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In diesem Text analysieren Stipendiat_innen der FES die Idee eines Klimaclubs. Kann er ein ernsthaftes Angebot für globale Kooperation sein?
„Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle, mit dem Fuß auf dem Gaspedal“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres auf der Klimakonferenz COP27 in Ägypten. In der Klimahölle landen, das wollen wir alle nicht. Dennoch setzt kein einziges Land aktuell die Maßnahmen um, die nötig wären, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.
Um das zu ändern, gründeten die G7 im Dezember 2022 unter deutscher Präsidentschaft den „Klimaclub“. In diesem Handelsabkommen verpflichten sich Staaten zu ambitionierterem Klimaschutz. Die Mitglieder wollen grüne Technologien fördern, die Industrie dekarbonisieren und verhindern, dass sich CO2-Emissionen in Länder mit nachlässigem Klimaschutz verlagern. Wie genau der Club ausgestaltet wird, ist allerdings unklar. Daran arbeitet eine Task Force unter dem Vorsitz Deutschlands und Chiles. Bis zur diesjährigen Klimakonferenz in Dubai soll der Club offiziell gelauncht werden.
In diesem Artikel wollen wir uns anschauen, ob und wie es Olaf Scholz‘ Klimaclub gelingen kann, klimagerecht zu sein und den multiplen Krisen unserer Zeit gerecht zu werden. Dabei ist es uns besonders wichtig, Perspektiven aus Ländern des Globalen Südens einzubeziehen. Inspiriert von Gesprächen mit jungen, progressiven Menschen aus Ägypten, Brasilien und Chile, werfen wir einen kritischen Blick auf den Klimaclub. Bietet er eine Ausfahrt vom Highway zur Klimahölle?
„Es braucht konkrete Maßnahmen, keine weiteren Verpflichtungen, keine weiteren Versprechen, keinen weiteren Vertrag ohne Taten!“ – Yasmein Abdelghany, Ägypten
Angetrieben durch ökonomische Anreize wie Investitionen sowie eine mögliche CO2-Steuer und einen CO2-Grenzausgleich, sollen immer mehr Staaten der Initiative beitreten. Für Nicht-Mitglieder gäbe es dann Klimazölle im Handel mit Clubmitgliedern. Solch grüne Handelsbarrieren als Beitrittsanreize riskieren, Nicht-Mitgliedsstaaten vor den Kopf zu stoßen. Es besteht die Gefahr, dass diese sich nicht den gemeinsamen Klimaschutzmaßnahmen und Handelsvorgaben des Clubs anschließen und stattdessen Gegenzölle erheben. Die globalen Anstrengungen zur Koordination des Klimaschutzes würden untergraben. Um dies zu verhindern, betonen die G7-Staats- und Regierungschefs immer wieder die Inklusivität des Clubs.
„Die einzige Möglichkeit, die Klimakrise abzumildern oder zu bewältigen, besteht darin, sie gemeinsam zu bewältigen, und nicht auf atomisierte oder getrennte Weise.“ – Mauricio López San Francisco, Chile
Allerdings sind neben vielen Staaten des Globalen Nordens und einigen Staaten Lateinamerikas noch kaum afrikanische Staaten der G7-Initiative beigetreten. Auch von den BRICS-Staaten ist keiner dabei. Selbst Brasilien, das nach der Wahl Lulas zum Präsidenten als vielversprechender Kandidat für den Klimaclub gehandelt wurde, erteilte Olaf Scholz bei seinem Besuch eine Absage. Kurz darauf betonten Brasilien und China in einem Statement zur Bekämpfung des Klimawandels die Bedeutung des Globalen Südens und positionierten sich gegen grüne Handelsbarrieren. Eine Position, die Alexandre Pupo aus Brasilien nachvollzieht:
„Wir wollen nicht, dass exklusive Clubs über ein Thema diskutieren, das wir als globales Problem betrachten. Es gibt einen angemessenen Ort für diese Art von Diskussion, und das ist die UN Framework Convention on Climate Change. Ich sehe den Klimaclub als einen Mechanismus und einen Entscheidungsfindungsprozess ohne die Repräsentation, den demokratischen Prozess und das Mandat, das die UN bei der Behandlung dieser Themen haben.“ – Alexandre Pupo, Brasilien
Obgleich die UN Framework Convention on Climate Change und das Pariser Klima-Abkommen Staaten das Recht einräumen, zusätzliche Maßnahmen zu treffen, droht der Club die Klima-Anstrengungen zu fragmentieren. Daher muss der Club mit ökonomischem und moralischem Druck zum einen eng an das bestehende Klimaregime gekoppelt sein und andererseits den Ländern des Globalen Südens ein ehrliches Angebot zur Mitgestaltung machen. Das Stichwort lautet: Klimagerechtigkeit.
