwaltungskapazitäten und Offizieren war eine objektive Voraussetzung, die nur schwer zu überwinden war.

Der Einfluss der Minderheiten in der Zentralna Rada war vergleichsweise stärker als der der anderen Vertreter. Als die Ukraine beispielsweise mit der Vorbereitung ihrer Bodenreform begann, protestierte ein polnischer Abgeordneter, der die Interessen der polnischen Grundbesitzer vertrat, gegen die Reform und drohte mit seinem Rücktritt. Der Protest führte zu einigen Ausnahmen bei der Reform.

Bereits mit dem Dritten Universal (Erklärung der Ukrainischen Volksrepublik über die autonomen Beziehungen zur Russischen Republik) hatte die ukrainische Regierung Ministerien für jede "große Nationalität" gebildet. Es gab jüdische, russische und polnische Ministerien. Das Gesetz über die nationale Autonomie, das mit dem Vierten Universal eingeführt wurde, erweiterte den Einfluss und die Vertretung der Minderheiten noch einmal erheblich. Das Gesetz sah vor, dass jede Minderheit eine Liste führen sollte, in die sich die Bürger:innen selbst eintragen konnten, und je nach Größe der Liste wollte die Ukraine einen proportionalen Anteil des Haushalts für die nationalen Aktivitäten der Minderheiten bereitstellen. Die nationalen Vereinigungen wurden gegründet und erhielten das Recht, innerhalb der von der Verfassunggebenden Versammlung festgelegten Grenzen gesetzgeberische Initiativen zu ergreifen und zu regieren.

Obwohl das Autonomiegesetz zu dieser Zeit das fortschrittlichste der Welt war, hatte es auch Mängel. Die in den Listen eingetragene nationale Identität basierte nur auf einer persönlichen Entscheidung und konnte leicht geändert werden. Dies eröffnete die Möglichkeit, der nationalen Vereinigung beizutreten, welche die meisten Vorzugsbedingungen gewährte (wie z. B. Steuervergünstigungen und finanzielle Unterstützung). Es gab auch die Frage der gemischten Identitäten: Sahen sich die Menschen als (russifizierte) Juden, als Ukrainer:innen, als beides oder keines von beiden?

Die Verabschiedung des Gesetzes war mit einer nationalen Tragödie verbunden - denn das Vierte Universal, über das damals abgestimmt wurde, wurde von allen Nationalitäten außer den Polen abgelehnt. Jüdische und russische Parteien enthielten sich der Stimme oder stimmten dagegen, was zeigt, dass sie eher für Autonomie der Ukraine als für deren Unabhängigkeit eintraten. Die Ukrainer:innen fühlten sich dadurch sehr demoralisiert, da sie sich in ihrem Kampf nicht verstanden und unterstützt sahen.

Alle anständigen Menschen der Ukraine müssen die Arbeit des Generalsekretariats und der örtlichen Verwaltungen in ihrem Kampf gegen die Pogrome, die ein Erbe des Zarismus sind, mit aller Kraft unterstützen... Wir haben Dekrete erlassen, die besagen, dass jeder Ukrainer seine Freiheit als unsicher betrachten soll, solange wir nicht frei von nationalem Hass und antijüdischen Pogromen sind, einem schwarzen Fleck auf unserem Gesicht, der die ganze Welt dazu bringt, uns als ein Volk zu betrachten, das noch immer versklavt ist.

Oleksandr Schulhyn, Minister für Nationalitätenfragen, Oktober 1917 [22]

Als Generalsekretär für militärische Angelegenheiten in der Ukrainischen Volksrepublik rufe ich euch alle, meine Kameraden und Freunde, dazu auf, in dieser schwierigen Zeit geschlossen zu handeln. Seid organisiert und geeint, einer für alle und alle für einen. Unsere Armee ist jung, sie steht gerade erst auf ihren Füßen, aber sie wird dem Ruf unserer Vorfahren gerecht werden. Alle müssen sich für die Zentralna Rada und ihr Generalsekretariat vereinen. Duldet keine Pogrome oder ordnungswidriges Verhalten, denn die Duldung solcher Aktivitäten wird Schande über den Namen der ukrainischen Armee bringen. Auf unserem Land darf es keine Pogrome geben. Ich habe die ukrainischen Truppen bereits dazu aufgerufen, die Ordnung in der Ukraine zu schützen. Seid bereit, in der ganzen Ukraine, vor allem auf den Eisenbahnen, jeder Pogromaktivität Einhalt zu gebieten ... Diese Verantwortung kann ich nur auf eure Schultern legen, und ich werde Vertrauen in euch haben, ukrainische Soldaten.

Symon Petljura, November 1917 [23]

Während des gesamten Jahres 1917 gelang es der ukrainischen Regierung, Pogromisten zu verfolgen, die jüdische Bevölkerung zu schützen und Pogrome erfolgreich zu verhindern. Die Jüdische Militärunion unterstützte die ukrainische Zentralna Rada und im Dezember 1917 forderten sie gemeinsam die Schaffung eigener jüdischer Streitkräfte, um sich gegen Pogrome zu verteidigen. [24] Dieser Aufruf stieß jedoch auf den Widerstand der jüdischen sozialistischen Parteien, die darin eine Feindseligkeit und einen Bruch mit der russischen Republik sahen. Solche Einheiten wurden erst im Januar 1918 gebildet. Henry Abramson vermutet, dass die Schaffung solcher Einheiten zu einem früheren Zeitpunkt die massive Pogromwelle von 1919 hätte verhindern oder begrenzen können.

