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Ein Vergleich zwischen vier asiatischen Städten beleuchtet deren Gemeinsamkeiten, Unterschiede und mögliche Lernerfahrungen bei ihrem Versuch, die Fortbewegungsmöglichkeiten für ihre Bürger_innen zu verbessern.
Kompromisse sind eine der größten Herausforderungen bei der Planung städtischer Mobilität. Der Verkehr ist zwar eine Lebensader für Einwohnerinnen und Einwohner der Städte, zugleich aber auch einer der Hauptverursacher von CO2-Emissionen. Das Dilemma des Individualverkehrs, der einerseits die Lücken des öffentlichen Verkehrswesens schließt, gleichzeitig aber das Problemkind ist, das Umweltverschmutzung und Verkehrschaos hervorruft, wird in Bengaluru ebenso deutlich wie in Hanoi, Jakarta oder Manila. Mehrere Fallstudien der FES analysieren urbane Mobilität und Entwicklung in diesen Städten.
Wie viele asiatische Städte vollzogen Bengaluru, Hanoi, Jakarta und Manila in den letzten 50 Jahren einen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wandel. Auf den Straßen schlägt sich das in auffälliger Weise im starken Anstieg der Zahl privater motorisierter Fahrzeuge nieder. Da all diese Städte dicht besiedelt sind, erfordert ihre Verkehrsplanung koordinierte Bemühungen, um lokale Mobilitätsprobleme anzupacken und Best Practices umzusetzen, und in beiden Bereichen sind die Maßnahmen bislang unzureichend. Entsprechend schneiden diese Städte schlecht ab, wenn es um Lebensqualität geht, was durch schlechte Raumplanung, schwache Governance und das Fehlen einer starken Mobilitätsvision und öffentlicher Beteiligung noch verschärft wird. Das Verkehrschaos hat die Entscheidungsträger fest im Griff, weshalb sie nun dringend handeln müssen, um den Status Quo zu ändern oder in manchen Fällen sogar jahrelange Entwicklungsbemühungen umzukehren.
Eine Untersuchung dieser vier Städte legt das grundlegende Problem der Mobilität offen – den Konflikt zwischen öffentlichem Verkehr und Individualverkehr. Aufgrund steigender Einkommen und Lockerungen in der Marktpolitik schaffen sich immer mehr Menschen privat Motorräder und Autos an. Gemeinhin wird für asiatische Städte geschätzt, dass jedes Auto sieben bis zehn Mal mehr Platz benötigt als ein Motorrad. Hanoi ist ein eklatantes Beispiel hierfür: Die Zahl der Motorräder übersteigt die aller anderen Verkehrsmittel, aber das Auto gilt inzwischen als erstrebenswertestes Beförderungsmittel, obwohl die derzeitige Kapazität der Verkehrssysteme nicht auf ihre steigende Anzahl ausgelegt ist.
Auch wenn die langfristige Mobilitätsvision der vier untersuchten Städte auf öffentliche Verkehrsmittel als wichtigste Verkehrsträger setzt, ist deren Anteil an der Mobilität insgesamt (Bengaluru 33%, Hanoi 12%, Jakarta 30% und Manila 20%) gering im Vergleich zu anderen asiatischen Großstädten (Taipei 49,4 % oder Seoul 65%). Dies trifft aufgrund der großen Zahl an Motorrädern in besonderem Maße auf Hanoi zu.
In all diesen Städten haben Verkehrsmanager Anreize geschaffen und Gebühren subventioniert, um den öffentlichen Verkehr billig und erschwinglich zu machen. Leider sind die Dienstleistungen aber mangelhaft, unzugänglich, unzuverlässig und unsicher, weshalb Privatfahrzeuge die erste Wahl unter den Verkehrsmitteln sind. Diese stehen aber wiederum nur einer privilegierten Gesellschaftsschicht zur Verfügung. Die begrenzte räumliche Abdeckung durch Bus- und Metrostrecken ist ein weiteres Problem. Es fehlt die Konnektivität auf der letzten Meile, weshalb Menschen in den Randgebieten der Städte von dieser Infrastruktur ausgeschlossen werden. Die Chance, die immer größer werdenden Ungleichheiten im Bereich Mobilität abzubauen, hängt von besseren öffentlichen Verkehrsdienstleistungen ab, und diese müssen erst noch auf Menschen mit Behinderungen, Genderaspekte und unterschiedliche gesellschaftliche Schichten ausgerichtet werden.
