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Der patriarchalische Kapitalismus beutet Frauen und die Umwelt aus.
Die Region des Nahen und Mittleren Ostens und Nordafrika (MENA) gehört zu den Teilen der Welt, in denen sich der Klimawandel am stärksten bemerkbar macht. Desertifikation, Wasserknappheit, schwere Umweltverschmutzung und unzureichende Vorkehrungen zur Bewältigung des Klimawandels – all dies verschärft durch mangelhaftes Ressourcenmanagement, Konflikte und Korruption – sind nur einige der Probleme.
Gleichzeitig ist die Kluft zwischen den Geschlechtern nirgendwo auf der Welt größer als in der MENA-Region. Frauen sind immer noch keine gleichberechtigten Staatsbürgerinnen; sie sind nach wie vor unterschiedlichsten Formen von Gewalt ausgesetzt. Zunehmende sozioökonomische und politische Krisen sowie die COVID-19-Pandemie haben dazu geführt, dass Fortschritte zu mehr Rechten und Freiheiten für Frauen in der Region verlangsamt wurden, zum Stillstand kamen oder gar zurückgedreht wurden.
Die Herausforderungen, vor denen die Region steht, lassen sich nur bewältigen, wenn wir eine Vorstellung davon haben, wie ein tragfähiges globales sozioökonomisches System aussehen kann. Der Ökofeminismus bietet hier einen intersektionalen und übergreifenden Ansatz, mit dem Aktivist_innen ganzheitliche Forderungen für eine gerechte und nachhaltige Zukunft in der MENA-Region und darüber hinaus entwickeln können.
Patriarchalische Gesellschaften gab es schon lange vor dem Siegeszug des Kapitalismus. Der Kapitalismus hat sich jedoch von Beginn an patriarchalische Strukturen angeeignet und baut auf diesen auf. Umgekehrt hat sich das Patriarchat den Kapitalismus zu eigen gemacht, um seine Vormachtstellung in einer neuen Weltordnung zu festigen, in der Konsum und Profite über allem anderen stehen.
Aus ökofeministischer Sicht sind die Ausbeutung von und Gewalt gegen Frauen und Umwelt keine Nebenprodukte dieses dualen Systems von Kapitalismus und Patriarchat, sondern vielmehr die grundlegende Bedingung, auf der sein Funktionieren aufbaut. Die Hierarchien, die das kapitalistische Patriarchat etabliert hat, bestimmen den Wert und den Status jedes einzelnen Teils unseres sozioökonomischen Systems. Es ist kein Zufall, dass Geld, Männer und Hypermaskulinität in dieser Pyramide ganz weit oben stehen.
Mit vereinten Kräften legen Patriarchat und Kapitalismus fest, was als „produktiv“ und „wertvoll“ gilt – und was nicht. Die unbezahlte Care-Arbeit, die von Frauen geleistet wird, ist hierfür ein zentrales Beispiel. Der Bericht Time to Care der Hilfsorganisation Oxfam schätzt den Wert dieser unbezahlten Arbeit auf 10,8 Billionen US-Dollar im Jahr. Diese Arbeit sorgt für den Erhalt und die Reproduktion von Arbeitskräften und hält damit die gesamte kapitalistische Wirtschaft in Gang. Anerkannt und entlohnt wird sie nicht. Die Art, wie unbezahlte Care-Arbeit organisiert wird, schränkt die Chancen von Frauen ein, trägt dazu bei, dass Frauen ans Haus gekettet werden, und unterwirft Frauen dauerhaft der wirtschaftlichen Kontrolle von Männern, die für ihre Arbeit innerhalb des kapitalistischen Systems bezahlt werden.
Als kostenlose Dienstleistung, die erbracht wird, um das System zu erhalten, subventioniert unbezahlte Care-Arbeit auch die niedrigen Löhne aller Arbeitnehmer_innen. Damit entziehen Privatsektor und Staat sich der Aufgabe, die Kosten für Care-Arbeit zu tragen oder Care-Dienstleistungen selbst bereitzustellen. Außerdem wird hierdurch rassistische Unterdrückung in der Region gefördert, da privilegierte Frauen mit dem Eintritt in den Arbeitsmarkt die unbezahlte Arbeit, die vorher ihnen aufgebürdet war, jetzt an Frauen anderer ethnischer Zugehörigkeiten outsourcen – unter Bedingungen, die nahe an der Sklaverei sind.
Ein weiterer integraler Bestandteil des kapitalistischen Patriarchats ist das Kontrollieren, Objektifizieren und Ausbeuten der Körper von Frauen. Ob durch Kontrolle über reproduktive Rechte oder Kommodifizierung von Weiblichkeit – das kapitalistische Patriarchat verhindert die volle körperliche Selbstbestimmung von Frauen und fördert konsumistische Verhaltensmuster, die den Interessen der Männer und „des Marktes“ dienen. Derweil werden Produkte, Dienstleistungen und sogar Medikamente an den Bedürfnissen von Männerkörpern ausgerichtet.
