Die Macht der Superreichen wächst
Die globale Konzentration von Vermögen und Marktmacht hat demokratiegefährdende Ausmaße angenommen. Eine kleine Gruppe von Ultrareichen besitzt strategische Infrastruktur, Produktion und Kommunikationsplattformen und gestaltet sich die Welt nach ihren Wünschen. Die Gleichzeitigkeit in der Konzentration von Marktmacht und Vermögen kommt nicht von ungefähr. Jahrzehntelange neoliberale Wirtschaftspolitik und ein schwaches internationales Wettbewerbsrecht haben Monopolstrukturen begünstigt und Manager:innen und Anteilseigner:innen damit fette Dividenden beschert.
Steuervermeidung auf Kosten der Gesellschaft
Auch die internationalen Steuerregeln begünstigen den Aufbau von Oligopolen. „Je komplizierter die Unternehmensstruktur ist, desto weniger durchsetzbar ist das Steuerrecht. Je größer Unternehmen werden, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass sie Steuern zahlen müssen.“, fasst es Niko Lusiani, der Direktor von Corporate Power des Roosevelt Instituts zusammen. Die Organisation Oxfam schätzt in ihrem gerade erschienenen Ungleichheitsbericht „Takers not makers“, dass die zehn reichsten Männer der Welt im Jahr 2024 pro Tag im Schnitt hundert Millionen US-Dollar reicher wurden.
Während Arbeitnehmende mit ihren Steuern das Gemeinwohl finanzieren, werden Kapital, große Erbschaften und Vermögen in den meisten Ländern kaum oder gar nicht besteuert. Profite fließen nicht in höhere Löhne und öffentliche Investitionen, sondern multinationale Konzerne (MNCs) verschieben sie gezielt an Niedrigsteuerstandorte, auch mithilfe unzureichender Transparenzregeln und entziehen sie so der Gemeinschaft.
Der Reformdruck steigt
Öffentlichen Kassen entgehen durch Steuervermeidung Milliardenbeträge. Die Enthüllungen der Panama- und Paradise Papers oder der Swiss Leaks haben die Steuervermeidungspraktiken ins öffentliche Bewusstsein gerückt und gezeigt, dass das internationale Steuersystem grundlegend reformbedürftig ist. Seine Regeln stammen noch aus der Zeit des Völkerbunds und schreiben koloniale Machtverhältnisse fort. Besteuerungsrechte sind an den Muttersitz von Konzernen geknüpft und nicht daran, wo Wertschöpfung tatsächlich stattfindet und Arbeitsplätze angesiedelt sind. Das Verrechnungspreissystem auf dessen Grundlage die Tochtergesellschaften miteinander Handel treiben, ist missbrauchsanfällig.
Gewerkschaftliche und zivilgesellschaftliche Akteure setzen sich schon lange für eine Reform der internationalen Steuerregeln ein. Die Unabhängige Kommission für die Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung (ICRICT) fordert Besteuerungsrechte mit einer Gesamtkonzernsteuer global fairer zu verteilen und das System der internationalen Steuerkooperation transparenter und inklusiver zu gestalten.
Globale Mindeststeuer als erster Schritt
2021 wurde mit GloBe eine Globale Mindeststeuer von 15 % beschlossen. Besteuert ein Land nicht in der vereinbarten Mindesthöhe, haben andere Länder die Möglichkeit, an seiner Stelle die Steuer zu erheben. Die damalige US-Regierung hat das unterstützt, und eine Reihe von Ländern haben GloBe bereits implementiert.
Weniger Fortschritte wurden bei einer gerechteren globalen Verteilung der Besteuerungsrechte und bei der Besteuerung großer Technologieunternehmen erzielt. Multilaterale Bemühungen zur Besteuerung digitaler Dienstleistungen multinationaler Technologieunternehmen sind ins Stocken geraten. Als Frankreich 2019 eine solche Steuer einführte, drohte Trump damit, Zölle auf französischen Käse und Wein zu erheben und auch jetzt droht er wieder mit Vergeltungsmaßnahmen, sollten Länder Gebrauch vom Instrument GloBE machen.