Im Pariser Abkommen von 2015 betonten die Unterzeichnerstaaten ihre „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Fähigkeiten“ in Bezug auf das Weltklima. Das bedeutet, dass alle Staaten für die Bewältigung der globalen Umweltzerstörung verantwortlich sind, jedoch nicht in gleichem Maße. Den Globalen Norden trifft eine besondere historische Verantwortung für die Klimakrise und damit die Verpflichtung, Klimaschutz voranzutreiben und Klima-Anpassungsmaßnahmen zu unterstützen.
Auf der COP27 in Sharm El-Sheikh, Ägypten, beschlossen die teilnehmenden Staaten daher im Sinne der Klimagerechtigkeit die Einrichtung eines Fonds, der helfen soll, Verluste und Schäden durch die Auswirkungen der Klimakrise zu bewältigen. Darauf hatten Staaten des Globalen Südens seit Jahrzehnten gedrängt. Yasmein Abdelghany betont: „Wir brauchen dringend greifbare Fortschritte beim Fonds für Schäden und Verluste, um die Lücke in der Klimafinanzierung zu schließen und Klimaschutzmaßnahmen in dem Umfang und mit der Geschwindigkeit umzusetzen, die in der Region notwendig sind“. Auf der diesjährigen COP28 in Dubai soll ein ausgearbeitetes Konzept für den Fonds vorgelegt werden.
Hier könnte der Klimaclub mit weiteren Kooperations- und Unterstützungsmechanismen ansetzen. Möglich wäre etwa eine internationale Entwicklungsdividende, generiert durch die Einnahmen aus einem CO2-Grenzausgleich. So könnten Energietransformation und grüne Industrialisierung unterstützt werden. Allerdings besteht ein grundlegenderes Problem, wie Alexandre Pupo unterstreicht: „Es gibt nicht genug Finanzierung für unsere grüne Transformation und die Entwicklungsländer sind hoch verschuldet“. Viele Staaten des Globalen Südens haben schlicht kein Geld, ihre Wirtschaft nachhaltig umzubauen und dies sozial abzufedern. Die G7 müssen sich daher für einen globalen Schuldenschnitt einsetzen. Ein Klimaclub kann nur dann klimagerecht sein, wenn alle Mitglieder finanziell handlungsfähig und nicht von generösen Zahlungen anderer Staaten oder von Entwicklungsdividenden abhängig sind.
Um Klimagerechtigkeit zu fördern und Staaten vom Beitritt zu überzeugen, muss der Klimaclub, wie oben betont, komplementär zum internationalen Klimaschutzregime funktionieren. Die Zahlung einer möglichen Entwicklungsdividende darf beispielsweise nicht dazu genutzt werden, die in Ägypten vereinbarten Zahlungen für Schäden und Verluste zu umgehen. Diese Sorge äußert Alexandre Pupo: „Wie sehen die Finanzierungszusagen aus, die in diesem Club gemacht werden sollen? Denn wenn sie unter denen des Pariser Abkommens und des UNFCC liegen, wäre das eine heikle Angelegenheit.“
Es muss den Staaten des Globalen Nordens ein Anliegen sein, die Glaubwürdigkeit internationaler Klima-Abkommen zu stärken – und dazu müssen sie selbst ihren Verpflichtungen nachkommen. Der Club könnte ein Instrument darstellen, um zusätzliche (!) Gelder zur Klimafinanzierung zu generieren und dem stark nachgefragten Technologietransfer einen Rahmen zu geben. Denn, in den Worten Pupos:
„Ohne Finanzierung und Technologietransfer wird der Globale Süden nicht in der Lage sein, die im Pariser Abkommen vereinbarten Ziele zu erreichen und den tiefgreifenden sozialen Entwicklungsbedarf dieser Länder zu befriedigen.“ – Alexandre Pupo, Brasilien
Die Staaten des Globalen Südens haben ein Anrecht darauf, ihrer Bevölkerung größeren Wohlstand zu ermöglichen. Dabei muss der Konflikt, der zwischen Natur- und Klimaschutz und Entwicklung entsteht, nicht nur in Anbetracht der Bedürfnisse heutiger, sondern immer auch derer zukünftiger Generationen abgewogen werden, wie Mauricio López San Francisco verdeutlicht.
Yasmein Abdelghany betont das Potenzial von Klimaschutzmaßnahmen: Richtig umgesetzt können sie gleichzeitig andere nachhaltige Entwicklungsziele unterstützen; von der Armutsbekämpfung über die Ernährungssicherheit bis hin zu Geschlechtergerechtigkeit. Bereits jetzt, meint sie, motiviere dies viele der ärmsten Länder, Klimaschutz zu betreiben. Diesen Aspekt muss ein auf Klimagerechtigkeit ausgerichteter Klimaclub aufnehmen und fördern.