Mit zunehmender Anarchie und geringerer Kontrolle durch die Ukrainische Volksrepublik kam es schließlich zu mehr Pogromen, die sowohl von der regulären ukrainischen Armee als auch von den ihr treu ergebenen Atamanen (Kriegsherren) verübt wurden – es entstand eine große Kluft zwischen der Regierung und den Regierten. Ausschlaggebend dafür waren die fehlende Kontrolle, die verworrene und widersprüchliche Politik und das politische Umfeld. Dennoch kam es zu einer großen Welle von Pogromen, die hauptsächlich von regulären Truppen der Republik durchgeführt wurden. Das heißt, die Ukrainische Volksrepublik und ihr Direktorium waren dafür verantwortlich, dass die Pogrome nicht gestoppt und ihre Streitkräfte nicht diszipliniert wurden. Gleichzeitig setzten sich alle Regierungen der Ukrainischen Volksrepublik für die Rechte und die Sicherheit der Juden ein, unternahmen aber nichts gegen die sich rapide verschlechternde Situation, für die das Direktorium die Verantwortung trug.

Die jüdischen Parteien unterstützten das Direktorium, und viele jüdische Vertreter:innen standen der Idee der ukrainischen Unabhängigkeit aufgeschlossen gegenüber, doch die Pogrome verschlechterten die Beziehungen. Schon damals schätzte der De-facto-Chef des jüdischen Ministeriums der Ukraine, Nahum Gergel, dass mindestens 16.700 Menschen allein durch die Kräfte des Direktoriums getötet worden waren.

Heute sind sich die meisten Historiker:innen einig, dass die tatsächliche Zahl viel höher lag. Der Antisemitismus in Teilen der ukrainischen Streitkräfte und die Unfähigkeit der Regierung, wirksam gegen die Pogrome vorzugehen, wurden zu einer schweren Belastung. Die Regierung der Ukrainischen Volksrepublik leistete stets materielle Hilfe und Entschädigung, untersuchte Pogrome und verfolgte die Verantwortlichen, unternahm aber nicht genug, um Pogrome von vornherein zu verhindern. Für alle Ukrainer:innen ist dies ein dunkler Fleck in der Geschichte des Landes. Für ein realistisches, nicht idealisiertes Geschichtsbild kommen wir nicht umhin, von Pogromen zu sprechen, auch wenn die Regierung der Ukrainischen Volksrepublik enorme soziale und politische Fortschritte gemacht hat, auch was die Rechte von Jüdinnen und Juden betrifft.

Kooperative Bewegung und Selbstorganisation

Die heutige Zeit ist die richtige Zeit für die Entwicklung der genossenschaftlichen Produktion, und deshalb

a) müssen die Genossenschaften alle Maßnahmen ergreifen, um die Produktion in der Ukraine in die eigenen Hände zu nehmen und den breitesten Massen sowie dem jungen Staat bei seiner wirtschaftlichen Stärkung und dem Aufbau neuer Produktionsformen zu helfen;

b) muss der Staat zu demselben Zweck alle Anstrengungen unternehmen, um die Fabriken, die von vorübergehenden, kriegsbedingten Einrichtungen auf den Staat übertragen werden, durch ihre wirtschaftlichen Organisationen - Genossenschaften und ihre Gewerkschaften - in die Hände des Volkes zu übergeben; [25]

c) sollte sich der Staat zu demselben bei seinen Plänen für die Gründung neuer Industrieunternehmen, die in der unabhängigen Ukraine beliefert werden, hauptsächlich und nach Möglichkeit auch ausschließlich auf Genossenschaften stützen […]

3. - Die Genossenschaften und ihre Verbände dürfen Industrieunternehmen nur zur Deckung des Bedarfs der Bevölkerung ihres Bezirks im Einvernehmen mit dem entsprechenden Genossenschaftsverband gründen.

4. Unkoordinierte Leistungen einzelner Gewerkschaften und Genossenschaften außerhalb des allgemeinen Plans werden als schädlich für die Zusammenarbeit erkannt, und daher wird die Planung des Aufbaus und der Verwaltung von Genossenschaftsunternehmen den zentralen ukrainischen Genossenschaftsverbänden anvertraut...

Dritter Allukrainischer Allgenossenschaftlicher Kongress in Kyjiw, 26. bis 29. Mai 1918 [26]

Die Genossenschaftsbewegung war die Grundlage für die sehr fortschrittlichen ukrainischen Wirtschaftsreformen. Die Ukraine war ein Volk von Bäuerinnen und Bauern, die unter furchtbaren wirtschaftlichen Bedingungen lebten. Sie wurden ausgebeutet und es wurde ihnen verwehrt, sich weiterzuentwickeln, eine angemessene Ausbildung zu erhalten, sich zu qualifizieren oder zu Wohlstand zu kommen. Stattdessen versuchten die Russ:innen, die Ukrainer:innen durch ihre Assimilationspolitik zu vernichten. Hier entstand die Genossenschaftsbewegung ganz natürlich, da die Ukrainer:innen dazu neigten, sich kollektiv gegen Ungerechtigkeit, Armut und Assimilierung zu wehren. Die Genossenschaftsbewegung kümmerte sich nicht nur um den Gewinn der Kollektive, sondern wurde auch zum Zentrum des kulturellen Lebens. Die Genossenschaftsbewegung verwendete ihre Einnahmen für Schulen, Stipendien, Museen, Bibliotheken, Lesegruppen und vieles mehr. Die Bewegung verfügte über eine halbzentralisierte Struktur, also eine von den Genossenschaften von unten organisierte Regulierungsbehörde, die die Aktivitäten der Genossenschaften plante. So sollte verhindert werden, dass einzelne auf Kosten des Wohlergehens der Ukrainer:innen übermäßige Gewinne erzielte. Die Genossenschaften wurden auch daran gehindert, sich eine undemokratische Plattform zu geben; und sie verhinderten, dass die Beschäftigten unnötige Hierarchien aufbauten. Undemokratische Genossenschaften wurde als "pseudo-kooperativ" bezeichnet und eine Regulierungsbehörde für Genossenschaften sollte eingreifen und "Sanktionen" gegen diese verhängen. So wurde die Genossenschaftsbewegung zu einem wichtigen Teil des ukrainischen Lebens. Die meisten ukrainischen Politiker erwarben durch genossenschaftliche Aktivitäten Managementfähigkeiten, die sie später beim Aufbau der Zentralna Rada einsetzten. Mehr als die Hälfte der Mitglieder der Zentralna Rada erwarben ihre Erfahrungen in der Verwaltungsorganisation und der demokratischen Regierungsführung durch ihre Beteiligung an der Genossenschaftsbewegung.

