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Chinas jüngstes Versprechen, bis 2060 die Klimaneutralität zu erreichen, sendet eine starke Botschaft. Diese handelt nicht nur davon, was sich das Land im Hinblick auf seine eigene Entwicklung zutraut, sondern auch von der Führungsrolle, die es in einer sich verändernden Welt des Energiewandels spielen will.
Mit seiner Ankündigung im September letzten Jahres stockte China das Versprechen des Übereinkommens von Paris deutlich auf, in dem es zugesagt hatte, ungefähr im Jahr 2030 den Höchststand seiner CO2-Emissionen zu erreichen. Die neue Verpflichtung beinhaltet, dass die Kurve von Chinas CO2-Emissionen die Form eines umgedrehten U annehmen soll, auch wenn die Höhe des Scheitelpunktes noch nicht festgelegt ist.
In den letzten vier Jahren gab es Bedenken, dass die Begeisterung Chinas für Klimaschutzmaßnahmen schwinden könnte. Dies wurde als Reaktion auf die Aufkündigung des Klimaabkommens von Seiten der Trump-Regierung sowie auf das nachlassende Wirtschaftswachstum erwartet. Dann wurde die Wirtschaft von der COVID-19-Pandemie und den harten Lockdown-Maßnahmen noch weiter gebeutelt. Infolgedessen wurde der Klimawandel bei der Sitzung des Volkskongresses im Frühjahr 2020 im jährlichen Regierungsbericht mit keinem Wort erwähnt. So war Chinas Ankündigung der Klimaneutralität eine positive Überraschung für die internationale Gemeinschaft.
Die Zusicherung der Klimaneutralität ist kein vages Versprechen, sondern geht einher mit Plänen und politischen Maßnahmen. Seit der Ankündigung hat China bereits Schritte hin zu einer rigoroseren Klimapolitik unternommen. Im 14. Fünfjahresplan, der die übergeordneten Grundsätze und Arbeitsrichtlinien für ein umfassendes Wirtschaftswachstum für den Zeitraum 2020 - 2025 festlegt, wurden ausdrückliche Emissionsziele und Vorgaben festgesetzt. Außerdem hat das Ministerium für Ökologie und Umwelt gerade zwei Richtlinien zum CO2-Emissionshandel verabschiedet und so eine entscheidende Grundlage für die Einführung des nationalen Emissionshandelssystems (Emissions Trading Scheme, ETS) im Jahr 2021 geschaffen. Bislang deckt das ETS nur den Stromerzeugungssektor ab, soll aber voraussichtlich erweitert werden und künftig auch die (petro-)chemische Industrie, die Baustoff-, Stahl-, Eisenmetall- und Papierindustrie sowie die Luftfahrt umfassen. Allerdings ist noch nicht klar, wie die Lokalregierungen diese neuen Pläne und politischen Maßnahmen annehmen werden. Deren Unterstützung ist jedoch maßgeblich, wenn China seine Klimaziele umsetzen will.
Chinas wiedererwachte Begeisterung für den Klimawandel ist weitgehend von dem wesentlichen Bedürfnis des Landes angetrieben, eine florierende und grüne Wirtschaft aufzubauen. Insbesondere wenn es darum geht, die kurzfristige, durch COVID-19 hervorgerufene Krise in den Griff zu bekommen und die langfristige Herausforderung der wirtschaftlichen Umgestaltung zu meistern, ist sich China bewusst geworden, wie wichtig eine grüne Erholung der Wirtschaft sein wird, wenn es ungewollte Folgen vermeiden will. Der konventionelle Ansatz der wirtschaftlichen Anreize, wie er in der Finanzkrise von 2007 bis 2009 angewandt wurde, führte zu Überkapazitäten der energie- und kohlenstoffintensiven Industrien. China hat daraus gelernt: Das Land versucht dieses Mal nicht mehr so verzweifelt, die Wirtschaftskrise selbst auf Kosten von Klima und Umwelt zu überwinden.
