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Am 6. Dezember wurde Andrej Babis von Präsident Zeman zum neuen Premierminister ernannt. Wird das mitteleuropäische Land in Zukunft noch stärker auf Distanz zu Brüssel gehen?
Bild: Quo Vadis von nzsteam lizenziert unter CC BY 2.0
Das Jahr 2017 war in Europa ein Jahr der Wahlen, in den großen EU-Mitgliedsländern, wie Frankreich und Deutschland, und kleineren, wie den Niederlanden oder Bulgarien. Auch in der Tschechischen Republik wurde das Abgeordnetenhaus neu gewählt. Zwar wurden die dortigen Wahlen nicht mit der gleichen Spannung erwartet, wie beispielsweise die französische Präsidentschaftswahl, dennoch richtete sich eine gewisse Aufmerksamkeit auf das mitteleuropäische Land. Denn mit Andrej Babiš und seiner ANO 2011 (ehemals „Aktion unzufriedener Bürger“) stand dort eine liberalpopulistische Partei zur Wahl, bei der zwar das Thema EU im Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle spielte (außer ihre klare Positionierung gegen eine Euroeinführung), dennoch könnten mit ANO 2011 die Visegrad-Staaten, Ungarn, Slowakei, Polen und eben Tschechien, noch stärker als Kraftfeld einer gegen Brüssel gerichteten Politik auftreten.
Tatsächlich gewann ANO die Wahlen haushoch, fast ein Drittel der Stimmen erhielt die junge Partei und damit fast 20 Prozent vor der zweitstärksten Kraft im Land, die ebenfalls europaskeptische Bürgerpartei ODS. Die Sozialdemokraten, bei der letzten Wahl noch stärkste Partei im Land, wurde auf knapp über 7 Prozent dezimiert. Was bedeutet das für die politische Entwicklung des Landes? Muss man womöglich nicht nur mit einer weiteren Distanzierung zur EU, sondern sogar mit einem Austritt Tschechiens aus der Union rechnen? Oder will Prag doch nicht den Anschluss an „Kerneuropa“ verlieren und nähert sich diesem wieder mehr an?
Vom Brexit infiziert?
Diese Fragen stehen auch hinter der vom Prager FES-Büro in Auftrag gegebenen Studie über die Auswirkungen des Brexits auf die tschechische EU-Politik. Der Politikwissenschaftler Zdeněk Sychra von der Masaryk-Universität Brünn spielt darin drei Szenarien von einer Annäherung an den EU-Kern, einer Stärkung der Visegrad-Gruppe und eines EU-Austritts („Cexit“) durch. Er kommt zu dem Schluss, dass der Richtungswechsel Londons – bislang oft Vorbild für die tschechische EU-Politik – auch eine Möglichkeit bietet, die eigene Ausrichtung zur europäischen Integration zu hinterfragen.
Denn obwohl der wirtschaftliche Austausch mit der EU so eng ist, dass ein EU-Austritt in Tschechien wahrscheinlich noch stärkere negative Konsequenzen hätte als in Großbritannien, ist die Skepsis gegenüber „Brüssel“ hoch – Tendenz steigend. Trotzdem sieht er die Möglichkeit, dass den tschechischen Bürger_innen der Wert der europäischen Integration zu vermitteln und damit eine stärkere Orientierung an Kerneuropa möglich ist. Eine zentrale Frage hierbei ist, ob man mittelfristig zur Eurozone gehören will.
Aktive und konstruktive Diskussion nötig
Ende November wurde die Studie in Prag vorgestellt. Neben Sychra waren der Sozialdemokrat Aleš Chmelař, Staatssekretär für europäische Angelegenheiten, und Dita Charanzová, die für ANO im Europaparlament sitzt, eingeladen. Beide verwarfen Cexit-Überlegungen als gefährlich oder abwegig. „Für Tschechien wäre das ein Massaker“, stellte Chmelař drastisch fest. Einig waren sich die Diskutanten auch darin, dass es größerer Anstrengungen bedarf, die Erfolge und Annehmlichkeiten der EU – Stichwort offene Grenzen oder Erasmus-Austausch – in der tschechischen Öffentlichkeit zu vermitteln. In das gleiche Horn stieß auch der Politikwissenschaftler Sychra, der forderte zu „erklären, was die EU uns Tschechen bringt und konstruktiv sowie aktiv über die EU zu diskutieren.“
Information und Aufklärung sind sicher das A und O – wer will schon aus Dummheit ein Massaker anrichten. Womöglich wirkt auch das Beispiel Großbritannien abschreckend: Hier bekommen immer mehr vormalige Brexit-Befürworter kalte Füße angesichts des mehr als ungewissen Ausgangs der Austrittsverhandlungen. Mit allzu kühnen Reformvorhaben sollte man sich derzeit allerdings zurückhalten, im Interesse der ganzen Union. Der Vorschlag des französischen Präsidenten Macron, europaweit Bürgerkonvente einzuberufen, ist dabei aber ein guter Anfang, nicht über die Köpfe der Europäer_innen hinweg Politik zu machen.
Ansprechpartnerin in der Stiftung
Anne Seyfferth
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