Mit der ukrainischen Revolution wuchs auch die Genossenschaftsbewegung. Im Jahr 1920 gab es in der Ukraine 22.000 Genossenschaften mit sechs Millionen Mitgliedern. [27] 60 Prozent von ihnen waren in Konsumgenossenschaften organisiert. Den Genossenschaften gelang es mit der Initiative von Tuhan-Baranovwkyj eine eigene wissenschaftliche Einrichtung zu gründen. Das Ukrainische Genossenschaftsinstitut war das erste seiner Art in der Welt. Die ukrainischen Genossenschaften verfügten über eine solide Ethik und halbwegs verbindliche Planungsstrukturen; sie waren gut organisiert und engagierten sich in den lokalen Gemeinschaften. Es war auch eine Bewegung für Bildung und nationale Selbstbestimmung, die sich aktiv am revolutionären Kampf beteiligte.

Als die Bolschewiki kamen, wurden die Genossenschaften schließlich in Pseudo-Genossenschaften umgewandelt. Sie waren nicht mehr freie Zusammenschlüsse von Erzeuger:innen, sondern sie wurden zu von der Partei kontrollierte Einrichtungen oder wurden in der Regel in staatliche Unternehmen umgewandelt. Die Genossenschaftsbewegung versuchte noch weiter zu wachsen, als die Bolschewiki bereits eine neue Wirtschaftspolitik verkündeten. Die Bewegung versuchte, ihre Ziele der Selbstverteidigung und der nationalen Selbstbestimmung zu verwirklichen, wurde aber streng kontrolliert. Von da an wurde die Westukraine zum Fackelträger der ukrainischen Genossenschaftsbewegung und breitete sich aktiv auf dem polnischen nicht-kooperativen Markt aus.

Kirchenreform

Diese letzte Methode des Kampfes der Machthaber gegen die christliche Gemeinschaft reicht bis in die Gegenwart und bringt das Leben der ukrainischen Kirche Christi in den Zustand, in dem die Gläubigen beginnen, die christliche Gemeinschaft, die von den Söhnen des "Fürsten dieses Zeitalters", den herrschenden Klassen, unterdrückt wird, wiederherzustellen und zu befreien.

Volodymyr Chekhivskyi, "Für die Kirche, die christliche Gemeinschaft, gegen die Dunkelheit" [28]

Die unabhängigen ukrainischen Kommunist:innen beteiligten sich an der Ukrainischen Volksrepublik und waren ein wesentlicher Bestandteil ihrer Demokratie. Obwohl ihre sektiererische und autoritäre Auslegung der Theorie des Klassenkampfes für demokratische Regierungsformen gefährlich war, spielten sie eine wichtige und meist positive Rolle in den Aktivitäten der Republik. Als sich die linksradikalen Fraktionen zunächst von ihren Parteien und dann von der Republik selbst abspalteten, wurden bei allen wichtigen politischen Versammlungen Sitze für sie für den Fall reserviert, dass sie zurückkehren und sich an der republikanischen Demokratie beteiligen würden. Dies war auch auf dem Arbeiterkongress der Fall.

Dieser Hintergrund sollte erklären, warum der hochbegabte ukrainische Kommunist Wolodymyr Tschechjewskyj, ein Geistlicher und einer der Organisatoren der Kirchenreform, von Dezember 1918 bis Februar 1919 Premierminister war. [29] Er war eines der brillantesten und interessantesten Beispiele für den ukrainischen christlichen Sozialismus – eine überraschend kleine intellektuelle Tradition, die ihre sozialistische Analyse aus dem christlichen Glauben bezog. Obwohl die ukrainischen Aktivist:innen zumeist religiös waren, waren sie sowohl in der öffentlichen Politik als auch in ihren Ansichten leidenschaftlich sekulär. Sie betrachteten den Glauben als eine von ihren politischen Überzeugungen getrennte Einheit, was sie eher mit den politischen Theorien als mit der Religion begründeten. Die erste ukrainische politische Organisation, die Kyrill-und-Method-Bruderschaft, der auch Taras Schewtschenko angehörte, stützte sich auf eine sehr stark republikanische, demokratische und stark sozial ausgerichtete, wenn nicht geradezu sozialistische Auslegung des Christentums. Ein weiteres gutes Beispiel für die Beteiligung ukrainischer Priester und Geistlicher an der sozialistischen Politik war die gesamtrussische sozialistische "Christliche Bruderschaft des Kampfes", die zur Zeit der Revolution von 1905 bestand.

