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Jugendliche aus Afrika wollen und brauchen politische Stabilität

Ein Interview mit Judicaelle Irakoze während des Global Solutions Summit darüber, wie aus ihrer Perspektive gerechte Migration umsetzbar wäre.

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„Wir können die steigenden Fluchtbewegungen nicht bewältigen, ohne ihre tieferen Ursachen zu analysieren – und die Hauptursache ist politische Instabilität, die Hand in Hand mit Armut geht.“

Judicaelle Irakoze ist aus Burundi in die USA emigriert. Sie kehrte zurück, um mit der von ihr gegründeten gemeinnützigen Organisation Girl Talk Spaces Diskussionsrunden in ostafrikanischen Geflüchtetencamps zu organisieren. In den Girl-Talk-Runden finden Frauen und Mädchen Raum, um über ihre Rechte sowie über geschlechtsspezifische Gewalt zu sprechen. Von den 6,3 Millionen Geflüchteten und den 14,5 Binnenvertriebenen auf dem Kontinent stammen eine halbe Millionen aus Burundi.

Im März dieses Jahres kam Judicaelle, die noch in den USA lebt, nach Berlin, um zusammen mit 100 Graduierten und Young Professionals aus über 60 Ländern über kollektiven und globalen Wandel zu diskutieren. Auf Einladung der Young Global Changers Summer School entwickelten Judicaelle und ihre Kolleginnen neue Ansätze für die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern.

Dieses Thema war dann auch eines der Hauptthemen, für das Teilnehmerinnen, wie Judicaelle, bei dem nachfolgenden Global Solutions Gipfel in Berlin jugendbasierte Lösungen präsentierten. Der Global Solutions Gipfel ist eine Veranstaltung, bei der Vorschläge für den im Mai 2019 stattfindenden T20-Gipfel in Japan konzipiert werden. T20 (Think20) ist ein Think-Tank-Netzwerk, das als Ideenschmiede für das unter dem Namen G20-Gipfel bekannte Treffen der 20 führenden Volkswirtschaften fungiert.

Wir befragten Judicaelle zu ihren Erfahrungen als Migrantin und als Teil eines globalen Jugendnetzwerks, das sich dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit verschrieben hat. Außerdem wollten wir wissen, unter welchen Umständen aus ihrer Perspektive als junge Frau aus Ostafrika gerechte Migration umsetzbar wäre.

Welche Erfahrungen in deinem Leben haben dich zu der Überzeugung gebracht, dass die heutigen Herausforderungen eine globale Lösung benötigen?

Die Erfahrung, eine Einwanderin in den USA zu sein hat sicherlich viele meiner Ansichten geformt. Aber ich denke nicht, dass man Dinge am eigenen Leib erfahren muss, um zu realisieren, dass die Welt wie sie heute ist auf Ungleichheit basiert, und dass ein Wandel sowohl kollektiv als auch global gestaltet werden muss.

Die gemeinnützige Organisation, die du gegründet hast, möchte Ungleichheit zwischen den Geschlechtern abschaffen. Die in Geflüchtetencamps stattfindende Girl-Talk-Serie, die du mit aufgebaut hast, ist Teil dieser Arbeit. Inwiefern war es nützlich, in diesem Themenbereich mit jungen Menschen aus anderen Ländern zusammenzuarbeiten?

Vielfältigkeit ist immer vonnöten, wenn wir einen Wandel herbeiführen wollen, bei dem niemand zurückgelassen wird. In unserer Arbeitsgruppe zur Geschlechtergleichberechtigung waren junge Menschen aus Brasilien, Nepal, Bangladesh, Sambia, Nigeria, Burundi, Argentinien und Italien. Wir alle betrachteten das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln. Für jemanden wie mich lag der Fokus darauf, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Für andere Frauen war der Schwerpunkt Kinderehe oder gleiche Teilhabe. Diese Vielfältigkeit erlaubte uns, unsere unterschiedlichen Perspektiven und Interessen an einen Tisch zu bringen.