Die Körper von Frauen, die nicht gebären und damit keine Arbeitskräfte reproduzieren können, oder die nicht in einer Position sind, das sexuelle Verlangen von Männern zu befriedigen, werden in vielen Ländern der MENA-Region mit besonderer Härte behandelt. Queere oder trans Frauen werden körperlicher oder psychischer Gewalt ausgesetzt, Frauen mit bestimmten Behinderungen werden zwangssterilisiert, und post-menopausale oder nicht gebärfähige Frauen werden mit Verachtung behandelt und marginalisiert.
Die sexuelle Gewalt und Ausbeutung, der Frauen und Mädchen in Kriegs- und Konfliktsituationen ausgesetzt sind, zeigt, wie ihre Körper auch dazu benutzt werden, militarisierte und machtpolitische Interessen sowie das Streben nach Dominanz und Kontrolle über (natürliche) Ressourcen durchzusetzen. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen ist es in einem bewaffneten Konflikt gefährlicher, eine Frau zu sein, als ein Soldat zu sein. Frauen und Mädchen werden als Kriegswaffen benutzt, indem sie vergewaltigt, verkauft und versklavt werden, um die gegnerischen Männer zu erniedrigen und ihrer Macht zu berauben. Anstatt ihnen die Unterstützung zu gewähren, die sie brauchen, um ihre Traumata zu bewältigen, stigmatisiert das Patriarchat diese Frauen und Mädchen dann auch noch für die Gräuel, die ihnen angetan wurden.
Das vergangene Jahrhundert hat verheerende Auswirkungen auf die Umwelt gehabt. Im Streben nach Profit und Wirtschaftswachstum wurden und werden natürliche Ressourcen erschöpft; es werden Habitate zerstört, und der Verlust an Biodiversität wird vollständig ignoriert. In der Region ist es zu einem starken Anstieg an Naturkatastrophen gekommen – sowohl, was deren Häufigkeit als auch was deren Intensität betrifft. Gemeinflächen werden verschmutzt, vernichtet oder privatisiert.
Das Patriarchat hat bei dieser Zerstörung der Umwelt im Dienste des Kapitalismus eine wesentliche Rolle gespielt – insbesondere durch die Abwertung all dessen, was stereotyp als weiblich begriffen wird (etwa Eigenschaften wie Mitleid, Sanftheit, Empathie, Demut). Konzepte, die männlich besetzt sind, wurden indessen aufgewertet: Aggression, Dominanz, Unabhängigkeit und Selbstgewissheit. Damit wurden Eigenschaften, die wesentlich sind, um Kontakt zur Natur zu halten, sie zu wahren und mit ihrer Artenvielfalt in Einklang zu leben, als nachrangig für die Gestaltung eines Gemeinwesens markiert – und zu einer Bedrohung für die moderne Männlichkeit stilisiert.
Trotz zahlloser Bewegungen und Kampagnen, die einen Systemwechsel fordern und zu umweltfreundlicherem Handeln aufrufen, beteiligen sich Männer (ob in Führungspositionen oder nicht) nach wie vor erheblich zurückhaltender an Umweltbewegungen als Frauen. Auf der Makroebene haben reiche Männer in Machtpositionen wenig bis kein Interesse daran, die Klimakatastrophe tatsächlich zu bekämpfen. Sie vertreten immer noch kapitalistische, patriarchalische Werte, die auf sozioökonomische Kontrolle und Dominanz setzen. Auf der Mikroebene zeigen Studien, dass Männer eher dazu neigen, umweltschädigende Verhaltensweisen beizubehalten. Sie recyceln weniger, werfen mehr weg und hinterlassen einen größeren Kohlenstoff-Fußabdruck als Frauen – weltweit.
Ökofeministinnen weisen seit Jahrzehnten auf all diese Verbindungen hin. Sie machen sich den Umweltschutz nicht nur zu eigen, weil Frauen und Mädchen am meisten unter den Folgen des Klimawandels zu leiden haben werden, sondern auch, weil es wahre Freiheit für Frauen erst dann geben kann, wenn wir die Hierarchien und Dynamiken abbauen, die Frauen und die Natur zu Objekten machen, die es zu besitzen, zu kontrollieren und auszubeuten gilt.
Es ist klarer denn je, dass die Zerstörung der Umwelt und die Unterdrückung von Frauen beide in einer maskulinistischen Mentalität verankert sind, die vom Streben nach wirtschaftlichen und persönlichen Gewinnen getrieben ist. Angesichts der akuten gesellschaftlichen Disparitäten und der zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels in der gesamten Region müssen wir jetzt verstärkt auf eine grünere Wirtschaft hinarbeiten, in der das Wohlergehen der Menschen und die Bekämpfung von Ungerechtigkeit oberste Priorität haben.
Die Gesellschaft braucht einen Weckruf. Wir müssen den Mut haben, eine Zukunft ohne all die Hierarchien zu entwerfen, die das kapitalistische Patriarchat geschaffen hat. Es geht um nichts weniger als eine sozioökonomische Ordnung, die auf Respekt, Solidarität, Miteinander und Füreinander-Sorgen aufbaut.
Der Artikel erschien im Original auf Englisch unter mena.fes.de.
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