Diese Webseite verwendet Cookies
Diese Cookies sind notwendig
Daten zur Verbesserung der Webseite durch Tracking (Matomo).
Das sind Cookies die von externen Seiten und Diensten kommen z.B. von Youtube oder Vimeo.
Geben Sie hier Ihren Nutzernamen oder Ihre E-Mail-Adresse sowie Ihr Passwort ein, um sich auf der Website anzumelden.
Das Votum der Britinnen und Briten für den EU-Austritt ist eine Zäsur. In der Diskussion um die Zukunft der europäischen Integration müssen die Vorbehalte der Menschen in Europa anerkannt und verstanden werden, sonst drohen noch tiefer gehende Konflikte.
Bild: Bild: Gone with the wind Urheber: Theophilos Papadopoulos Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0
Es gibt viel zu kritisieren am Referendum in Großbritannien: die dreisten Lügen und die Planlosigkeit der Brexit-Befürworter_innen, die mangelnde konstitutionelle Absicherung, das niederträchtige Spiel mit Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. Doch wahr bleibt auch: Das Referendum gibt die Stimmung und Haltung vieler Menschen zur Europäischen Union wieder – nicht nur im Vereinigten Königreich.
Dass EU-Skepsis weit verbreitet ist, zeigt auch die repräsentative Studie „EU vor Bewährungsprobe – Was erwarten, worum sorgen sich die Bürger?“ Dies sollte bei sämtlichen Überlegungen berücksichtigt werden, welche jetzt allenthalben über die Zukunft der EU angestellt werden.
In der Umfrage, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben und welche die Politikberatung policy matters durchgeführt hat, wurden Bürger_innen in verschiedenen Mitgliedstaaten befragt: in den vier Gründerstaaten Frankreich, Italien, den Niederlanden und Deutschland; in Spanien und Schweden als im weiteren Verlauf beigetretene Länder; und in der Tschechischen und Slowakischen Republik, die 2004 mit anderen osteuropäischen Ländern der EU beitraten.
Untersucht wurde nicht nur die Haltung zur EU, sondern auch die Einstellungen und Erwartungen hinsichtlich der außenpolitischen sowie den sozial- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen. Dabei ergab sich ein Stimmungsbild, das zwar nicht homogen ist, aber doch die zusammenfassende Feststellung zulässt, dass die Menschen Europa mehrfach in der Krise sehen. Hier stehen die Fluchtbewegungen nach Europa, Arbeitslosigkeit, soziale Unsicherheit und die Angst vor internationalen Konflikten im Zentrum. Grundtenor der Ergebnisse: Die Menschen in Europa sind verunsichert und besorgt. Unter den von der Studie erfassten Themenbereichen ist kein einziger, mit dem eine Mehrheit der Befragten keine Sorgen verbinden würde.
Was die Rolle der EU bei der Meisterung dieser Herausforderungen anbelangt, ergibt sich ein gemischtes Bild. Während bei der Lösung internationaler Konflikte eine stärkere Rolle der EU erwünscht wird, ist bei sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen das Gegenteil der Fall. Insgesamt jedoch „überwiegt nach wie vor eine eher skeptische Grundhaltung“. Konkret zeigt sich das bei der Frage, ob die Mitgliedschaft in der EU mehr Vor- als Nachteile für das jeweilige Heimatland habe. Eine Mehrheit der Befragten sieht mehr Nachteile, nur in Spanien und Deutschland schätzen die meisten die Vorteile größer ein. Wichtig ist dabei auch die Feststellung, dass in allen Ländern für diejenigen, die sich der „Oberschicht“ zugehörig fühlen, die Vorteile überwiegen. Umgekehrt bewertet eine Mehrheit derer, die sich selbst der „Unterschicht“ zuordnen, die Nachteile als gravierender. Das muss Linken und Sozialdemokrat_innen zu denken geben.
