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Um sie zu bewältigen, müssen öffentliche Dienstleistungen ausreichend finanziert werden, so Geneviève Gencianos von Public Services International.
Bild: Geneviève Gencianos von Public Services International (PSI)
Bild: George Moussa von Public Services International (PSI)
Sein Name ist George. Wenn der bei der Wasserbehörde Nord-Libanon angestellte Mann morgens aufwacht, hat er immer die gleiche Vision vor Augen: Jede Familie im Dorf Wadi Khaled ist mit Trinkwasser versorgt. Das zu erreichen, ist eine riesige Herausforderung, denn die Bevölkerung des Dorfes hat sich verdoppelt, seit im Jahr 2011 Zehntausende Syrer ankamen, die vor dem Bombardement flohen. Schon vor dem Krieg verfügten nur wenige Haushalte über fließendes Wasser. Inzwischen leben in dem benachteiligten Gebiet mehr Geflüchtete als Einheimische überholt, was die Spannungen nur verschärft.
Ihr Name ist Moradeke, doch alle nennen sie Abi. Seit ihrer Kindheit träumte sie davon, Krankenschwester zu werden und Leben zu retten. In Nigeria sind Krankenschwestern seit dem Jahr 2009 wichtiger als je zuvor, da Millionen von Menschen in der Region wegen des Terrors der islamistischen Sekte Boko Haram ins Exil gezwungen wurden. Inmitten der humanitären Krise sind Krankenschwestern die Einzigen, die etwas gegen Cholera und Unterernährung in den Flüchtlingscamps unternehmen. Und dies unter Lebensgefahr: Boko Haram hat Dutzende von ihnen entführt und getötet.
Ihr Name ist Luciana, sie ist Schuldirektorin in Talismán, direkt an der Grenze zwischen Mexiko und Guatemala. In ihrer Schule treffen einheimische Kinder aus Chiapas auf Migrant_innen, die Guatemala, Honduras oder El Salvador – teilweise allein – verlassen haben, weg von Bandengewalt und Elend.
George, Moradeke, Luciana... – sie sind Teil der Heerschar unbekannter Held_innen, die tagtäglich mit der Realität von Migration konfrontiert sind. Wir schenken ihnen keine Beachtung, aber Angestellte im öffentlichen Dienst sind an vorderster Front für die Grundversorgung von Migrant_innen, Asylbewerber_innen und Geflüchteten aktiv. Sie sind diejenigen, die sich um Wasserversorgung, sanitäre Einrichtungen, medizinische Versorgung, Unterbringung, Bildung und administrative Hilfe kümmern. Zudem erbringen sie Dienstleistungen, die für bei Notfällen, Katastrophen, Vertreibungen und beim Wiederaufbau unabdingbar sind.
Flucht und Vertreibung sind globale Phänomen, die nicht mehr wie einmalige Krisen behandelt werden dürfen. Politische Instabilität, Gewalt, Armut und der Klimawandel sind die Auslöser der Wanderbewegung – die größte, die jemals verzeichnet wurde. Ungefähr 258 Millionen, also ungefähr einer von 30 Menschen hat sich im Jahr 2017 außerhalb seines Herkunftsstaates aufgehalten. Viele sind auf ihrem Migrationsweg gestorben. Laut des Missing Migrants-Projektes der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind in den letzten fünf Jahren 30.000 Menschen auf der Flucht umgekommen.
Der Klimawandel lässt die Prognose noch düsterer erscheinen: Ein aktueller Bericht der Weltbank kam zu dem Schluss, dass allein in drei Entwicklungsgebieten über 140 Millionen Menschen zwischen heute und dem Jahr 2050 wahrscheinlich innerhalb ihres Heimatlandes migrieren werden. Durch Millionen Neuankommenden werden neue Hotspots in bereits heute überfüllten Slums entstehen.
Derzeit sind besorgniserregende Tendenzen in einer Reihe von Industrie-und Entwicklungsländern zu beobachten. Rechtsradikale, nationalistische und populistische politische Parteien sowie autoritäre Regierungen gewinnen Wahlen trotz und mit rassistischer und fremdenfeindlicher Propaganda.
