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Europa, eine verteidigungspolitische Schicksalsgemeinschaft?

Eine Europäische Armee: Was ist dran?

Zunächst: Wenn das Thema heute diskutiert wird, geht es nicht um ein kurzfristig umzusetzendes Vorhaben. Wenn überhaupt ist es ein Fernziel, das einen Fokus für die Debatte liefert, ein Schlagwort. Um was geht es also, wenn in letzter Zeit das Schlagwort auftaucht? Für die Herausgeber_innen des Sammelbandes  „Strategische Autonomie und die Verteidigung Europas – auf dem Weg zur Europäischen Armee?“, der unlängst auf Englisch und Deutsch im Dietz Verlag erschienen ist, geht es um die im Titel erwähnte strategische Autonomie. Auch das klingt schon nach einem recht hochgesteckten Ziel – und für hartgesottene Transatlantiker_innen womöglich verdächtig nach einer Konkurrenzveranstaltung zur NATO.

Nicht gegen die NATO

Genau diesen Eindruck wollen Anna Maria Kellner und Uwe Optenhögel vermeiden. In ihrem Einleitungskapitel schreiben sie, dass „eine Verbesserung und Intensivierung der verteidigungs-politischen Zusammenarbeit innerhalb der EU einen positiven Beitrag zur NATO leisten“ würde. Denn nachdem in der Vergangenheit immer wieder von einer Entfremdung der Europäer_innen von der NATO gesprochen wurde, haben eine Reihe von Entwicklungen – und Versäumnissen – zu einem erhöhten Bewusstsein für die Bedeutung der NATO geführt. Zuletzt haben die ambivalenten Töne aus dem Weißen Haus für Unruhe in Europa gesorgt. Wichtiger, vor allem für die Staaten Ostmitteleuropas, ist allerdings Russland und der Bürgerkrieg in der Ukraine. Polen und die baltischen Länder vertrauen am ehesten auf die Sicherheitsgarantie der NATO. Und auch das erweiterte sicherheitspolitische Umfeld, vom Mittelmeerraum und Nordafrika in den Nahen und Mittleren Osten ist instabil. Dazu kommen die Terroranschläge auf dem ganzen europäischen Kontinent.

Vor allem aber hat die Flucht- und Migrationskrise im Mittelmeer zu einem Umdenken in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) geführt. Waren die EU-Mitgliedstaaten im Zuge der Finanz- und Staatsschuldenkrise vollauf mit der „Rettung“ ihrer Haushalte und dem Euro beschäftigt, hat der Zustrom von Geflüchteten der GSVP einen neuen Impetus versetzt. So wurde vergangenen Sommer nach kurzer Verhandlungszeit die „Globale Strategie“ verabschiedet. Zudem wurde die „Operation Sophie“, eine militärische, gegen Schleuser gerichtete Operation im Mittelmeer zwischen Italien, Tunesien und Libyen entsendet und die Grundlagen für eine neue „Europäische Agentur für Grenz- und Küstenschutz“ gelegt.

Vorwärts mit der „Globalen Strategie“?

Vor allem in die „Globale Strategie“ setzen Kellner und Optenhögel einige Hoffnung, sie könne „Europa substanziell voranbringen“. Gegenüber dem vorangegangenen Strategiedokument von 2003 sei sie „bescheidener im Anspruch, klarer im Bewusstsein der Begrenzung eigener Fähigkeiten und präziser im Hinblick auf die anstehenden Umsetzungsschritte“. Andere Beobachter, wie Annegret Bendiek von der Stiftung Wissenschaft und Politik, sehen das kritischer. So sei beispielsweise der zentrale Begriff der Resilienz der Globalen Strategie zu breit und analytisch unscharf. Bendiek teilt aber die Meinung der Autoren des Sammelbandes, dass die Strategie geeignet sei, den „transatlantischen Sicherheitsbeziehungen, insbesondere die zwischen der EU und der NATO, Aufwind“ zu geben.

Wo also ist die „strategische Autonomie“ zu finden? Kellner und Optenhögel sehen die Zukunft weniger in einer gemeinsamen Armee, durchaus aber in einer Europäischen Verteidigungsunion – die allerdings auch noch in ferner Zukunft liegt, wenn Union Mehrheitsentscheidung bedeutet. So bleibt für die EU das Feld der zivil-militärischen Konfliktbewältigung in der europäischen Peripherie. Wie die Dinge stehen, keine kleine Aufgabe.

Ansprechpartnerin in der Stiftung:

Anna Maria Kellner


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