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Der Freihandel ist tot, es lebe die faire Globalisierung!

Die EU verhandelt weiter über Freihandelsverträge. Progressive wollen dagegen nicht nur protestieren, sondern selber Vorschläge für einen fairen Welthandel machen.

Bild: 250.000 protests againt CETA and TTIP von Sven Graeme lizenziert unter CC BY-SA 2.0

Wer erinnert sich noch an TTIP? Im Herbst 2015 trieb vor allem dieses Handelsabkommen, das letztlich niemals Realität werden sollte, in Berlin weit über 150.000 Menschen im Protest auf die Straße. Ein breites Spektrum aus Umwelt- und Verbraucherschützern, Sozialverbänden und Gewerkschaften stellte sich nicht nur gegen Schiedsgerichte und die Art und Weise, wie das Handelsabkommen zwischen der EU und den USA damals ausgehandelt wurde – hinter verschlossenen Türen, dafür aber unter Beteiligung diverser Konzernvertreter_innen –, sondern vor allem auch gegen die Gefahr von sinkenden Sozial- und Arbeitsstandards. Das Schreckgespenst, das Freihandelsverträgen nach wie vor anhaftet, war: der völlig entgrenzte Wettbewerb, in dem Arbeitnehmer_innen weltweit gegeneinander antreten – und Schutznormen unter dem Verweis auf die notwendige Wettbewerbsfähigkeit in eine unaufhaltsame Abwärtsspirale getrieben werden.

Ohne die USA , aber mit dem Rest der Welt

Es ist vielleicht eine besonders bittere Ironie der Geschichte, dass sich in den USA an die Spitze dieser Bewegung ausgerechnet ein Milliardär wie Donald Trump stellte, der sein multinationales Hotelimperium nicht gerade als Vorkämpfer der Arbeiterklasse groß gemacht hatte. Und dass er es war, der dem ungeliebten Projekt TTIP – ebenso wie seinem pazifischen Bruder TPP – den vorläufigen Todesstoß versetzte. Dass der Freihandel also vor allem in den USA aktuell einen schweren Stand hat, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EU nach wie vor mit einer Reihe internationaler Partner, von Japan über Mexiko bis Tunesien, in Verhandlungen über ebensolche Verträge steht. Für all jene, die Sozial- und Arbeitsnormen vor der Aushöhlung schützen wollen, bleibt also die Herausforderung, weder die Destruktivität der Populisten als Inspiration zu begreifen, noch die Heilsversprechen der Marktradikalen vorbehaltlos zu akzeptieren.  Vor dem Hintergrund der lautstarken Kritik von Donald Trump steht aber auch die EU unter besonderer Beobachtung, wie sie der lauter werdenden Forderung nach einer fairen Globalisierung auch in ihren Handelsstandards Rechnung trägt.

Progressive Beiträge für eine neoliberale Debatte

Ein Beispiel hierfür liefert der Vorschlag dreier  Göttinger Juristen um Peter-Tobias Stoll. Sie haben im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung und des EU-Parlamentariers Bernd Lange ein Vertragskapitel entworfen, das sich an existierenden Handelsabkommen und etablierten Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) orientiert. Aber im Unterschied zu sämtlichen bisherigen Freihandelsabkommen nimmt es explizit den Schutz von Arbeitnehmer_innenrechten in den Blick. Die Hoffnung ist, dass ein derartiges Kapitel in zukünftigen EU-Handelsverträgen Verwendung findet.  

Schutzstandards weiterentwickeln, Risiken früh erkennen

Der Text schreibt unter anderem explizit fest, dass zum Zweck der Förderung von Handel oder Exporten die Arbeits- und Sozialstandards einer Vertragspartei nicht gelockert werden dürfen. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer beider Seiten sollen in regelmäßigen Reviews an der Weiterentwicklung der in Freihandelsabkommen festgeschriebenen Schutzstandards beteiligt werden – und zwar in gleicher Stärke. Wissenschaftler sollen zu diesen Weiterentwicklungen Einschätzungen abgeben, wie sich bestimmte Vertragsänderungen auf die Arbeitsrealität in den beteiligten Ländern auswirken. Und um zu verhindern, dass die Gremien zur Beteiligung von Zivilgesellschaft und Sozialpartnern zu bloßen Theorien verkommen, sollen sie mindestens einmal im Jahr tagen müssen.

Auch der berüchtigte Bereich der Streitbeilegung – Stichwort Schiedsgerichte – wird in dem Papier abgedeckt. So sollen Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des beschlossenen Textes durch zwischenstaatliche Verfahren gelöst werden. Hinzu kommt aber eine so genannte Kollektivbeschwerde, in der zivilgesellschaftliche Akteure und Sozialpartner die Möglichkeit bekommen sollen, die korrekte  Einhaltung von Schutzstandards auf Ebene aller Vertragsparteien – und damit potentiell auch im Partnerland – einzuklagen. Quasi ein Sozialschiedsgericht, statt eines für Investoren.  

Bei einer Veranstaltung Ende Juni in Brüssel konnte der Entwurf mit der Unterstützung des Europäischen und des Internationalen Gewerkschaftsbundes der EU-Handelskommissarin Cäcilia Malmström vorgestellt werden. Bei der Paneldiskussion wurde deutlich, dass der Beitrag nicht nur einen inhaltlichen Input für die Debatte um eine faire Globalisierung liefert, sondern auch einen Weg aufzeigt, wie bei ihrer Ausgestaltung konstruktive Zusammenarbeit möglich ist. Ein erfrischender Gegensatz zum Beispiel jenseits des Atlantiks. In weiteren Gesprächen hoffen die Autoren dem Vorschlag auf EU-Ebene zu noch mehr Unterstützern zu verhelfen.

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