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Um das Thema Diversity in der öffentlichen Verwaltung voranzubringen, ist interkulturelle Öffnung eine Voraussetzung. Zwei neue FES-Publikationen nehmen diese in den Fokus. Wir sprachen mit den Autorinnen.
FES: Am 18. Mai ist der deutsche Diversity-Tag. Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen Diversity und interkultureller Öffnung?
Diversity stellt Unterschiedlichkeit in den Vordergrund und Diversity Management (bzw. Diversitätsmanagement) wird in Privatwirtschaft und öffentlichen Verwaltungen genutzt, um Beschäftigte aus allen Bevölkerungsteilen als Personal zu rekrutieren und zu entwickeln. Dies wird mit einer höheren Servicequalität, Produktivität oder Innovationskraft begründet, aber auch mit Antidiskriminierung. Die deutsche Übersetzung „Diversität“ wird mehrdimensional verwendet. Sie enthält sieben Kerndimensionen, die identisch sind mit den im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannten Merkmalen, kann aber auch weitere Dimensionen einschließen. „Diversität“ wird aber auch im Sinn von „kultureller Vielfalt“ verwendet. Ein aktuelles Beispiel ist der Nationale Aktionsplan Integration (NAP-I) der Bundesregierung, in dem gleichermaßen von „Diversität“ und „interkultureller Öffnung der Verwaltung“ gesprochen wird. Von daher richtet sich „interkulturelle Öffnung“ auf eine Dimension von Diversität oder beide Begriffe werden synonym verwendet. Diese begriffliche Dopplung führt dazu, dass Ziele und Maßnahmen unklar bleiben. Richten sie sich auf alle Diversitätsdimensionen oder nur auf ethnische Herkunft/rassistische Zuschreibungen oder gar Eingewanderte und ihre Nachkommen, die gemeinhin unter „kultureller Vielfalt“ adressiert werden? Leider fehlen diese Definitionen häufig.
Frau Prof. Nowicka, Sie leiten die Abteilung Integration des DeZIM-Instituts: Welche Rolle spielt die interkulturelle Öffnung der Verwaltung, Ihrer Einschätzung nach, für das Thema Integration?
Man könnte sagten, dass die interkulturelle Öffnung der Verwaltung die Integration von „Personen mit Migrationsgeschichte“ in Deutschland fördert, oder auch, dass die höhere Anzahl von „Personen mit Migrationsgeschichte“ vor allem in höheren Positionen in der öffentlichen Verwaltung, einen Integrationserfolg darstellt. Die Durchlässigkeit der öffentlichen Verwaltung ist jedoch auch eine wichtige Bedingung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der darauf angewiesen ist, dass jede gesellschaftliche Gruppe den gleichen Zugang zu den Institutionen hat, wo Politik gestaltet und über Lebenschancen entschieden wird. Derzeit haben über 24 Prozent der Menschen in Deutschland einen „Migrationshintergrund“, unter den Beschäftigten in der Privatwirtschaft sogar über 26 Prozent – aber nicht einmal 12 Prozent der Mitarbeitenden der öffentlichen Verwaltung.
Der Staat darf niemanden diskriminieren, er soll die Gleichstellung fördern. Strategien der interkulturellen Öffnung sind also auch ein Teil der Anti-Diskriminierungsarbeit. Der offene Zugang zu Ämtern und Stellen in der Öffentlichen Verwaltung wird als ein demokratisches Recht verstanden. In diesem Sinne ist interkulturelle Öffnung der öffentlichen Verwaltung auch ein Indikator dafür, wie es um unsere Demokratie steht.
Der „Migrationshintergrund“ ist in der deutschen Debatte um Integration allgegenwärtig und wird auch im Kontext von interkultureller Öffnung als zentrale Begrifflichkeit verwendet. Welche Fallstricke gilt es bei seiner Verwendung zu beachten Frau Dr. Will?