Wolodymyr Tschechjewskyj war einer derjenigen, die später eine Kirchenreform organisierten, die autokephale ukrainisch-orthodoxe Kirche schuf und sie schließlich von der moskauorientierten, hochgradig politisierten pro-zaristische und imperialistischen Kirche trennte.

Tschechjewskyj tat alles in seiner Macht Stehende, um einen friedlichen, toleranten und säkularen Ansatz für die Religion zu fördern und die Geistlichen zu einem fortschrittlichen Geist und zu sozialen Reformen zu bewegen. Die ukrainische Kirche nahm sofort ihren Platz als eine vergleichsweise fortschrittliche Gemeinschaft ein, die sich stark mit den Zielen der ukrainischen Unabhängigkeit und der ukrainischen Demokratie verband.

Der ukrainischen Kirche gelang es, bis 1937 zu überleben, als sie nach mehr als einem Jahrzehnt der Unterdrückung und einer neuen Welle des stalinistischen Terrors zerstört und durch die russische Kirche ersetzt wurde, eine Institution, die mehr politisch als religiös war.


Sowjetische Ukraine oder demokratisch-sozialistische Ukraine?

(...) Deshalb begannen die Bolschewiki, sich der parlamentarischen Demokratie zu widersetzen und stellten die Parole auf: "Alle Macht den Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten", die auf der Grundlage eines nicht universellen, ungleichen, nicht geheimen und oft nicht direkten Wahlrechts gewählt wurden; die Bevölkerung zeigte sich diesen Sowjets gegenüber gleichgültig, und so gelang es den Kommunisten fast überall, die Sowjets in ihre Hände zu bekommen; wo dies nicht gelang, da erklärten die Kommunisten die Sowjets für bürgerlich und organisierten ein eigenes revolutionäres Komitee. [30]

Borys Martos

Die ukrainische linke Tradition spaltete sich unter den harten Bedingungen der Revolution. Sie war nicht auf der Achse zwischen Radikalen und Gemäßigten gespalten, sondern zwischen verschiedenen Denkweisen. Sollte die Ukraine ein Sowjetland sein, in dem Sinne, dass sie von einem Sowjetkongress der Bauern und Arbeiter in einer dem Syndikalismus ähnlichen Weise entlang der Klassengrenzen regiert werden sollte? Oder sollten die Sozialist:innen sich um die Losung einer demokratischen Republik scharen?

Diejenigen, die dem sowjetischen System anhingen, aber eine proukrainische und antibolschewistische Position beibehielten, wurden später als "Schapowalisten" bezeichnet, abgeleitet vom Namen des Hauptideologen und eines der Führer der Ukrainischen Sozialrevolutionäre (Hauptströmung). Dieser Flügel des ukrainischen Sozialismus wurde von ihm und von Nykyfor Hryhoriw angeführt. Nach dem russischen Bürgerkrieg gründete diese Gruppe zusammen mit Wiktor Tschernow von der Russischen Partei der Sozialrevolutionäre und anderen sozialistischen Parteien verschiedener Nationalitäten die Sozialistische Liga des Neuen Ostens, eine Gruppe antibolschewistischer radikaldemokratischer Sozialist:innen, die nationale Forderungen nach Freiheit und unabhängigen Staaten und Selbstverwaltung unterstützten.

Eine andere Gruppe bestand hauptsächlich aus Marxist:innen und Westukrainer:innen, die das sowjetische Programm als Einschränkung der Demokratie und Verengung der Staatsbürgerschaft auf eine wirtschaftliche Vertretung betrachteten. Stattdessen sahen sie die Zukunft der Ukraine in einer parlamentarischen, wenn auch stark dezentralisierten, robusten Demokratie. Zu den Hauptkritikern gehörten demokratische Sozialisten der Ukrainischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, wie der Aktivist der Genossenschaftsbewegung Borys Martos sowie und andere Abgeordnete der Zentralna Rada Isaac Masepa und Panas Fedenko.

Als Kompromiss wurde auf dem Arbeiterkongress vom 23. bis 28. Januar 1919 ein verworrenes "Arbeitsprinzip" verabschiedet, das sowjetische und parlamentarische Demokratie miteinander verband. Die Spannungen waren groß, da die "Linke" der Republik, die unabhängigen Kommunist:innen, zusammen mit Machno die Auflösung des Direktoriums und die Wahl einer reinen Sowjetregierung forderten (allerdings einer der einer unabhängigen und vereinigten Ukraine), während die "Rechte", also die demokratischen Sozialisten der Ukrainischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, die Wiederherstellung der parlamentarischen Demokratie verlangten. Die ukrainische Regierung befand sich in ständiger Unordnung, was den potenziellen Widerstand gegen die russisch-bolschewistische Invasion schwächte. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Ukraine auf dem Weg von dem kompromisshaften "Arbeitsprinzip", das niemanden zufrieden stellte, zu einem parlamentarischen Staat unter dem Einfluss von Symon Petljura. Die Ukrainische Volksrepublik begann sich aufzulösen. Aufgrund des militärischen Drucks von allen Seiten und des Zusammenbruchs der Front war die Regierung praktisch handlungsunfähig. In dem Maße, wie die militärischen Niederlagen zunahmen, wuchsen auch die politischen Differenzen.

Die Idee der Ukrainischen Volksrepublik

1921 brach die Ukrainische Volksrepublik zusammen und die bolschewistischen Streitkräfte besetzten die gesamte Ukraine. Die Illusionen über eine halbdemokratische und halbunabhängige bolschewistische Sowjetregierung verschwanden schnell und die Ukraine wurde von Lenins Regierung rasch in ein System der Kolonialherrschaft eingegliedert. Dieser Prozess wurde durch die Einführung der zentralisierten Planwirtschaft durch Stalin abgeschlossen.