In der Zeit, die es braucht, um diesen Artikel zu lesen, ist statistisch gesehen eine weitere Art ausgestorben. Jeden Tag verschwinden zwischen ein- und zweihundert Spezies. Ein lediglich auf die Regulierung von CO2-Emissionen und die Transformation von Industriesektoren ausgerichteter Klimaclub verkennt, dass wir längst auch andere planetare Grenzen überschreiten. Es ist notwendig, auch diese mitzudenken, wenn schon nicht grundsätzlich eine Degrowth-Perspektive für die Industrie und Lebensweise des Globalen Nordens eingenommen wird.
Die Klima- und Umweltkrise muss auch als Menschenrechtskrise gefasst werden. Ein einklagbares Recht auf eine intakte Umwelt und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen wäre ein Schlüssel zum Fortschritt. Übereinkommen wie das Pariser Klima-Abkommen oder der Biodiversitätsvertrag von Kunming-Montreal sind nicht ausreichend. Ihre Verbindlichkeit ist unklar, vor allem, da keine Konsequenzen drohen, wenn die Vereinbarungen nicht eingehalten werden. Zudem berücksichtigen sie die Auswirkungen der Umweltkrisen auf gefährdete Bevölkerungsgruppen nicht in angemessener Weise. Durch die staatliche Perspektive reproduzieren sich inhärente Diskriminierungen, wie Yasmein Abdelghany schildert: „Selbst innerhalb jeder Gemeinschaft gibt es Menschen, die am wenigsten dazu beigetragen haben, aber am meisten darunter leiden, zum Beispiel Frauen oder die junge Generation“. Alexandre Pupo ergänzt: „Wenn ich das, was ich sage, aus der Sicht eines weißen Brasilianers sage, dann stellen Sie sich vor, wie es für die indigene Gemeinschaft ist, die von Anfang an die gefährdetsten Personen waren“.
Diese Staatszentrierung des bestehenden Klima- und Umweltschutzregimes droht, auch mögliche Erfolge des Klimaclubs zu untergraben. Zivilgesellschaftliche Organisation miteinzubeziehen, ist für effektiven und nachhaltig sozialverträglichen Klimaschutz unabdingbar:
„Leider haben die reichen Staaten in den letzten Jahren viele Versprechen gebrochen und wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die Zivilgesellschaft mit am Tisch sitzen und vor Ort dazu beitragen muss, dass sich etwas ändert.“ – Yasmein Abdelghany, Ägypten
Der Klimaclub alleine ist keine Ausfahrt vom Highway zur Klimahölle. Die Initiative hat jedoch das Potenzial, Staaten dazu zu bringen, ihre Wirtschaft zu dekarbonisieren. Im Zusammenspiel mit bereits bestehenden internationalen Abkommen zum Klimaschutz könnte der Klimaclub dazu beitragen, Treibhausgasemissionen zu senken. Nur leider ist die Klimakrise komplexer. Es handelt sich um eine Gerechtigkeitskrise und eine Menschenrechtskrise. Um diese zu bewältigen, braucht es radikalere Maßnahmen, die sowohl globale als auch lokale Ungerechtigkeiten reflektieren und vulnerable Bevölkerungsgruppen zentrieren. Es braucht mehr als einen Klimaclub. Anfangen könnten wir damit, zumindest unsere eigene Politik konsequent nach dem 1,5-Grad-Ziel zu gestalten.
Kurz: Es braucht eine Zeitenwende in der deutschen und internationalen Umwelt- und Klimapolitik sowie in der globalen Zusammenarbeit.
Die in diesem Artikel zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Äußerungen sind die der Autor_innen und geben nicht unbedingt die Haltung der Redaktion oder der Friedrich-Ebert-Stiftung wieder.
Yasmein Abdelghany, Ägypten: Youth Climate Justice Ambassador der FES in der MENA-Region 2022, Bildungsexpertin für nachhaltige Entwicklung.
Mauricio López San Francisco, Chile: Präsident der Umweltkommission der Partido Socialista de Chile (PS de Chile).
Alexandre Pupo, Brasilien: Berater im Sonderberatungsbüro des brasilianischen Präsidenten und internationaler Sekretär der Jugend der Partido dos Trabalhadores (PT).
Julia-Alexandra Ackermann, Viktoria Peter und Tom Stünkel sind Stipendiat_innen der Friedrich-Ebert-Stiftung und Teilnehmende der Werkstatt Junge Soziale Demokratie.
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