UN als Plattform für Steuerkooperation
Seit 2023 verhandeln die Vereinten Nationen über ein Steuerrahmenübereinkommen (UN FCTC). Bislang hat die OECD, den Reformprozess angeführt. Die Gruppe der G77 und zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Global Alliance for Tax Justice (GATJ) fordern seit Langem eine stärkere Rolle der Vereinten Nationen, um ein internationales Steuersystem zu gestalten, das an den Zielen der nachhaltigen Entwicklungsagenda orientiert ist und für mehr internationale Steuergerechtigkeit sorgt.
In einem historischen Votum der UN-Generalversammlung stellten sich die Länder des Globalen Südens geschlossen hinter den Vorstoß einer Resolution der Gruppe afrikanischer Länder für eine UN Steuerkonvention, die nun auf den Weg gebracht wird. Aufbauend auf dem GLoBE-Abkommen eröffnet das Rahmenübereinkommen eine neue Möglichkeit, umfassende Lösungen für die Besteuerung von multinationalen Unternehmen und sehr vermögenden Privatpersonen zu schaffen.
Steuer für Ultrareiche
Angesichts wachsender Vermögenskonzentration beauftragte die brasilianische Regierung im Zuge ihrer G20-Präsidentschaft 2024 den französischen Ökonom Gabriel Zucman mit der Ausarbeitung eines Besteuerungsvorschlags für Überreiche. Zucmans Idee einer „Milliardärsteuer“ sieht eine Mindeststeuer für Hochvermögende von 2 % vor, mit geschätzten zusätzlichen Einnahmen weltweit von 242 bis 377 Milliarden US-Dollar. In der Abschlusserklärung des G20-Summits von Rio de Janeiro versprechen die Regierungschefs, Ultrareiche steuerlich stärker in die Pflicht zu nehmen. Jetzt kommt es darauf an, ob und wie die südafrikanische G20-Präsidentschaft das Vorhaben weiterführt, bevor 2026 dann die USA an der Reihe sind, die sich bereits aus der UN-Steuerrahmenkonvention zurückgezogen haben.
Globale und regionale Allianzen für Steuergerechtigkeit
Jetzt gilt es Erreichtes zu verteidigen und progressive Allianzen zu stärken, um auch ohne die USA weiter an multilateralen Lösungen zu arbeiten. In den letzten zehn Jahren haben regionale Foren wie das African Tax Administration Forum (ATAF) und andere dazu beigetragen, dass afrikanische Länder in internationalen Steuerangelegenheiten gemeinsame Positionen vertreten. Mit der Regional Platform for Tax Cooperation in Latin America and the Caribbean (PTLAC) verstärkt auch Lateinamerika die regionale Steuerkooperation. Die EU hat in der Vergangenheit progressive steuerpolitische Positionen formuliert, muss aber einen Umgang mit den Steueroasen in den eigenen Reihen finden. Und auch auf nationaler Ebene muss der gesellschaftliche Druck für progressivere Steuersysteme und multilaterale Reformen erhöht werden.
Mit Gewerkschaften geht der Kampf weiter
Kaum jemand ist für den Kampf für Steuergerechtigkeit so gut aufgestellt wie Gewerkschaften. Als international vernetzte Bewegung, die aus den Betrieben heraus agieren kann, haben sie Unternehmen verklagt, in vernetzter Recherchearbeit Steuervermeidungspraktiken aufgezeigt oder Regierungen in die Pflicht genommen. Mit dem Center for international corporate tax accountability and research (CICTAR) ist eine eigene gewerkschaftliche Analyseeinheit entstanden, die global vernetzte Recherchen koordiniert. Mit dem Network of Unions for Tax Justice (NUTJ) haben sich über 30 Gewerkschaftsorganisationen aus vier Kontinenten zusammengeschlossen, um Gewerkschaftsmitglieder für Steuergerechtigkeit zu sensibilisieren und gemeinsame Strategien zu entwickeln. Arbeitnehmer:innen sind die Hauptleittragenden, wenn Profite in privaten Taschen allein verschwinden und sich nicht in höhere Löhne und öffentliche Investitionen übersetzen.
Die Zeiten sind hart, aber Aufgeben ist keine Option.
Der Artikel erschien im Februar 2025 auf English bei Global Labour Column, einer Debattenplattform der Global Labour University.
Sarah Ganter ist Politikwissenschaftlerin und leitet das Globalisierungsprojekt des Referates Globale und Europäische Politik der Friedrich-Ebert-Stiftung.