Man könnte argumentieren, dass die Gründung und die Existenz der Ukrainischen SSR in gewisser Weise das Ergebnis des Kampfes der ukrainischen Revolutionär:innen war. Die Ukrainische SSR war nicht einfach die Fortsetzung der ehemaligen Provinz des Russischen Reiches unter bolschewistischer Führung und sie war auch nicht auf bolschewistische Vorstellungen von einer Art ukrainischem Existenzrecht zurückzuführen. Dasselbe lässt sich über die Ukrainisierung sagen. Die kulturelle Wiederbelebung der Ukraine in den 1920er-Jahren war das Ergebnis der vorangegangenen antibolschewistischen Kämpfe, an denen mehr als eine Million ukrainischer Soldaten und Rebellen beteiligt waren und die eine Besetzung der Ukraine ohne wesentliche Kompromisse unmöglich gemacht hatten. Auch nach dem Zusammenbruch der Front gab es in der Ukraine zahlreiche Bauernaufstände gegen die Bolschewiki, seien sie anarchistisch, republikanisch oder kommunistisch. Studentische Kreise, Partisanenkommandos und Selbstverteidigungsgruppen waren bis zum Völkermord 1932-1933 aktiv. [31]

Die Erinnerung an die Republik inspirierte viele Menschen dazu, sich der sowjetischen Herrschaft zu widersetzen und für einen unabhängigen Staat zu kämpfen – denn sie hatten bereits ein Beispiel, dem sie folgen konnten. Die Ukrainische Volksrepublik wurde zu einem mobilisierenden Mythos in einer langen Geschichte des Kampfes gegen Fremdherrschaft und Besatzung, und konzeptionelle Diskussionen über die Befreiung der Ukraine konnten nicht ohne die Erfahrung der Republik geführt werden. Doch als die Republik gegen die russisch-bolschewistischen Kräfte unterlag, stellte sich die Frage: Warum haben wir verloren? Die verschiedenen Gruppen gaben unterschiedliche Antworten auf diese Frage. Für die Rechten war es der sozialistische Populismus, für die Sozialdemokrat:innen war die Situation zu schlecht, um mehr zu erreichen, [32] für die sozialistischen Revolutionär:innen und unabhängigen Kommunist:innen war es vor allem die Passivität bei der Organisation von Sozialreformen. [33] Die spätere radikale Rechte der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) war am kritischsten. Sie kam zu dem Schluss, dass es die Demokratie war, die die Republik geschwächt habe, während die autoritären und totalitären Kräfte, die sich der Republik entgegenstellten, siegreich waren.

Es ist jedoch bemerkenswert, wie die verschiedenen Kräfte immer wieder die Losung der Ukrainischen Volksrepublik aufgriffen, auch wenn sie in völlig unterschiedlichen Zusammenhängen agierten. 1942 schloss sich die "linke" Abspaltung der OUN unter der Führung von Iwan Mytrynha zusammen mit Taras Bulba-Borowvets mit republikanischen, nationalistischen und unabhängig-kommunistischen Gruppen zusammen und gründete die so genannte "erste Ukrainische Aufstandsarmee" (UPA) mit dem vorrangigen Ziel der Wiederherstellung der Ukrainischen Volksrepublik. [34] Dasselbe galt für die von den Anhängern Stepan Banderes organisierte Ukrainische Aufstandsarmee, der sich nach ihrer Umwandlung in eine Massenorganisation aktiv neue Mitglieder aus allen Regionen der Ukraine anschlossen. Unter dem Druck der neu hinzugekommenen Partisanen konnte die Aufstandsarmee nicht länger an ihrem totalitären rechtsextremen Programm festhalten. Sie war gezwungen, ein sozialdemokratisches Programm anzunehmen, führende Persönlichkeiten der Ukrainischen Volksrepublik in ihre Reihen aufzunehmen und ein halbdemokratisches Vorparlament mit einem sozialistischen Revolutionär an der Spitze zu schaffen. [35]

Auch die ukrainischen Dissidenten nach dem Zweiten Weltkrieg trugen die Volksrepublik auf ihren Fahnen. In der Nacht zum 22. Januar 1973 beispielsweise trugen studentische Dissidenten gelb-blaue Fahnen und brachten eine Proklamation an, auf der zu lesen war:

Liebe Genossinnen und Genossen! Heute sind 55 Jahre seit dem Tag vergangen, an dem die Unabhängigkeit des ukrainischen Staates von der IV. allgemeinen Rada in Kyjiw proklamiert wurde. Dieser historische Akt  zeigte den Willen des ukrainischen Volkes, seinen ursprünglichen Wunsch nach Unabhängigkeit. Die offizielle sowjetische Geschichtsschreibung von heute versucht jedoch, dieses Ereignis in den Augen unserer Generation als volksfeindlich und antidemokratisch darzustellen. Diese grobe Verzerrung der historischen Realität wird von den bewussten Menschen entrüstet verurteilt. Sie wird von jedem verurteilt, dem die Interessen der Nation am Herzen liegen. [36]

Unter dem Einfluss des verzerrten Gesellschaftssystems der UdSSR wurde die soziale Anziehungskraft der Ukrainischen Volksrepublik allmählich heruntergespielt und die nationalen, antikolonialen und demokratischen Aspekte wurden unverhältnismäßig stark in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Dies führte zu sehr unausgewogenen Ansichten über das Erbe der Republik. Diese Situation besteht noch immer. Das schreckliche Trauma, das die Sowjetunion hinterlassen hat, führte dazu, dass die Diskussion über die kühnsten, fortschrittlichsten sozialen und wirtschaftlichen Reformen, die das ukrainische Volk in seinem Kampf um soziale und nationale Unabhängigkeit und später in seinem Kampf um die Verwirklichung einer modernen, demokratischen sozialistischen Vision je hervorgebracht hat, unterdrückt wurde.

