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Ein Wille aber kein Weg?

Mónica Frechaut vom Portugese Refugee Council erläutert, warum Portugal weniger Geflüchtete aufnimmt, als es bereit wäre aufzunehmen.

Bild: Portugal. Four generations of Palestinian family resettled in Batalha von © UNHCR/Bruno Galan Ruiz

Im Gegensatz zu den meisten europäischen Staaten ist Portugal gewillt, mehr Geflüchtete aufzunehmen. Ein Grund dafür ist, dass Portugal zwar schon immer ein Ein-und Auswanderungsland war, aber dennoch bisher nur sehr wenige Geflüchtete aufgenommen hat.

Mónica Frechaut, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des Portugese Refugee Council sprach mit der FES über Portugals Flüchtlingspolitik und die Situation der Geflüchteten vor Ort.

FES Portugal: Portugal hat eine relativ geringe Anzahl von Geflüchteten aufgenommen. Was sind die aktuellen Zahlen und warum sind sie so niedrig?

Mónica Frechaut: In den ersten sechs Monaten des Jahres 2017 wurden in Portugal rund 500 Asylanträge gestellt. Obwohl dies eine relativ kleine Zahl ist, bedeutet sie doch einen Anstieg von 60% im Vergleich zum Vorjahr. Hinzu kommt, dass unser Asylsystem nicht dafür konzipiert wurde, größere Zahlen von Menschen aufzunehmen, anders etwa als andere Staaten wie beispielsweise Deutschland. Vor diesem Hintergrund ist der Anstieg der Asylanträge recht beträchtlich, auch im Hinblick auf die Aufnahme und die Integration dieser Geflüchteten.

Es gibt viele Gründe, warum nicht so viele Menschen nach Portugal fliehen. Zunächst einmal spielt Geografie eine große Rolle – es ist nicht einfach, hierher zu kommen. Zum Beispiel reisen Geflüchtete aus dem Nahen Osten normalerweise über Griechenland oder die Türkei und müssten, um nach Portugal zu gelangen, noch viele weitere europäische Länder durchqueren. Ein weiterer Faktor ist, dass Portugal nicht besonders bekannt ist und einige Menschen glauben, dass sich die Integration und Jobsuche hier schwierig gestalten könnten.

Die portugiesische Regierung hat sich bereiterklärt, noch wesentlich mehr Geflüchtete als bisher aufzunehmen. Damit setzt sich die Migrationspolitik des Landes deutlich von der anderer EU-Mitgliedsländer ab. Können Sie auf den Ansatz Ihrer Regierung eingehen?

Diese Politik hängt ebenfalls mit der niedrigen Zahl von Geflüchteten zusammen, die zurzeit in Portugal leben. Die Regierung ist sich darüber im Klaren, dass erstens Europa aufgrund der vielen neu ankommenden Menschen vor einer Krise steht und dass zweitens Portugal nicht so überfordert ist, wie manch andere Staaten. Daher hat die portugiesische Regierung lobenswerterweise beschlossen, dass Portugal viel mehr Plätze für Asylsuchende und Geflüchtete bereitstellen sollte. Dies soll auch gerade Umsiedlungen aus Italien und Griechenland umfassen, da dies die beiden europäischen Staaten sind, in denen am meisten Geflüchtete ankamen. Mit dieser von Solidarität und Lastenteilung geprägten Einstellung hat Portugal der Umverteilung von Geflüchteten aus diesen beiden Ländern zugestimmt. Wir von CPR begrüßen diese Politik ausdrücklich, da wir der Meinung sind, dass Solidarität in Europa momentan dringend gebraucht wird, um Geflüchtete und Asylsuchende zu unterstützen.

