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Svenja Schulze und Boris Pistorius zu Besuch: Wie weiter mit Deutschlands Engagement im Sahel?

Entwicklungsministerin Svenja Schulze und Verteidigungsminister Boris Pistorius besuchen diese Woche gemeinsam Niger und Mali. Im Interview erklärt unser Büroleiter in Bamako, Christian Klatt, was der Abzug der Bundeswehr im kommenden Jahr bedeutet, welche Rolle Deutschland zukünftig im Sahel einnehmen kann und was lokale Partner_innen sich von der Bundesrepublik erhoffen.

 

 

Die Fragen stellte Felix Kösterke.

 

2021 endete der Bundeswehreinsatz in Afghanistan unter chaotischen Umständen. Nun wird der Abzug aus Mali beschlossen. Ist die Zeit des militärischen Krisenmanagements, auch im Zuge der Zeitenwende, nun endgültig vorbei?

 

Ich denke, der geplante Abzug aus Mali hat weniger mit der deutschen Zeitenwende zu tun, als mit den Bedingungen vor Ort. Die Übergangsregierung, die sich 2020 und 2021 an die Macht putschte, hat sich in den letzten Jahren als schwieriger Partner gezeigt. Hinzu kommt die gemischte Bilanz der UN-Stabilisierungsmission MINUSMA, die Menschenleben schützt und weiterhin humanitäre Hilfe ermöglicht, aber nicht alle ihre Aufgaben derzeit erfüllen kann. Dass mit diesen Vorzeichen eine Abzugsdebatte geführt wird, ist verständlich. Der lange Zeithorizont, der für den Abzug gesetzt wurde, ist jedoch entscheidend dafür, dass der Prozess geordnet verläuft, sich Deutschland trotz seines Abzugs als verlässlicher Partner zeigt und seine Beziehung und sein nicht-militärisches Engagement in Mali beibehält.

 

Im Vergleich zu Mali wird die (militärische) Kooperation mit Niger oft als Erfolgsbeispiel dargestellt, ist dem wirklich so und was lief/läuft im Nachbarland besser?

 

Wir müssen vorsichtig sein, die Rolle von Niger nicht zu überhöhen. Ja, die dort durchgeführte Spezialkräftemission „Gazelle“ hatte auf den ersten Blick Erfolg. Auch hier stehen wir aber vor einem fragilen System, welches schnell kippen kann. Bereits jetzt sehen wir, dass das erhöhte europäische Engagement im Land, nicht nur positiv aufgenommen wird. Übereilte Entscheidungen mit Blick auf Niger oder der Versuch „zu viel, zu schnell“ zu machen und vor allem unzureichende Koordination zwischen internationalen Partnern, kann hier kontraproduktiv sein.

 

Mit dem zunehmenden Rückzug aus der MINUSMA-Mission in Mali geht eine offensichtliche abnehmende Bereitschaft westlicher Nationen einher, großangelegte Missionen mit umfangreichen Mandaten zu unterstützen. Wie können Stabilisierungsmaßnahmen in der Sahelregion in Zukunft aussehen und was kann Deutschland hierzu beisteuern?  

 

Wir sehen, dass das militärische Engagement westlicher Nationen im Sahel zurückgeht. Das Interesse liegt eher an schlankeren Missionen, ähnlich der wie sie im Dezember 2022 von der EU für Niger beschlossen wurde. Da weiterhin sogenannte „robuste“ Komponenten der Stabilisierungsarbeit gebraucht werden, was übrigens auch unsere Umfragen in Mali zeigen, müssen wir schauen, wer diese bereitstellen kann. Ein logischer Akteur hierfür sind die Regionalorganisationen, seien es Afrikanische Union für den gesamten Kontinent oder die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS für die Region. Deutschland und Europa (und ich würde hier immer den europäischen Ansatz einem bilateralen vorziehen) kann mit Training, Logistik und nicht zuletzt finanziell diese Prozesse unterstützen. Dabei dürfen wir uns nicht zu eng auf den Sahel konzentrieren, sondern müssen die Region als Ganzes betrachten. Bereits jetzt sehen wir vermehrte Übergriffe in die Küstenstaaten. Ein weiteres Ausbreiten der Unsicherheit in diese Staaten zu vermeiden, sollte prioritär sein.