Außerhalb der Ukraine setzten sich eine ganze Reihe verschiedener Organisationen für die Wiederherstellung der sozial fortschrittlichen demokratischen Republik in Form der Ukrainischen Volksrepublik ein. Allen voran die Ukrainische Nationale Rada, eine Koalitionsregierung, die von der Exilregierung der Ukrainischen Volksrepublik gebildet wurde und der die OUN(M) (Melnyk), die OUN(R) (Bandera), die Ukrainische Nationale Demokratische Union (UNDO), die linksgerichtete Ukrainische Revolutionäre Demokratische Partei (URDP) unter der Führung von Iwan Bahrjanij, die URDP-Sozialisten; die Ukrainische Nationale Staatsunion (UNDS), die Ukrainische Partei der Sozialrevolutionäre (UPSR), die Ukrainische Sozialistische Radikale Partei (USRP), die Ukrainische Sozialdemokratische Arbeiterpartei und die Ukrainische Agrarpartei angehörten. OUN(M) und OUN(R) verließen bald die Rada, da sie mit ihren autoritären und totalitären Ansätzen unvereinbar war, während andere Parteien das republikanische Erbe und ihren Kampf für soziale und nationale Rechte betonten.


Vladyslav Starodubtsev ist ein ukrainischer sozialer Aktivist und Historiker Mittelosteuropas. Er ist Autor zahlreicher Artikel zu den Themen ukrainische Linke, soziale Bewegungen und Widerstand im 19. bis 21. Jahrhundert. Zuvor war er bei der NGO "Sotsialnyi Rukh" für die internationale Kommunikation zuständig und Mitorganisator einer Kampagne für den Erlass der Auslandsschulden der Ukraine.

Fußnoten

1: Tetyana A. Bevs: Partija nacional'nych interesiv i social'nych perspektyv (Polityčna istorija UPSR), Kyїv 2008, S. 188. Tetyana Bevz analysiert die Position der UPSR zur Autonomie im Detail. Für die Sozialrevolutionär:innen war die Autonomie entweder kein endgültiges Ziel oder wurde im weitesten Sinne konföderativ interpretiert.

2: Vladyslav F. Verstjuk: Vcerosijs'ki ustanovči zbory, in: NAN Ukraїny (red.): Encyklopedija istoriї Ukraїny (elektronnyj resurs), [Kyїv 2003] URL: http://www.history.org.ua/?termin=Vserosijski_Ustanovchi. (zuletzt aufgerufen 16.05.2024)

3: Olena D. Bojko: Ukraїnc'ki ustanovči zbory, NAN Ukraїny (red.): Encyklopedija istoriї Ukraїny (elektronnyj resurs), [Kyїv 2019], URL: http://www.history.org.ua/?termin=Ukrainski_Ustanovchi. (zuletzt aufgerufen 16.05.2024)

4: Die von Ellan Blakytnyi vorgeschlagene Parole lautete: "Lasst uns die KP(b)U winden, verschütten und überfluten". Ein großer Teil der Ukrainischen Kommunistischen Partei lehnte die Parole ab und bekämpfte die Bolschewiki. Diejenigen, die sich anschlossen, taten ihr Bestes, um die ukrainischen Rechte zu sichern. Sogar der Name "Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken" und nicht nur Russland und seine Provinzen wurden von der borotbystischen Opposition durchgesetzt. Die Zugeständnisse endeten jedoch mit der Änderung des Namens, echte föderative Beziehungen oder ukrainische Rechte gestatteten die Bolschewiki nicht. Auf dem 9. Kongress der Kommunistischen Partei Russlands (Bolschewiki) im Jahr 1920 sagte Lenin: "Anstelle eines Borotbistenaufstandes, der unvermeidlich gewesen wäre, haben wir dank der richtigen Politik des Zentralkomitees, die vom Genossen Rakowski hervorragend ausgeführt wurde, die besten Borotbisten in unsere Partei aufgenommen, unter unserer Kontrolle und mit unserer Anerkennung, während die übrigen von der politischen Bühne verschwunden sind. Dieser Sieg ist mehrere gute Schlachten wert" (zitiert nach Ivan Maistrenko: Borot’bism. A Chapter in the History of the Ukrainian Revolution, ed. Chris Ford, Stuttgart 2019, S. 253, Übersetzung durch den Autor). Mit diesem Zitat zeigte Lenin, dass alle Zugeständnisse an die Borotbysten politische Manipulationen waren, um eine der stärksten Parteien zu entwaffnen, die sich den Bolschewiki auf ihrem eigenen Boden entgegenstellen konnte.

5: O. J. Chodčenko: Meninity v period "Machnovs'kї Respubliky (kinec' 199 r.), in: Cučasni doslidžennja z himeckoї istoriї, (2022) 48, S. 51-68.

6: llja Bitanovyč: Istorija Ukraїns'koho kooperativnoho ruchu, New York, 1964, S. 194-195.