Hinzu kommt, dass Portugal eine lange Tradition der Fremdenfreundlichkeit hat, die so weit reicht, dass sie ein Teil der „Identität“ unseres Landes geworden ist. Wir sind es gewohnt, Menschen aufzunehmen und auch selber von anderen aufgenommen zu werden. Daher ist es für unsere Identität und Gesellschaft von großer Wichtigkeit, dass wir Geflüchtete genauso aufnehmen, wie wir selbst aufgenommen werden möchten. Somit denke ich, dass unsere Regierung zu einem gewissen Grad ausdrückt, was für viele Portugies_innen in Bezug auf Migration ohnehin selbstverständlich ist.

Schließlich ist die geplante Anzahl der Menschen, die nach Portugal umgesiedelt werden sollen, so gering, dass diese Maßnahme kaum Folgen für die portugiesische Gesellschaft haben wird. Wir sprechen hier von weniger als 5000 Geflüchteten innerhalb von zwei Jahren. Wir glauben, dass Portugal die Kapazitäten besitzt, um diese Menschen zu empfangen und so zu integrieren, dass ihre Würde dabei gewahrt wird. Alles in allem ist diese Regierungsmaßnahme unserer Meinung nach sehr wichtig, da sie signalisiert, wie viel mehr wir alle für geflüchtete Menschen tun können.

Wie würden Sie die Situation von den in Portugal lebenden Geflüchteten beschreiben? Wie gut sind sie in die Gesellschaft integriert, was Bildung, Arbeit und Sozialleben angeht?

Natürlich stehen geflüchtete Menschen in Portugal vor vielen Herausforderungen. Es gibt zum Beispiel keine Einwanderergemeinde aus dem Nahen Osten, was es beispielsweise syrischen Geflüchteten schwerer macht, sich zu integrieren. Trotz aller Probleme haben alle geflüchteten Kinder ein Anrecht auf Bildung und besuchen daher Schulen. Die Menschen werden auch in das portugiesische Sozialleben integriert. Viele wurden von kleinen Gemeinden aufgenommen, die gute Voraussetzungen haben, um neue Mitglieder aufzunehmen, etwa Nachbarschaftsdienste, die große Städte manchmal nicht anbieten können. Zugang zum Arbeitsmarkt ist jedoch immer noch eine Herausforderung. Wir arbeiten mit vielen portugiesischen Institutionen daran, dass Geflüchtete neue Fähigkeiten erlernen können und dass ihre Zeugnisse anerkannt werden. Obwohl zurzeit an effektiven Methoden gearbeitet wird, um die Arbeitsfähigkeit und den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbessern, gibt es in diesem Bereich noch viel zu tun. Dieses Feld bleibt somit unsere größte Herausforderung.

Sie sagten bereits, dass es in Portugal keine große syrische Gemeinde gibt und dass Menschen bestimmte andere Nationalitäten nicht gewohnt sind. Wie, glauben Sie, steht die portugiesische Gesellschaft zu Geflüchteten und Migrant_innen im Allgemeinen?

Alles in Allem ist die Einstellung recht positiv einzuschätzen. Man sieht in Portugal keine Bewegungen oder Gruppen, die sich gegen Geflüchtete oder Migrant_innen richten. Natürlich gibt es Fälle von Rassismus, aber insgesamt heißt die Bevölkerung Geflüchtete willkommen. In diesem Zusammenhang ist es von großer Wichtigkeit, dass die geflüchteten Menschen im ganzen Land und nicht nur in den großen Städten wie Lissabon oder Porto untergebracht werden. Dies begünstigt die Entstehung des Bildes, das Portugiesen von den Geflüchteten haben. Die Einstellung ist – wie gesagt – zurzeit noch positiv, doch ich glaube, dass wir diese positive Einstellung täglich aktiv aufrechterhalten und unterstützen müssen. Beispielsweise könnte man an Schulen und in der Privatwirtschaft das Bewusstsein für die Situation der Geflüchteten stärken, gerade weil die Zahl derer, die nach Portugal kommen, höchstwahrscheinlich nicht sinken wird.

Das Interview wurde geführt von Christine Auer, FES Portugal.

Der Beitrag ist zuvor auf dem Themenportal Flucht, Migration und Integration erschienen.


Dr. Johannes Crückeberg

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