 

Bereits jetzt fliegen Mali und der Sahel oftmals unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit in Deutschland. Mit dem Abzug der Bundeswehr dürfte das öffentliche Interesse an der Region weiter sinken. Gleichzeitig ist das Verhältnis zur malischen Regierung unter anderem durch ihre Kooperation mit der Wagner-Truppe schwer belastet. Was bedeutet diese Gemengelage für die Entwicklungszusammenarbeit? Kann sie auf dem aktuellen Niveau fortgeführt werden und ist sie unter diesen Umständen überhaupt erfolgsversprechend?

 

Die Gründe, warum Deutschland sich nach 2012 intensiv militärisch in Mali engagiert hat, mögen vor allem mit innereuropäischer Politik zu tun haben (Stichwort deutsch-französisches Verhältnis), die Verantwortung die wir damit übernommen haben, ist aber richtig. Deutschland ist seit über 60 Jahren entwicklungspolitisch im Land aktiv. Sowohl wir als FES als auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit haben die demokratischen Etappen des Landes mit begleitet. Zudem profitiert ein großer Teil der Bevölkerung von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und auch der humanitären Hilfe, die wir im Land leisten. Diese darf nicht aufgegeben werden. Es ist wichtig zu bedenken, dass wir nicht wegen, sondern auch trotz der Übergangsregierung im Land sind. Langjähriges (entwicklungs-)politisches Engagement aufzugeben, würde weder unserem Anspruch noch den Erwartungen unserer Partner_innen an Deutschland gerecht werden. Gut ist daher das Signal aus Berlin, dass entwicklungspolitische Engagement in der gesamten Sahelregion fortzusetzen.

Dies heißt nicht, dass nicht auch Entwicklungszusammenarbeit überdacht werden muss. Bereits jetzt finden viele Programme „staatsfern“ statt, um vor allem der Bevölkerung zu helfen. Diesen Weg gilt es, weiterzugehen und vielleicht zu intensivieren.

 

 

Die Entwicklungsministerin sagte im Rahmen der Reise, man müsse „Stimmen aus der Region genau zuhören“. Die FES arbeitet mit einer Vielzahl zivilgesellschaftlicher Organisationen in Mali zusammen. Was tun wir konkret? Was erwarten und wünschen sich unsere Partner und allgemeiner die malische Zivilgesellschaft von Deutschland in Zukunft? Gibt es eine positive Rolle, die die Bundesrepublik spielen kann und wenn ja, welche?

 

Wir arbeiten daran, die Stimmen derjenigen zu verstärken, die kaum oder nur unzureichend gehört werden. So kooperieren wir mit den Gewerkschaften an alternativen Armutsbekämpfungsstrategien und versuchen über eine jährlich herausgegebene Bevölkerungsbefragung (das sogenannte „Mali-Mètre“), ein Stimmungsbild der Bevölkerung einzufangen. Deutschland wird als verlässlicher und zuverlässiger Partner gesehen, auch weil unser Engagement nicht in erster Linie als von Macht- und Interessenpolitik geleitet angesehen wird. Der Wunsch, dass Deutschland weiter im Land aktiv bleibt, besteht für viele unserer Partner_innen. Auch abseits des Militärischen können wir dabei eine wichtige Rolle spielen, vor allem in der Entwicklungszusammenarbeit, aber auch im Politischen. Die positive Wahrnehmung Deutschlands in Mali gilt es zu nutzen, um der malischen Seite gegenüber klar und partnerschaftlich entgegenzutreten, zum Wohle der Bevölkerung vor Ort. 

 

Was ist die wichtigste Erkenntnis, die Svenja Schulze und Boris Pistorius mit nach Berlin nehmen sollten?

 

Ich denke, es ist wichtig, dass beide Minister_innen die Perspektive von vor Ort mitnehmen. Darum werden wir sie mit Akteur_innen aus der Zivilgesellschaft und dem Partner_innenspektrum der FES zusammenbringen. Die Bedürfnisse im Norden des Landes sind andere, als wir sie im Westen oder Süden vorfinden. Genauso ist es wichtig zu verstehen, warum die Übergangsregierung sich momentan einer solchen Beliebtheit erfreut. Verständnis für die malische Situation muss nicht in Akzeptanz für die Positionen der malischen Regierung münden, aber kann die Möglichkeit zu einer guten Partnerschaft auf Augenhöhe schaffen.

 

Christian Klatt leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako, Mali. Zuvor war er für die FES im Senegal und im Landesbüro in Nordrhein-Westfalen tätig.

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