In der Kategorie werden Menschen mit sehr unterschiedlichen Einwanderungserfahrungen zusammengefasst von der ägyptischen Hochschulprofessorin über den philippinischen Krankenpfleger und den schwedischen Rentner bis zur studierenden Spätaussiedlerin. Und auch ihre in Deutschland geborenen Nachkommen, die gar nicht eingewandert sind, werden ebenfalls in diese Kategorie gezählt. „Migrationshintergrund“ ist eine statistische Kategorie und damit abstrakt. Er entsteht durch ein Auswertungsverfahren, in dem unterschiedliche Informationen zur Einwanderung und Staatsangehörigkeit der kategorisierten Personen und ihrer Elternteile miteinander kombiniert werden. Aber es gibt einen vermeintlich wahrnehmbaren, zugeschriebenen „Migrationshintergrund“. Diese Alltagszuschreibungen überschneiden sich mit einem statistischen „Migrationshintergrund“, sind aber nicht identisch. So wird einerseits nur einem Teil der Menschen ein „Migrationshintergrund“ zugeschrieben, die statistisch einen „Migrationshintergrund“ haben. Andererseits wird aber auch Menschen ein „Migrationshintergrund“ zugeschrieben, die statistisch keinen „Migrationshintergrund“ haben. „Migrationshintergrund“ markiert vermeintliche Fremdheit und ist gleichzeitig nicht in der Lage, Benachteiligungen aufgrund von ethnischer Herkunft und rassistischen Zuschreibungen gut abzubilden. Um es konkret zu machen: Viele von Rassismus Betroffene, also als asiatisch, jüdisch, muslimisch, Schwarz, Sinti_zze oder Rom_nja wahrgenommene Menschen, leben seit Generationen mit deutscher Staatsangehörigkeit in Deutschland und werden durch die Kategorie „Migrationshintergrund“ nicht erfasst. Dennoch wird diese Kategorie behelfsweise genutzt. Aber sie muss dringend durch Selbstauskünfte zur positiven Selbstidentifikation und zur wahrgenommenen Fremdzuschreibungen ergänzt werden, wenn Benachteiligungen bekämpft und Repräsentanz hergestellt werden soll.
In den weiteren Publikationen für die FES zum Thema interkulturelle Öffnung werfen Sie zum einen einen Blick auf aktuelle politische Entwicklungen in Deutschland, zum anderen auch einen Blick darauf, wie andere Länder die Repräsentativität unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in der öffentlichen Verwaltung sicherzustellen versuchen. Kurz zusammengefasst: Wo stehen wir in Deutschland heute in dieser Debatte und welche Erfahrungen aus anderen Ländern könnten uns für weitere Fortschritte nutzen?
Sehr kurzgefasst: 40 Jahre hinterher! Im Vergleich zu den Ländern, die mittelweile die Repräsentativität vieler Bevölkerungsteile – Frauen, Personen mit Behinderung, Migrant_innen oder ethnische Minderheiten – erreicht haben, steht Deutschland erst am Anfang eines langen Wegs. Die Erfahrungen anderer Länder zeigen, dass keine einzelne Maßnahme Erfolg verspricht, sondern nur ein gezieltes, konsequentes, langfristiges und umfangreiches Instrumentarium die Erhöhung der Repräsentativität ermöglicht. Man braucht eine klare Zielsetzung und ein transparentes Monitoringsystem, das die Realität gut beschreibende Daten nutzt, und die gesetzliche Grundlage für beides. Um das aufzubauen und über Jahre nachzujustieren und zu verbessern, bedarf es eines starken politischen Willens und einer Verpflichtung jenseits kurzfristiger (partei-)politischer Überlegungen.
Prof. Dr. Magdalena Nowicka ist Soziologin und leitet die Abteilung Integration am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in Berlin.
Dr. Anne-Kathrin Will ist Europäische Ethnologin und Kulturwissenschaftlerin. Sie forscht an der Humboldt-Universität zu Berlin über die Kategorie Migrationshintergrund.
Ein neues Rechtsgutachten der FES ist erschienen
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