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Austerität in der EWU-Finanzpolitik: Sparen bis zum letzten Cent

Die wirtschaftliche und soziale Bilanz der Austeritätspolitik in der Eurozone ist verheerend. Sparen in Zeiten der Krise, um Wirtschaftswachstum zu generieren, kann nicht gelingen.

Bald ist es zehn Jahre her, dass Griechenland seine Haushaltszahlen korrigieren musste und so die Krise in der Eurozone einleitete. In der Folge wurde Griechenland nicht nur für das Narrativ missbraucht, exzessive Staatsverschuldung sei die zentrale Krisenursache, sondern das Land leidet auch am längsten unter der daraus abgeleiteten, fremdbestimmten Austeritätspolitik. Aktuell fordert Italien das europäische Spardiktat heraus. Durch Sparpolitik werde das Vertrauen von Investoren wiederhergestellt und wirtschaftliche Erholung gefördert. Das war die von dubiosen Studien gestützte Position des Internationalen Währungsfonds, der EU-Kommission und auch der deutschen Bundesregierung, an die diese ihre Zustimmung zu Finanzhilfen knüpften. Damit war Europas kurzer keynesianischer Moment nach der internationalen Finanzkrise abrupt vorbei. Die Auswüchse des Finanzkapitalismus, die die Politik nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers 2008 noch scharf verurteilt hatte, gerieten schnell aus dem öffentlichen Fokus, Hoffnungen auf mehr Regulierung und eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus zerschlugen sich.

Zunehmende soziale Ungleichheit und politische Instabilitäten

Stattdessen trieben die Finanzmärkte die Finanzpolitiken in den EWU-Mitgliedsstaaten mit ihren Ratingagenturen und Zinserhöhungen in der Eurokrise vor sich her. Wolfgang Schäuble, zu der Zeit deutscher Finanzminister, verstieg sich 2011 in der Financial Times sogar zu der Aussage, Regierungen bräuchten die „disziplinierenden Kräfte“ der Märkte. Auch an den Krisenkosten wurde der Finanzsektor nicht angemessen beteiligt: Die Sparpolitik bürdete die Lasten einseitig den Schwächsten auf, deren Löhne sanken und die am stärksten auf öffentliche Dienstleistungen angewiesen waren. Auf der anderen Seite ließ die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank Aktienkurse und Immobilienpreise in die Höhe schnellen – wer davon profitierte, liegt auf der Hand. Während die Schwächsten litten, durften die Stärksten weitermachen wie bisher. Dies verschärfte nicht nur die soziale Ungleichheit in der EU, sondern gab der alten Klassenfrage in Europa neue Aktualität. Zunehmende politische Instabilitäten und aufkommender Populismus sind weitere negative Folgeerscheinungen.

Staaten sind keine schwäbischen Hausfrauen

Die massiven Proteste der Bevölkerungen in den betroffenen Staaten sind bekannt, der heftige Widerspruch zahlreicher,auch international renommierter Ökonom_innen gegen die Sparpolitik weniger. Eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung geförderte Publikation von Social Europe entlarvt insgesamt zwölf Mythen des Austeritätslagers. Der in Deutschland wohl prominenteste Mythos ist die viel bemühte schwäbische Hausfrau, aus deren mikroökonomischer Umsicht fälschlicherweise bedenkenlos auf makroökonomische Zusammenhänge geschlossen wird – vielleicht muss sie aber auch gelegentlich etwas investieren, um ihr Haus instand zu halten, oder hat irgendwann einmal einen Kredit aufgenommen, um es überhaupt bauen zu können. Insgesamt macht der Band das theoretische und empirische Versagen der Austeritätspolitik klar – das Festhalten an ihr können die Autor_innen daher nur als ideologischen Triumph des Neoliberalismus bewerten. Seine Anhänger konnten sich um die Systemfrage drücken, indem sie die Schuld für die Krise einzelnen Staaten aufhalsten. Auch bei einer von der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin veranstalteten Konferenz befassten sich internationale Wissenschaftler_innen über zwei Tage mit den Konsequenzen der Austerität, mit denen Europa noch lange zu leben haben wird.

Sparpolitik konnte nie ein wirksames Mittel gegen die Eurokrise sein, weil Staatsschulden nur ihr Symptom, nicht aber ihre Ursache waren, so bequem diese Erklärung auch gewesen sein mag. Ihr Kern lag vielmehr in politischen Konstruktionsfehlern der Eurozone, insbesondere aber auch in wirtschaftlichen Ungleichgewichten zwischen den Mitgliedsstaaten, wobei in einigen Ländern die sozialpartnerschaftlichen Arrangements stark genug sind, um Lohnzurückhaltung und damit eine interne Abwertung konsequent durchzusetzen. Sinkende Lohnstückkosten fördern Exporte und dämpfen die Binnennachfrage und Importe, verzerrte reale Wechselkurse sind die Folge – und die berühmten Leistungsbilanzüberschüsse und -defizite. Deutschland hätte eigentlich aufwerten, Griechenland abwerten müssen, was beide nicht konnten. Die einheitliche Geldpolitik der Europäischen Zentralbank dagegen kann angesichts divergierender Inflationsraten zwischen den Mitgliedsstaaten für beide Fälle nur prozyklische Wirkungen haben, also Aufschwünge anheizen bzw. Abschwünge verschlimmern. Sparpolitik ändert an diesem Systemfehler nichts. Auf falsche Diagnosen konnten schwerlich richtige Therapien folgen.

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