Die steigende Zahl an privaten motorisierten Fahrzeugen ist ein Grund zur Sorge, da die dicht besiedelten Städte dieses Verkehrsaufkommen nicht bewältigen können. Die lokalen Behörden haben sich sehr bemüht, dieses immer dringender werdende Problem zu lösen. Aber die Motorräder loszuwerden ist nicht die Lösung und wird auch nicht einfach sein, da sie zu einem festen Bestandteil der Mobilität geworden sind. Außerdem schließen sie die Lücken des öffentlichen Nahverkehrs und haben sich als sehr wirksam bei der Umsetzung des Social Distancing während der COVID-19-Pandemie erwiesen. Sie könnten deshalb die Lösung für eine Verkehrsanbindung auf der ersten und letzten Meile sein, wenn dies durch eine angemessene Politik gestützt wird. Wenn sie es richtig anpacken, haben diese Städte die Chance, die Realisierbarkeit einer einzigartigen Kombination aus individueller und kollektiver Mobilität in einer aufstrebenden und dicht bevölkerten Stadt aufzuzeigen. Richtig wäre zu allererst die Schaffung eines erschwinglichen und zugänglichen öffentlichen Verkehrswesens, das eine effiziente und attraktive Alternative zu Privatfahrzeugen bietet.
Eine nachhaltige Mobilitätsplanung ist eine wesentliche Voraussetzung für eine lebenswerte Stadt. Eine starke Mobilitätsvision und gemeinsame Bemühungen der Hauptakteure und der Nutzer der entsprechenden Dienstleistungen sind hierfür unabdingbar. Die Beteiligung an Dialogen und Diskussionen mit den Stadtbehörden, der Zivilgesellschaft, Studentinnen und Studenten, akademischen Kreisen und den Gemeinden bei der Umsetzung von Projekten und der Formulierung einer Vision würde wirksam garantieren, dass alle berücksichtigt werden: Frauen, Kinder, ältere oder benachteiligte Menschen, alle sozioökonomischen Gruppen sowie Menschen mit Behinderungen.
Eine langfristige Mobilitätsperspektive muss über neue Ansprüche und die Berücksichtigung möglicher Ereignisse im Zusammenhang mit dem Klimawandel hinausgehen. Jüngste technische Innovationen wie Elektrofahrzeuge, Sky Trains oder Ride Sharing-Angebote sind attraktiv, aber sie machen öffentliche Mobilitätssysteme nicht nachhaltig, solange sie nicht durch eine angemessene Politik geregelt werden. Eine solche Politik muss gewährleisten, dass sich die Veränderungen im Verkehr in einer Pfadabhängigkeit hin zu einer sozialen und ökologischen Stadtplanung vollziehen und Brücken geschlagen werden zwischen Ministerien und Akteuren. Der Übergang von der Nutzung privater motorisierter Fahrzeuge zum öffentlichen Nahverkehr erfordert einen großen Wandel in der Politik, eine Verhaltensänderung und außerdem eine starke, verbindende Planung sowie eine Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren und Beteiligten.
Sarah Remmei ist Stadt- und Umweltplanerin mit doppeltem Masterabschluss aus Indien. Sie arbeitet derzeit als Regionalleiterin von Spatial Decisions, Vietnam, und ihre Tätigkeit umfasst nachhaltige Stadtplanung, Klimaresilienz, lebenswerte Städte und ökologische Raumplanung. Sie war aktive Teilnehmerin der Community of Practice für städtische Klimaresilienz (URC-CoP) beim Vietnam Urban Forum (VUF).
Dieser Artikel erschien in englischer Sprache im Original auf asia.fes.de
Case studies from local partners in Bengaluru, Hanoi, Jakarta and Metro Manila / Ingo Kucz and Sascha Naji eds.. - Hanoi : Friedrich-Ebert-Stiftung Vietnam Office - Regional Climate & Energy Project, 2022. - 4 Seiten = 1 MB, PDF-File. - Electronic ed.: Hanoi : FES, 2022
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