Ein Klima der Feindseligkeit wird dadurch angefacht, dass normale Bürger_innen das Gefühl haben, zunehmend schwindende Ressourcen mit Migrant_innen teilen zu müssen. Neuankommende werden von rechten Politiker_innen nicht nur als Straftäter dargestellt, sondern auch als Menschen, die den Einheimischen die besten Arbeitsplätze wegschnappten. Ihretwegen würden öffentliche Schulen schlechter. Ihretwegen werde es noch länger dauern, im Krankenhaus behandelt zu werden. Ihretwegen werde Trinkwasser rationiert werden. George aus dem Libanon kann von solchen Behauptungen ein Lied singen.
Das falsche Narrativ „Migration ist schuld“ lenkt von den wahren Gründen dafür ab, warum Bildung, Gesundheitsversorgung, Verkehrswesen und sanitären Anlagen schlechter werden. Denn tatsächlich sind diese Verschlechterungen das Resultat von einer Regierungspolitik, die sich gegen die eigenen öffentlichen Dienste richtet: Budgets wurden gekürzt oder ganze Dienste privatisiert – dafür können Migrant_innen rein gar nichts.
Darüber hinaus machen nun private Firmen mit dem Profit, was oft als „Migrationskrise“ dargestellt wird. Bedürfnisse, die von öffentlichen Diensten gedeckt werden sollten, werden nun an private Unternehmen delegiert. In den USA bedeutet Donald Trumps „Zero-Tolerance“-Einwanderungspolitik das ganz große Geld für unabhängige Anbieter – von privaten Gefängnis- und Technologiefirmen zu Rüstungs- und Transportunternehmen.
In der Europäischen Union haben Privatunternehmen von Staaten Gelder erhalten, um Geflüchtete abzufangen, zu überwachen und auf ihren Status hin zu überprüfen . Für diese Firmen gibt es keinen finanziellen Anreiz, in ihren Unterkünften für angemessene Gesundheitsversorgung, Ernährung oder Bildungsangebote zu sorgen. So werden Hotelbetreiber von manchen Regierungen dafür bezahlt, Asylbewerber_innen bei sich unterzubringen, doch die meisten stellen diesen weder heißes Wasser noch eine Toilette zur Verfügung.
Public Services International ist ein internationaler Gewerkschaftsbund, der sich für die weltweite Förderung von qualitativ hochwertigen öffentlichen Diensten einsetzt. Wir sind davon überzeugt, dass der Zugang zu Arbeit, Bildung, Gesundheitsversorgung, angemessener Rente, guter Infrastruktur, Mobilitätsdienstleistungen, gleichen Chancen für Männer und Frauen, und Kultur – und all dies unter umweltfreundlichen Bedingungen – in einer demokratischen Gesellschaft nicht nur eine Dienstleistung, sondern ein Recht für alle ist.
Wie George, Moradeke, Luciana und viele andere tagtäglich unter Beweis stellen, sind Menschen im öffentlichen Dienst und ihre Gewerkschaften in der idealen Position, um Flucht und Vertreibung weltweit anzugehen. Sie bekämpfen Ungleichheit und machen Gesellschaften widerstandsfähig und inklusiv.
Die Finanzierung von öffentlichen Diensten ist die einzige Möglichkeit, profitorientierte Unternehmen daran zu hindern, finanziellen Nutzen aus dem Leid anderer zu ziehen. Gut ausgestattete öffentliche Dienste sind auch die beste Antwort auf diejenigen, die Angst, Lügen und Hass verbreiten.
Öffentliche Dienstleistungen sind das Fundament von Solidarität. Öffentliche Dienstleistungen sind ein Menschenrecht.
Geneviève Gencianos ist die Programmkoordinatorin für Migration bei Public Services International.
Ansprechpartnerinnen
Susan Javad
030 26935-8313Susan.Javad(at)fes.de
Vanicha Weirauch
030 26935-8333Vanicha.Weirauch(at)fes.de
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