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Russland, Deutschland und Europa: Zwischen Prinzipientreue und Pragmatismus

Eine zukunftsfähige deutsch-europäische Russlandpolitik muss an den Grundprinzipien der europäischen Sicherheitspolitik konsequent festhalten. Eine notwendige Verbesserung der Beziehungen zu Russland darf nicht das Kerninteresse Deutschlands gefährden – Europas Zusammenhalt.

Bild: A police cordon. von Evgeniy Isaev lizenziert unter CC BY 2.0

Kurz vor der Bundestagswahl im Spätsommer 2017 brach der FDP-Vorsitzende Christian Lindner aus seiner Sicht mit einem „Tabu“; angesprochen auf die von seiner Partei zu erwartende Russlandpolitik sprach er sich für eine Quasi-Anerkennung der russischen Besetzung der Krim als „dauerhaftes Provisorium“ aus. Nur wenn man Russland auf dieser Weise entgegenkäme, wären Fortschritte an anderer Stelle möglich. Lindner stellte sich damit gegen die von der SPD unter Außenminister Sigmar Gabriel vertretene Linie einer konsequenten Benennung russischer Normverletzungen – Ein Vorgeschmack auf eine Neuausrichtung der Russlandpolitik?

Fortwährende Normverletzungen

Der euphemistisch als „Ukraine-Krise“ beschriebene russisch-ukrainische Krieg, die militärische Unterstützung des syrischen Diktators Assad und zuletzt die allem Anschein nach vom Kreml gesteuerten Hackangriffe auf Wahlkämpfe in Europa und den Vereinigten Staaten haben eins verdeutlicht: Mehr als 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges sieht sich die Welt mit einem tiefgreifenden Zerwürfnis zwischen Russland und den Staaten der Europäischen Union konfrontiert, das in dieser Dramatik kaum mehr für möglich gehalten wurde. Die nach 1990 in der Charta von Paris gemeinsam ausgehandelten Prinzipien einer neuen und friedlichen Ordnung in Europa wurden durch Putins aggressiven Nationalismus de facto aufgekündigt. Die russischen Normverletzungen zielen dabei auf nahezu alle wesentlichen Elemente der europäischen Sicherheitsordnung, wie dem Prinzip staatlicher Souveränität und territorialer Integrität, dem nationalen Selbstbestimmungsrecht und dem Gewaltverbot. Verbunden mit den mittlerweile scheinbar unüberbrückbaren Differenzen ist die Erkenntnis, dass die derzeitige europäische Russlandpolitik an ihre Grenzen stößt. Angesichts der russischen Konfrontation herrscht Ratlosigkeit. Wie weiter in der deutschen und europäischen Russlandpolitik?

Denken in Einflusszonen

In der von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebenen und vom SPD-Außenpolitiker Karsten D. Voigt verfassten Studie „Russland, Deutschland und die europäische Ordnung“ vom September 2017 positioniert sich der Autor klar gegen die von Christian Lindner geforderte Relativierung völkerrechtlicher Normen. Zentral ist dabei die Erkenntnis, dass Russland eben nicht normbasiert, sondern getreu einem Denken in Einflusszonen handle. Eine Anerkennung der völkerrechtswidrigen Krim-Besetzung hätte demnach nicht etwa eine Annäherung zur Folge. Im Gegenteil: Putin würde sich vielmehr in der Wahl seiner Strategien bestätigt fühlen, getreu nach dem Motto: Gewalt lohnt sich eben doch. Eine unausweichliche Folge wäre die weitere Erosion der für eine europäische Sicherheitsordnung und den europäischen Zusammenhalt essentiellen Normen. Zwingend folgt daraus konsequent und prinzipientreu zu bleiben und Normverletzungen klar zu benennen.

Zusammenarbeit bedeutet nicht Differenzen zu unterschätzen

Gleichzeitig aber bleibt Russland ein für Deutschland eminent wichtiges Land und gerade in Krisenzeiten ist Gesprächsbereitschaft zentral. Doch Prinzipientreue heißt nicht pragmatische Lösungen aufzugeben und umgekehrt heißt Zusammenarbeit nicht bestehende Differenzen zu unterschätzen. Benötigt wird eine pragmatische und kompromissfähige Zusammenarbeit ohne Gefährdung und Unterwanderung der europäischen Normen, Werte und Institutionen. Denn trotz aller Bedeutung Russlands gilt: „Russland ist […] für die deutsche Politik nicht wichtiger als die Gesamtheit der deutschen Beziehungen zu seinen östlichen Nachbarn“.

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