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Ein Zurück zur Nation ist keine Lösung

Angesichts der Krise der Europäischen Union braucht es neue Ideen und Wege. Ein Zurück zur Nation löst Europas Probleme nicht.

Bild: Haben die Hoffnung für Europa nicht aufgegeben: Die Politikwissenschaftler Ulrike Guérot und Herfried Münkler (Foto: FES)

Europa –um unseren Kontinent stand es politisch und wirtschaftlich schon besser. Die Krise scheint der eigentliche Dauerzustand: seit 2008 diverse Wirtschafts- und Finanzkrisen, die Euro-Krise, die Griechenland-Krise, die Flüchtlingskrise. Wenn auch die Herausforderungen gewaltig sind, unlösbar sind sie doch nicht. Viel beunruhigender ist daher die Abkehr von, ja die teils offene Feindseligkeit europäischer Bürger­_innen auf die Europäische Union.

Quer durch Europa gewinnen rechte Parteien Zuspruch, Fremden- und EU-Feindlichkeit gehen Hand in Hand. Ob beim Front National, den Schwedendemokraten oder der Alternative für Deutschland, die neuen Rechten wollen die europäische Integration umkehren oder rückgängig machen und jeweils hat an erster Stelle zu kommen: die Nation.

„Wie viel Nation verträgt Europa?“ Schließen sich die beiden Begriffe nicht aus? Oder kommt man auch in einem „geeinten“ Europa nicht um „die Nation“ herum? Diesen grundsätzlichen Fragen widmete sich die Podiumsdiskussion mit Ulrike Guérot, Leiterin des European Democracy Lab und Herfried Münkler, Professor an der Berliner Humboldt-Universität für die „Theorie der Politik“. Eingeladen hatten am 24. November die Deutsche Nationalstiftung und das Julius-Leber-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung in Hamburg. Am Ende des Abends in der Staats- und Universitätsbibliothek stand das halb resignierte, halb kämpferische Fazit: „Die EU ist tot, es lebe Europa!“

Beide Diskutanten zeichneten die gegenwärtige Lage der EU in dunklen Farben und machten keinen Hehl aus ihrer Ratlosigkeit und Besorgnis. Auch in der Problemdiagnose waren sie sich einig: Die EU in ihrer gegenwärtigen Form scheint nicht in der Lage, die sich auftürmenden Probleme zu lösen. Verschärfend kommt hinzu, dass Probleme vorrangig in der Exekutive behandelt würden. Vielen Bürger_innen erscheint dies nur als ein weiterer Ausdruck der Abgehobenheit und Bevormundung durch die Regierenden. Münkler wies zudem darauf hin, dass komplexe Systeme wie die EU historisch gesehen oft überraschend schnell zusammengebrochen seien.

Auch der Zustand der deutsch-französischen Beziehungen wurde beklagt. Zwar seien Deutschland und Frankreich nicht Auslöser der EU-Krise, aber sie trügen auch nicht viel zu deren Lösung bei. Ein Grund dafür sei wohl auch, dass die Bundesrepublik ihre neue Rolle als Europas Führungsmacht noch nicht angenommen habe. Ulrike Guérot warb daher sehr darum, dass sich Deutschland mit ökonomischen Belehrungen in Richtung Paris zurückhalten und für die französische Sichtweise aufgeschlossener werden sollte. Für Münkler ist in jedem Fall klar, dass die alte deutsche Politik, Ausgleich in der EU mit dem Scheckbuch zu stiften, nicht mehr funktioniere.

Neben diesen düsternen Diagnosen wurden auch langfristige Perspektiven entfaltet. Herfried Münkler sprach sich dafür aus, die europäische Einigung jenseits des Nationalstaats und stattdessen in Regionen zu denken. Überall in Europa gebe es bereits regionale Strukturen, die teilweise unabhängig von den überkommenen Grenzen des Nationalstaats seien. Ulrike Guérot ging noch ein Stück weiter: Sie forderte die europäische Republik, das heißt ein wirklich demokratisch-gewaltenteilig organisiertes politisches System der EU. Wieviel Nation also verträgt Europa? Die Antwort an diesem Abend lautete: Mehr Europa wagen!


Dr. Johannes Crückeberg

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