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Wo zeigt er sich, der „europäische Geist“? In den Brüsseler Institutionen? Oder eher im humanistischen „Erbe“ und dem Engagement der vernetzten Zivilgesellschaften? Gibt es ihn überhaupt?
Bild: Bild: Zeus and Europa Urheber: Terence Faircloth Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0
Vier Tage Europa intensiv: Beim diesjährigen Treffen der internationalen Stipendiat_innen ging es um die Essenz Europas. Unter dem Titel „Die europäische Idee: zwischen Solidarität und Partikularinteressen“ kamen Anfang März rund 30 Studierende in Würzburg zusammen und beleuchteten das Thema von seiner historischen, institutionellen, ideellen – und praktischen Seite: Ein Planspiel einer EU-Ratssitzung machte die Mechanismen und Prozesse des Regierens in Europas erfahrbar. Zum Schluss gab es die überraschende Erkenntnis, dass es fast an ein Wunder grenzt, dass man in der EU überhaupt zu gemeinsamen Positionen findet, gehen die Interessen doch oft so weit auseinander.
Zunächst stand der Informationsgehalt im Mittelpunkt. Mehrere Vorträge an den ersten beiden inhaltlich ausgerichteten Seminartagen vermittelten den Studierenden verschiedene Zugänge zur Idee Europa. Dabei zeigte sich unter anderem, dass die Idee der europäischen Einigung sich nicht im Projekt EU erschöpft, auch nicht historisch. Denn gerade in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, also noch vor der Gründung der EU beziehungsweise ihrer Vorläufer, gab es Bestrebungen, die Staaten Europas aus ihrer traditionellen Allianzpolitik herauszulösen und in einem Staatenbund zusammenzuführen. Dafür steht zum Beispiel die Paneuropa-Union, die Winston Churchill das Stichwort „Vereinigten Staaten von Europa“ lieferte, wie Dr. Florian Greiner über die Ursprünge des vereinten Europas ausführte.
Und wie sieht Europa aus, welche Bilder machen wir uns von diesem Kontinent, diesem Geschichtsraum, dieser Idee? Auch auf dieser Ebene setzten sich die Stipendiat_innen mit dem Thema auseinander: der Mythos der von Zeus, verwandelt in einen Stier und der geraubten Königstochter; die verschiedenen (nicht besonders imposanten) Europa-Denkmäler und die heute wahrscheinlich nur noch Numismatikern bekannten ECU-Münzen. Die Assoziationen mit Europa variieren historisch, in jüngerer Zeit scheint nur die Silhouette des Kontinents, dieser zerfurchten Halbinsel am Westzipfel Asiens angesagt zu sein.
Weitere Vorträge behandelten Themen wie die EU als außen- und sicherheitspolitischer Akteur, Rechtspopulismus und antieuropäische Tendenzen sowie die Flüchtlingskrise. Damit hatten die Teilnehmer_innen das Rüstzeug für das Planspiel, in dem am Beispiel der europäischen Flüchtlingspolitik das Funktionieren (oder eben auch nicht) der Europäischen Union beziehungsweise des Europäischen Rats plastisch gemacht werden sollte. Und es bewahrheitete sich, was bereits in einem Vortrag herausgestellt wurde: „It’s the Member States, stupid” – die Politik der EU, ihr Wohl und Wehe hängt eben, wenigstens in unseren Tagen, in erster Linie von den einzelnen Mitgliedstaaten ab. Zwischen „informellen Gesprächen“ unter engen Partnern, Reden halten und der Abstimmung in der offiziellen Ratssitzung erlebten die Studierenden, wie dick die europapolitischen Bretter tatsächlich sind. In jedem Fall bedeutete das Planspiel ein Mehr an Verständnis sowohl für die Komplexität der Entscheidungsprozesse in der EU also auch für die Politik der einzelnen Länder.
"Aber Europa ist nicht nur die Politik der EU und deren Staaten, sondern besteht an erster Stelle aus den Menschen mit ihren Identitäten, Ideen und Aktionen“ wie es Evgeniya Bakalova, die Vertreterin der Stipendiat_innen formulierte. Von Funchal auf Madeira nach Turku in Finnland, von Belgrad in Serbien bis nach Rekyavik auf Island, es scheint etwas zu geben, was die Menschen in Europa verbindet, in der EU und jenseits von ihr. Die Aktivisten und Schriftsteller „Speer und Herr“, machten den Abschluss des Treffens und berichteten von ihrer Europafahrt im Jahr 2014, von Verunsicherung, sozialer Ungleichheit und Motivationslosigkeit. Die Menschen müssen sich in ihren verschiedenen Realitäten kennenlernen, denn das eine Europa, die eine Idee scheint es nicht zu geben. Ihr Vorschlag: Ein EU-Rail-Pass für alle. Auch eine Idee für Europa – geht auf Eure eigene Grand Tour!
Weiterführende Links:
András Bíró-Nagy, Gábor Győri and Tibor Kadlót: Populism, the new zeitgeist? The situation of European populist parties in 2015, FES Budapest 2015
Bleiben und Reformieren, Rede des Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn zum Brexit-Refendum, FES 2016
Die Bürgerinnen und Bürger blicken kritisch auf die EU und sehen den Nationalstaat in der Pflicht: Für nationalstaatliche Lösungen sprechen sich die…
Die soziale Dimension der EU steht am Rande der Bedeutungslosigkeit. Auf praktisch allen Ebenen hat eine systematische Schwächung des sozialen Europas…
Ansprechpartnerinnen
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