Bei ihrem letzten Gipfel im Februar erklärte die Afrikanische Union 2019 zum „Jahr der Flüchtlinge, Rückkehrer und Binnenvertriebenen: Dauerhafte Lösungen für Flucht in Afrika“. Inwiefern ist dies für Burundi und Ostafrika generell relevant, insbesondere für junge Menschen?

Derzeit stellen die steigenden Fluchtbewegungen in Ostafrika eine große Belastung dar. Burundi hat eine halbe Millionen Geflüchtete und Binnenvertriebene. Ruanda, Uganda, Tansania und Sambia beherbergen derzeit jeweils um die 100.000 Geflüchtete aus Burundi. Burundi ist allerdings nicht das einzige Land in Ostafrika, das eine hohe Anzahl von Geflüchteten aufweist. Uganda nahm zuletzt viele Menschen aus Südsudan auf; in Kenia lebt seit einiger Zeit eine große Anzahl Geflüchteter aus Somalia.

80 Prozent der Menschen in den ostafrikanischen Geflüchtetencamps sind junge Menschen zwischen 16 und 45 Jahren sowie Kinder. Eines der wichtigsten Themen, das mir während meiner Arbeit in Camps in Uganda und Ruanda begegnete, war mangelnder Zugang zu Bildung aufgrund von Sprachbarrieren oder fehlenden finanziellen Mitteln. Zudem sind junge Mädchen der Gefahr von Teenagerschwangerschaften und Zwangsehen ausgesetzt. Jede Krise ist genderspezifisch und es sind Frauen und Mädchen, die darunter leiden – das ist die Realität von geflüchteten Menschen in ostafrikanischen Camps.

Seit 2017 sinkt die Anzahl von Neuankünften über die Mittelmeerroute. Damit einhergehend wurde auch die Finanzierung gesenkt. Gegen Ende des Jahres 2018 war die Finanzierung von lebensrettenden humanitären Programmen für vertriebene Menschen in Ostafrika entweder von Unterfinanzierung gezeichnet oder sie war ganz gestrichen worden. Wie kann man dieses Paradoxon erklären?

Ich glaube, dass wir den Tatsachen zur Zeit einfach nicht ins Auge sehen. Es gibt mehr Wanderbewegungen von Afrikaner_innen innerhalb des Kontinents als solche, die die Überquerung des Mittelmeers beinhalten. Es ist sehr bedauernswert, dass die Hilfe für Geflüchtete in Ostafrika unterfinanziert ist – vor allem, weil afrikanische Staaten keine Programme zur Integration haben, außer die Geflüchteten dauerhaft in Camps unterzubringen.

77 Prozent der Bevölkerung in Afrika ist jünger als 35 Jahre alt. Wenn junge Menschen in Burundi, Ostafrika und bei globalen Gipfeln ein Mitspracherecht hätten, welche Lösungsansätze würden sie für eine gerechte Migration verfolgen?

Ich glaube, das erste was alle jungen Menschen in Afrika möchten, ist politische Stabilität. Ich bin im Krieg aufgewachsen; ein stabiles Burundi kannte ich nie. Sogar zwischen 2006 und 2010 war die Stabilität nicht gerade berauschend. Somit können wir steigende Fluchtbewegungen nicht bewältigen, ohne ihre tieferen Ursachen zu analysieren – und die Hauptursache ist politische Instabilität, die Hand in Hand geht mit Armut. In der Summer School hatte ich das Privileg, mit jungen Menschen aus verschiedenen afrikanischen Staaten zu diskutieren – wir waren uns alle einig: Politische Stabilität muss der Anfang sein.

Young Global Changers wird von der Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützt. Für mehr Informationen kontaktieren Sie  das Referat Globale Politik und Entwicklung der FES Berlin. Für mehr Informationen über die Global Solutions Initiative kontaktieren Sie bitte die Presseabteilung der Initiative.

Bild: The gender equality working group, Young Global Changers Summer School, March 2019, Berlin. Photo via Twitter/FES. von via Twitter/FES


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