Auch bei der Abstimmung in Großbritannien hat die Arbeiterklasse (zumindest in England und Wales) gegen die EU und für den Austritt gestimmt. In dieser Situation eine Vertiefung der Integration oder die Vervollkommnung der Politischen Union zu fordern, ist nicht nur blauäugig und unrealistisch, sondern gefährlich für den Bestand und die Zukunft der Union. Zwar bietet die Umfrage nur ein Stimmungsbild, denn Einstellungen und Haltungen können sich wieder ändern. Die Skepsis und das Unbehagen sind aber bis auf weiteres kein Randphänomen. Natürlich muss man den Kritikern das Feld nicht kampflos überlassen, man sollte ihnen aber auch nicht die einfachsten Argumente an die Hand geben. Die europäische Integration muss den Menschen weiterhin erklärt und vermittelt werden. „Sonst schleicht sich fast von selbst – aber auch durch Beihilfe von Populisten und EU-Skeptikern – die Vorstellung ein, dass man die EU eigentlich gar nicht braucht“, so Johann Ivanov von der Friedrich-Ebert-Stiftung, der im Mai eine Präsentation der Studie in Rostock organisierte.
Gerade der Umstand, dass sich die sozial Schwächeren keine Hoffnungen machen, dass die EU ihnen etwas bringt, kann Parteien, welche sich die soziale Gerechtigkeit aufs Banner geschrieben haben, nicht egal sein. Europa und die Europäische Union haben den „einfachen Leuten“ durchaus etwas gebracht, Nationalismus ist das billigste Mittel, um die Verteilungsfrage nicht stellen zu müssen. Die Unterstützerinnen und Unterstützer der „Europäischen Partei“, die es mittlerweile – Ironie der Geschichte – in allen Ländern Europas gibt, sollten derzeit aber vorsichtig mit allzu hochfliegenden Zielen sein.
EU vor Bewährungsprobe – Was erwarten, worum sorgen sich die Bürger? Eine repräsentative 8-Länderstudie, durchführt von policy matters, FES 2016
Matthias Micus, Felix Butzlaff: Europa in den Parteien: Wege der Beteiligung, FES 2016
Alexander Schellinger: Reform der Währungsunion, FES 2015
Der Wahlausgang in Großbritannien wird die Brexit-Verhandlungen nicht eben vereinfachen. Wirtschaftlich wird er nicht nur Auswirkungen auf den…
48 Prozent der Briten wollten den Brexit nicht und werden jetzt von keiner relevanten Partei mehr vertreten.
In Nordirland hat sich die EU als Friedensmacht bewährt. Nun wachsen auf der Insel die Sorgen über den Brexit.
Entgegen der britischen Beteuerungen bedeutet der Brexit eine Abkehr von der Welt – und möglicherweise sogar das Ende des Vereinigten Königreichs.
Brexit und Trumpwahl: Diese beiden politischen Großereignisse des Jahres 2016 haben einiges miteinander zu tun.
Die Wahlbeteiligung in Europa ist seit Jahrzehnten rückläufig. Begeisterung über freie Wahlen ist selten, stattdessen bleibt oft das Gefühl, dass die…
Die Friedrich-Ebert-Stiftung im Gespräch mit Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer, den Unterstützern des gratis Interrail-Tickets
Schaut man sich Europas multiple Krisen und den Umgang der Union mit ihnen an, scheinen viele Menschen momentan am liebsten weglaufen zu wollen. Nun…
Auch wenn mittlerweile andere Themen die Schlagzeilen beherrschen, steckt Europas Währungsunion weiterhin in der Krise. Es hat einige Versuche…
Das Europäische Semester ist ein zentrales Instrument der Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU. Es ist jedoch vor allem ein Mittel zur Durchsetzung…
Die soziale Dimension der EU steht am Rande der Bedeutungslosigkeit. Auf praktisch allen Ebenen hat eine systematische Schwächung des sozialen Europas…
Ansprechpartnerinnen
Susan Javad
030 26935-8313Susan.Javad(at)fes.de
Vanicha Weirauch
030 26935-8333Vanicha.Weirauch(at)fes.de