Der Zeitpunkt der Ankündigung – nach der Konferenz der Führungsspitzen der EU und China und vor den Präsidentschaftswahlen in den USA – war subtil und strategisch gewählt. Die Ankündigung ist eine positive Reaktion auf die Aufforderung der EU, aggressivere Klimamaßnahmen zu ergreifen. Außerdem wird Chinas strengere Klimapolitik zu einem Zeitpunkt, zu dem die EU eine CO2-Grenzsteuer diskutiert, zur Schließung der Regulierungslücke im Bereich der CO2-Emissionen beitragen, was vermutlich potenzielle handelspolitische Reibungen zwischen den beiden Volkswirtschaften ausräumen kann. Man kann die Ankündigung Chinas vor den Präsidentschaftswahlen in den USA auch als eine Geste des guten Willens deuten. Nun, einige Monate später, und obwohl die neue Regierung von Präsident Joe Biden in Bezug auf den Klimawandel eine ehrgeizige politische Agenda abzuarbeiten hat, ist noch unklar, ob die Klimazusammenarbeit zwischen China und den USA neu belebt wird, zumindest in Bidens erster Amtsperiode.
Chinas Schritt steigert das Vertrauen der Welt in den Kampf gegen den Klimawandel. Die EU hat versprochen, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu sein. Sowohl Japan als auch Südkorea sagten nach Chinas Ankündigung zu, ebenfalls bis 2050 klimaneutral zu werden.
Seit 2020 haben sich über 110 Länder solchen Klimaversprechen angeschlossen. China ist weltweit der größte Verursacher von Emissionen, und seine Verpflichtung ist von maßgeblicher Bedeutung für die erfolgreiche Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf unter 1,5°C. Weiterhin übt Chinas Vorstoß Druck auf andere Schwellenländer wie Indien, Indonesien oder Vietnam aus, ähnliche Zusagen zu machen. Eine koordinierte Agenda der Klimaneutralität ist wesentlich, um sicherzustellen, dass einer Verlagerung von CO2-Emissionsquellen die weltweiten Klimaschutzbemühungen nicht untergraben.
Die Weltgesellschaft hat bei der Bewältigung der COVID-19-Pandemie durch schlechte Koordinierung und Zusammenarbeit weitgehend versagt. Die Welt kann es sich nicht leisten, nun den Kampf gegen den Klimawandel zu verlieren, denn hier steht noch viel mehr auf dem Spiel. Der prüfende Blick der Welt wird sich auf China richten – nicht nur aufgrund des Ausmaßes seiner eigenen Emissionen, sondern auch wegen der Emissionen im Zusammenhang mit seinen Direktinvestitionen im Ausland. Aus diesem Grund ist der Klimawandel eine großartige Möglichkeit für China, seine Verpflichtung zum Aufbau einer „Schicksalsgemeinschaft der Menschheit” zu erfüllen, welche zum wichtigsten Leitbild der chinesischen Außenpolitik geworden und in der Verfassung des Landes verankert ist.
China steht vor der enormen Herausforderung, Klimaneutralität zu erreichen und gleichzeitig sein rapides Wirtschaftswachstum aufrecht zu erhalten. In seinen beiden „Fünfzehnjahres-Visionen“ strebt China einen Eintritt in den Club der reichen Länder um 2035 an und möchte um das Jahr 2050 ein Industrieland mittleren Niveaus sein. Das Klimaziel basiert auf der Annahme eines kontinuierlichen Wirtschaftswachstums in den nächsten 30 Jahren. Sollte China es schaffen, sowohl seine wirtschaftlichen als auch seine Klimaziele gleichzeitig zu erreichen, wäre das bislang einmalig in der Geschichte unserer Welt.
Junjie Zhang ist Leiter des Umweltforschungszentrums der Duke Kunshan University und Dozent für Umweltökonomie an der Nicholas School of the Environment der Duke University. Er ist außerdem Mitherausgeber der Fachzeitschrift China Economic Review und zweiter Vorsitzender der Abteilung für Umweltökonomie der Chinesischen Akademie für Umweltwissenschaften, Mitglied im Beirat des Nicholas-Instituts für Umweltpolitische Lösungen und Vorstandsmitglied des Fachverbands für die Chinesische Umwelt.
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Das Projekt „Gewerkschaften im Wandel 4.0“ wurde von der FES initiiert und hat zum Ziel, die Interessenvertretung von Beschäftigten im digitalen Kapitalismus zu verstehen. weiter