Diese Webseite verwendet Cookies
Diese Cookies sind notwendig
Daten zur Verbesserung der Webseite durch Tracking (Matomo).
Das sind Cookies die von externen Seiten und Diensten kommen z.B. von Youtube oder Vimeo.
Geben Sie hier Ihren Nutzernamen oder Ihre E-Mail-Adresse sowie Ihr Passwort ein, um sich auf der Website anzumelden.
Die Viktor Orbans behaupten, mit einfachen Botschaften für die Bevölkerung zu sprechen. Der Konflikt mit Europa ist einkalkuliert.
Bild: Solidarity with defenders of rule of law in Hungary von greensefa lizenziert unter CC BY-SA 2.0
Ungarn winkt schon fast Lehrbuchstatus, so beliebt ist es als Beispiel: Soziale Ungleichheit, eine enttäuschte Bevölkerung, ein charismatischer Rechtspopulist. Von der Wut über die sozial-liberale Vorgängerregierung 2010 mit einer Zweidrittelmehrheit ins Amt gespült, realisiert Ministerpräsident Orbán seine Vision einer „illiberalen Demokratie“. Kontroverse Reformen im Justizwesen, ein Mediengesetz, ein neues Grundgesetz und die feindliche Rhetorik gegen Flüchtlinge und Islam sorgen seither ständig für Auseinandersetzungen mit der EU. Obwohl die Ungarn nicht gerade zufrieden mit ihrer Regierung sind und immer wieder Proteste aufbranden, gewann Orbáns Parteienbündnis 2014 zunächst wieder eine Zweidrittelmehrheit.
Optimismus, Hoffnung auf Wohlstand, Begeisterung für Demokratie und Europa bestimmten das gesellschaftliche Klima nach dem Zerfall der Sowjetunion. Dass die neoliberalen Reformen Ungleichheit und Armut verschärft haben und viele von der Transformation enttäuscht wurden, scheinen die Menschen allerdings kaum schlechter Regierungspolitik, als vielmehr der Demokratie selbst anzulasten. Viele sind enttäuscht und liebäugeln wieder mit einem omnipräsenten Staat und einem starken Mann an seiner Spitze, der sozialen Aufstieg nach Ungarn zurückbringen soll. Seinen Teil der Abmachung erfüllt Orbán mit den klassischen Mitteln des Populisten. Er benutzt eine einfache Rhetorik, bietet Sündenböcke für Missstände an und liebt einen konfrontativen Politikstil. Das lässt viele Menschen über Orbáns widersprüchliches Programm– mal marktliberal, mal staatswirtschaftlich, aber gegen Sozialstaat und arme Bevölkerungsteile ausgerichtet - hinwegsehen.
Diese Strickmuster rechtspopulistischer Politik in Ungarn und in anderen Ländern Europas wurden auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Frankfurt diskutiert. Jan Niklas Engels, Büroleiter der FES in Budapest, argumentierte, dass die Regierungsparteien zwar in allen Umfragen klar führen, doch der Rückhalt für die Regierung Orbán bröckelt – um die 40 Prozent der Ungarn wüssten nicht, wen sie 2018 bei den nächsten Parlamentswahlen wählen sollten, es fehle aber an Alternativen. So vertrauen nur 35 Prozent der Ungarn ihrer Regierung, 61 Prozent vertrauen ihr eher nicht. Aber auch den politischen Parteien misstrauen 78 Prozent der Ungarn. Dass die Dinge sich in Ungarn in die richtige Richtung entwickeln, finden nur 30 Prozent der Befragten, 59 Prozent sind anderer Meinung – so die aktuellen Daten des Eurobarometer. Gesine Schwan plädierte dafür, Kommunen und Regionen in Europa zu stärken. Bevölkerungsteile, die sich von der Politik vernachlässigt und von populistischen Parteien angesprochen fühlen, sollen sich so besser beteiligen können. Mehr soziale Gerechtigkeit gebe es nur über mehr Einmischung der Zivilgesellschaft. Engels verweist in dem Zusammenhang auf neue proeuropäische Parteien und Bürgerbewegungen in Ungarn. Dass Orbán genau davor Angst zu haben scheint, zeigt nicht zuletzt das neue NGO-Gesetz, welches ungarische Nichtregierungsorganisationen, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten, stigmatisieren könnte.
Neben Beteiligungsmöglichkeiten ist die lokale und regionale Ebene auch für Identitäts- und Autonomiebewusstsein der Bevölkerung wichtig. Im Fall Ungarns spielt das nach jahrhundertelanger Abhängigkeit von Osmanischem Reich, Österreich und Russland verständlicherweise eine besondere Rolle. Nicht nur mit Ungarn, auch mit Blick auf andere Regionen könnte es sich die EU vielleicht selbst leichter und nationalistischem Populismus schwerer machen, wenn sie mehr regionale Autonomie fördern würde.
Ansprechpartner in der Stiftung:
Simon Schüler
Weiterführender Link
A.Bíró-Nagy/T.Kadlót/Á.Köves: Enttäuschte Hoffnungen? Einstellungen der ungarischen Bevölkerung zur EU
Die Parlamentswahlen in Ungarn haben das rechte Regierungsbündnis gestärkt. Erneut kann Viktor Orban mit einer Zweidrittelmehrheit in seine vierte…
Der Umgang mit Rechtspopulismus in Europa ist eine der derzeit größten Herausforderung in der EU.
Gegenstrategien gibt es, sie müssen nur mehr Gehör…
Wie Ungarns Regierung die EU-Flüchtlingsfrage zur Sicherung der eigenen Macht instrumentalisiert und dabei immer wieder auf das gleiche…
Das Verhältnis der EU-Bürger_innen zu ihrer Union war stets ambivalent. Nach Jahren der Skepsis ist nun ein neuer Trend erkennbar, dank einiger…
Der Kampf gegen eine angebliche Genderideologie ist für fast alle rechtspopulistischen Bewegungen Europas ein wichtiges Thema. Wie paradox!
Das Stichwort „Illiberale Demokratie“ wandert wie ein Geist durch Europa. Neben der polnischen Regierung, scheint vor allem der ungarische…
Ungarn wird häufig als Beispiel besonders großer Europaverdrossenheit gesehen. Das Gegenteil ist der Fall: Der Verdruss gilt vorrangig den heimischen…
Ansprechpartnerinnen
Susan Javad
030 26935-8313Susan.Javad(at)fes.de
Vanicha Weirauch
030 26935-8333Vanicha.Weirauch(at)fes.de