7: Vgl. A. Klymenko: Ctavlennja ukraїnckych pomirkobannych ta radykal'nych livych v osobi USDRP ta UKP do Varšavskoho dohovory 1920 roky, 2.7.2022, URL: https://proletar-ukr.blogspot.com/2022/07/1920.html. (zuletzt aufgerufen 16.05.2024)

8: Načerk proekty Deržavnoho zakonolady dlja "Ukraїnc'koї Trudovoї Respubliky" (Taboru Hajdamakiv-povstanciv v Cholodnomy Jaru na Čyhirinščyni) 1919", in: https://constituanta.blogspot.com/2012/10/1919_24.html. (zuletzt aufgerufen 16.05.2024)

9: Jaroslav Muzyčenko: Vijna za narod, in: Ukraїna moloda, 11.11.2010, URL: https://www.umoloda.kiev.ua/number/1778/222/63054/ (zuletzt aufgerufen 16.05.2024)

10: "Narodna vijna" - častyna 2 kartynok z bystabky. Otaman Zelenyj, machnovci i ukraїnizacija votnem, 5. Dezember 2010, URL: https://www.istpravda.com.ua/artefacts/4cfbd1f9e30eb/ (zuletzt aufgerufen 16.05.2024)

11: Abgesehen von den bekannten totalitären und faschistischen Tendenzen des ukrainischen Aufstandes während des Zweiten Weltkriegs gab es aufständische Gruppen mit kommunistischen und sozialistischen Überzeugungen sowie eine bedeutende reformistische Fraktion in der UPA, die ein sozialdemokratisches, multikulturelles Programm verfolgte.

12: Dmytro Stefanovič: Juvilej T. H. Ševčenka i students'ki zavorušennja v Kyjevi 100 rokiv tomy, in: "Kyїvskyj politechnik", 9/2014, URL: https://kpi.ua/shevchenko-revolt. (zuletzt aufgerufen 16.05.2024)

13: Mykyta Šapoval: Velyka revoljucija i ukraїns'ka vizvol'na prohrama (Byklady v Ameryci), Praha, 1927, S. 38-39 (Übersetzung des Autors). Drahomanow war der "Vater" des ukrainischen Sozialismus, ein Kritiker von Marx und Autor der einzigartigen ukrainischen liberal-anarchistischen und ethisch-sozialistischen Tradition namens Hromadivstvo (Kommunalismus).

14: Die Bolschewiki betrachteten die Kosaken nicht als eigene Gemeinschaft oder Nationalität, die Ukrainer:innen hingegen schon. Je nach Klassifizierung konnte die sowjetische Politik der Entkosakisierung ab 1919 als ethnische Säuberung oder als Völkermord betrachtet werden (https://en.wikipedia.org/wiki/De-Cossackization). (zuletzt aufgerufen 16.05.2024)

15: Vsevolod Holubnychy/Illia Vytanovych: Kooperative Bewegung, in: Internet-Enzyklopädie der Ukraine, ed. Canadian Institute of Ukrainian Studies, 1984, URL: https://www.encyclopediaofukraine.com/display.asp?linkpath=pages%5CC%5CO%5CCo6operativemovement.htm. (zuletzt aufgerufen 16.05.2024)

16: Es ist wichtig zu erwähnen, dass es in der bolschewistischen Partei eine beträchtliche Anzahl von Ukrainer:innen gab, die eine unabhängige Ukraine oder zumindest föderative Beziehungen wollten. Da die bolschewistische Partei autoritär und zentralistisch war, wurde die Politik in der Regel in Petrograd entschieden. Es ist wichtig zu erwähnen, dass Leute wie der prominente Bolschewik Wasyl Schachraj wegen ihrer Haltung zur Unabhängigkeit der Ukraine von Russland aus der Partei geworfen wurden.

17: Ivan V. Chmil': Vceukraїns'kyj z'їsd rad seljans'kych, rob. i soldat. Deputativ 1917 r., in: NAN Ukraїny (red.): Encyklopedija istoriї Ukraїny (elektronnyj resurs), [Kyїv 2003] URL: http://resource.history.org.ua/cgi-bin/eiu/history.exe?&I21DBN=EIU&P21DBN=EIU&S21STN=1&S21REF=10&S21FMT=eiu_all&C21COM=S&S21CNR=20&S21P01=0&S21P02=0&S21P03=TRN=&S21COLORTERMS=0&S21STR=Vseukrainskyj_zizd_Ra (zuletzt aufgerufen 16.05.2024)

18: "Wie groß waren unsere Überraschung, Bitterkeit und Empörung, als Petljura plötzlich das Radnarkkom-Telegramm über die Kriegserklärung an die Ukraine verkündete? Hier wurde deutlich, dass wir verloren haben, und es gab für uns auf dem Kongress nichts mehr zu tun. Auf Petljuras Ruf antwortete der Saal mit einem bedrohlichen ‘Raus mit den Moskowitern aus der Ukraine!’ - bezeugt E. Bosh. "Ja, die Erklärung löste bei der Kongressmehrheit große Empörung aus und brachte uns in eine sehr schwierige Lage, weil wir den Text des Telegramms noch nicht kannten und auf einen solchen Schritt der Petrograder Genossen noch nicht vorbereitet waren", - schreibt H. Lapchynsky. Vgl. Andrij Zdorov: Ukraїnc'kyj Žovten'. Robitnyčo-seljans'ka revoljucija v Ukraїni (listopad 1917 - ljutyj 1918 rr.), Odesa, 2007, S. 147-154 (Übersetzung durch den Autor).

