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Aufbruch zu Globaler Gleichberechtigung: Feministische Außenpolitik in Lateinamerika

In Lateinamerika und der Karibik etabliert sich langsam, aber zunehmend eine Außenpolitik, die Frauen stärkt und marginalisierte Gruppen in den Mittelpunkt stellt. Von der FES geförderte Analysen untersuchen diesen Prozess und leiten daraus Impulse für die globale Zusammenarbeit ab.

In Lateinamerika und der Karibik etabliert sich langsam, aber zunehmend eine Außenpolitik, die Frauen stärkt und marginalisierte Gruppen in den Mittelpunkt stellt. Die Region weist laut des Globalen Gender Gap Reports 2024 mit 34 Prozent nach der EU den weltweit höchsten Wert für die politische Stärkung (empowerment) von Frauen auf – gemessen an Anzahl und Mandatsdauer von Frauen im Parlament, in Ministerien und als Staatsoberhäupter. Zudem belegt die Region Lateinamerika und die Karibik mit 74,2 Prozent den dritten Platz bei der Geschlechterparität, nach Europa und knapp hinter Nordamerika (74,8 %). Das ist kein Zufall: Feministische Bewegungen und mutige Reformen treiben hier eine Außenpolitik voran, die gezielt Menschen einbezieht, die oft übersehen werden. Daraus ergibt sich eine veränderte Perspektive auf die europäische sowie internationale Zusammenarbeit und ihre Handlungsstrategien.

Lateinamerikanische Ansätze der feministischen Außenpolitik

Eine feministische Außenpolitik (FFP, nach der englischen Bezeichnung feminist foreign policy) unterscheidet sich grundlegend von traditioneller Außenpolitik, indem sie sich aktiv für die Belange von Menschen einsetzt, die aufgrund ihrer Herkunft, Religion, Geschlechtsidentität, Behinderung oder sexuellen Identität benachteiligt werden. Konkret spiegelt sie sich auch in der Stärkung der drei Handlungsdimensionen: Repräsentation, Ressourcen und Rechte wider.

In der Studie „¿Dónde están las mujeres latinoamericanas en la Política Exterior?“ (dt. "Wo sind die lateinamerikanischen Frauen in der Außenpolitik"), die in Zusammenarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) mit PEFAL – einer Plattform für den Austausch über feministische Außenpolitiken in Lateinamerika – entstanden ist, wird ein ausführliches und differenziertes Lagebild gezeichnet. Die Untersuchung beleuchtet die Beteiligung und Repräsentation von Frauen in der Außenpolitik von neun Ländern der Region: Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Costa Rica, El Salvador, Nicaragua, Mexiko und Peru.

Vorreiter sind Mexiko, Chile und Costa Rica, die sich klar zu einer feministischen oder gleichstellungsorientierten Außenpolitik bekennen. Mexiko war 2020 das erste Land, das eine Agenda für eine FFP veröffentlichte, die auf Geschlechterperspektiven in allen Bereichen der Außenpolitik, Geschlechterparität im Außenministerium, auf Reformen zur Geschlechtergerechtigkeit am Arbeitsplatz und die Sichtbarkeit feministischer Beiträge und Führung zielte.

Chile zählt zu den ersten Ländern, die einen nationalen Aktionsplan zu Frauen in Friedens- und Sicherheitsfragen verabschiedeten. Chiles Agenda für eine FFP basiert auf Inklusion, Teilhabe und Intersektionalität und behandelt acht zentrale Themen, darunter Menschenrechte, Geschlechtergerechtigkeit und die Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf der Teilnahme von Frauen in Verhandlungen von Handelsabkommen.

Kolumbien macht ebenfalls Fortschritte: Die 2024 eingeführte Agenda betont soziale und Umweltgerechtigkeit, Pazifismus sowie institutionelle Stärkung und bindet die feministische Zivilgesellschaft aktiv mit ein. Bei den südamerikanischen G20-Staaten ist FFP jedoch noch weniger ausgeprägt. Argentinien kündigte zwar 2023 an, eine feministische Außenpolitik zu entwickeln, doch diese Pläne wurden unter der neuen Regierung von Javier Milei gestoppt. Brasilien hat keine offizielle FFP, macht jedoch Fortschritte im diplomatischen Dienst durch die Gründung der Brasilianischen Vereinigung für weibliche Diplomatinnen und die Einführung eines Hochkommissariats für Gender-Themen.

Die PEFAL-Studie zeigt: Insbesondere in den Bereichen Klimapolitik, Handel, internationale Organisationen, sowie im Außenministerium weisen mehrere Länder der Region Fortschritte bei der Geschlechterparität auf. Dennoch bleiben andere Bereiche, wie Verteidigungs- und Sicherheitspolitik und die internationale Kooperation auf kommunaler Ebene, weiblich unterrepräsentiert.

Impulse für die globale Zusammenarbeit

Alle lateinamerikanischen FFPs zeichnen sich durch ihre Intersektionalität aus und bringen die feministische Perspektive des globalen Südens in das multilaterale Engagement ein. Sie fördern aktiv die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, wie das Beispiel Kolumbien zeigt. Zudem hinterfragen diese Politiken die fest verankerten Machtstrukturen und setzen sich für einen pazifistischen Ansatz ein.

Um die feministische Außenpolitik zu stärken, ist es auch entscheidend auf lobaler Ebene zusammenzuarbeiten. Die Autor_innen des Policy Briefs „Feminist Foreign Policy in the EU and Latin America“ der FES und der Foundation for European Progressive Studies (FEPS) verweisen auf die Bedeutung der Kooperation zwischen der EU und Lateinamerika. Dabei beziehen sie sich auf die geteilten Erkenntnisse in Bezug auf die Zusammenarbeit mit internationalen und lokalen feministischen Bewegungen, sowie auf die Intensivierung einer Kooperation auf UN-Ebene. In der Integration von Geschlechterperspektiven in Handelsabkommen, sowie in der Förderung der Anerkennung von Pflegearbeit als Menschenrecht und der Implementierung eines gerechten Pflegesystems sehen die Autor_innen besonders hohe Potenziale.

Die Studie und das Policy Brief verdeutlichen den langsamen, aber dynamischen Fortschritt der Repräsentation von Frauen in der lateinamerikanischen Außenpolitik. Sie zeigen auch, dass es für einen Fortschritt in diesem Bereich institutionelle Verpflichtungen braucht – also Reformen, welche in konkrete und messbare Ziele umgesetzt werden. Bezogen auf Lateinamerika bedeutet dies auch, dass FFPs immer ein Ergebnis der länderspezifischen Interpretation von Feminismus sind, und nicht auf einer allgemeinen globalen Strategie beruhen.

 

Sepúlveda, Daniela; Papworth, Evyn; Leite, Thainá

Feminist foreign policy in the EU and Latin America

Building bridges and sharing lessons learned
Brussels, 2024

Zum Download (PDF) (7,5 MB PDF-File)


Bórquez, Andrés

Dónde están las mujeres en la política exterior?

SantiagodeChile, 2024

Zum Download (PDF) (3 MB, PDF-File)


Leonie Hiss ist Praktikantin im Referat Lateinamerika und Karibik der FES Berlin. Sie studiert Politik, Philosophie und Ökonomik an der Universität Witten/Herdecke.

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