19: Bis die russisch-bolschewistische Armee das Territorium der Ukraine betrat, war die sowjetische Regierung in hohem Maße demokratisch und der bolschewistischen Partei in der Ukraine selbst fehlte es an Autorität, da die örtlichen Sowjets ohne Parteikommando entschieden. Der Regierung in Charkiw schlossen sich sogar einige Linksradikale aus der ukrainischen Sozialdemokratie an, die versuchten, eine pro-ukrainische Politik zu verfolgen. Man könnte spekulieren, dass es sich entweder um eine Strategie handelte, um Unterstützung zu gewinnen, oder um einen ehrlichen Versuch der ukrainischen Bolschewiki, eine sowjetische Demokratie zu organisieren - eine Demokratie, die mit der zunehmenden Zentralisierung und dem Autoritarismus in Petrograd nicht zu vergleichen ist.

20: Henry Abramson: A Prayer for the Government: Ukrainians and Jews in Revolutionary Times, 1917-1920, Cambridge/Mass., 1999, S. 34-35.

21: Ebd., S. 40.

22: Ebd., S. 81. (Original) “...all the decent peoples of Ukraine must assist with all their strength the work of the General Secretariat and the local administrations in their struggle with the pogroms, which are an inheritance of tsarism...We have issued decrees [to the effect] that every Ukrainian should consider our freedom insecure until we are free of national hatred and anti-Jewish pogroms, a black spot on our faces, which makes the entire world consider us a people who are still enslaved.”

23: Ebd. (Original) “I, as General Secretary for Military Affairs in the Ukrainian People’s Republic, call upon all of you, my comrades and friends, to work in unity during this difficult time. Be organized and unified, one for all and all for one. Our army is young, it is just standing on its feet, but it will live up to the reputation of our ancestors. All must unite for the Central Rada and its General Secretariat. Do not tolerate any pogroms or disorderly behavior, because tolerating such activity will bring shame on the name of the Ukrainian army. No pogroms must occur on our land. I have already called upon Ukrainian troops to protect the order in Ukraine. Be ready throughout all of Ukraine, particularly on the railroads, to put a stop to any pogrom activity...This responsibility I can place only on your shoulders, and I will have trust in you, Ukrainian soldiers.”

24: Ebd., S. 83.

25: Dies ist ein einzigartiges Beispiel für die kooperative Privatisierung von Staatseigentum, die den nicht-staatlichen und dezentralen Charakter der ukrainischen Revolution unterstreicht.

26: Illja Vitanovyč: Istorija Ukraїns'koho kooperativnoho ruchu, New York, 1964, 194 f.

27: Vsevolod Holubnychy/Illia Vytanovych: Die Genossenschaftsbewegung, in: Internet-Enzyklopädie der Ukraine [1984]. (zuletzt aufgerufen 16.05.2024) Vgl. Illja Vytanovych: Istoriia ukraïns'koho kooperatyvnoho rukhu, New York, 1964.

28: Volodymyr Čechivs'kyj: Za Cerkvu, Chrystovu hromadu, proty carstva t'my, New York, 1974.

29: Kurze Amtszeiten der Regierungen waren in dieser Zeit üblich. Von Dezember 1918 bis November 1920 wechselte die ukrainische Regierung de facto sechsmal, wobei sie von der radikalen Linken zur gemäßigten Linken “sprang”, von dort zu einer unpolitischen Regierung, zu einer moderaten Linken, dann wieder zur Linken, dann zu den Zentristen und schließlich zur unpolitischen Halbdiktatur von Petljura.

30: Borys Martos: Vyzvol'nyj zdbyh Ukraїny, New York, 1989, S. 192 (Übersetzung des Autors).

31: Arsen L. Zinčenko: Povstannja Seljans'ki proty bil'šovyckoho režymu 1929-1932, in: NAN Ukraїny (red.): Encyklopedija istoriї Ukraїny (elektronnyj resurs), [n. d.] Link. (zuletzt aufgerufen 16.05.2024)

32: Isaak P. Mazepa: Bol'ševizm i okupacija Ukraїny. Socijal'no-jekonomyčni pryčyny nedozrilosti syl ukraїns'koї revoljucї, L'viv/Kyїv, 1922; Volodymyr Vynnyčenko: Vidrodšennja nacї. Istorija ukraїns'koї revoljucї (marec 1917 r. - hruden' 1919), Kyїv/Viden', 1920.

33: Mykyta Šapoval: Velyka revoljucija i ukraїns'ka byzbol'na programa, Praha, 1927.

34: Zum "linken Flügel" der OUN vgl. das Interview mit Borys Levitskyi (der später einige Jahre für den RES tätig war (http://poliskasich.org.ua/?p=630). Zu den Nationalkommunisten vgl.: Volodymyr V. Dz'bak: Konflikti v OUN(b) i ïch vplyv na ukraïns'kyj Ruch Oporu (1941-1944 rr.), Kyïv, 2005, S. 36. Vgl. auch T. Bul'ba-Borovec': Za ščo boret'sja Ukraïns'ka Povstans'ka Armija (UPA) (1942 r.). Link. (zuletzt aufgerufen 16.05.2024)

35: Jevhen Staxiv: Rol' Schidnoï Ukraïny u formuvanni novych idejno-polityčnych zasad OUN-b, in: NAH Ukraïny, Instytut ukraïnoznavstba im. I. Krip'jakevyča (red.): Ukraïns'ka Povstans'ka Armija u borot'bi proty totalitarnych režymiv, L'viv, 2024, S. 51-55.

36: Borys Zacharov: Rosochac'ka grupa, 24.5.2005, Link (Übersetzung des Autors). (zuletzt aufgerufen 16.05.2024)

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