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Die Lehren aus der UN-Klimakonferenz in Madrid

Wir erreichen die Pariser Klimaziele nicht, wenn einzig mit Blockierern verhandelt wird. Wir brauchen informelle Allianzen aus Nord und Süd.

 

EIn Graffiti auf einer Ziegelmauer von einer Warnweste, auf der das Wort "Future?" steht.

Bild: Future I Zukunft I Futuro I Futur von Photocase / von Alpenfux lizenziert unter Lizenz-ID: 5750195 / Foto-ID: 2093123

Gruppenfoto von acht Personen bei der COP25.

Bild: FES@COP25: Thomas Hirsch (rechts) mit einigen Teilnehmer_innen von FES Christiane Heun

Ein schwarz-weißes Gemälde, das einen abgemagerten, kauernden Menschen zeigt, der die Hand flehend unter einen Wasserhahn hält. Vor ihm steht eine Person in einem Anzug, deren Gesicht nicht sichtbar ist, und die den Wasserschlauch kontrolliert und zudrückt.

Bild: Kunst@COP25 Madrid von FES Christiane Heun

Die UN-Klimakonferenz ist ein herber Rückschlag im Bemühen, die drohende Klimakatastrophe noch zu vermeiden. Dabei sollte Madrid eigentlich zu einer Konferenz der Ambition, der Solidarität und der internationalen Zusammenarbeit werden. Am Ende blieben den Delegierten trotz einer zweitägigen Konferenzverlängerung mit Verhandlungen nahezu rund um die Uhr jedoch vor allem drei ernüchternde Erkenntnisse.

Staaten wie Australien, Brasilien, Saudi-Arabien und den USA ging es erstens in Madrid einzig darum, vehement die wirtschaftlichen Interessen der fossilen Industrien sowie von Großagrarierinnen und Großagrariern gegen den Klimaschutz durchzusetzen. Sie wollen Zeit schinden, um ihre klimaschädlichen und destruktiven Geschäftsmodelle noch so lange wie möglich fortzusetzen, koste es, was es wolle. Und sie wollen unbedingt verhindern, für ihr Handeln Rechenschaft ablegen zu müssen. Das ist ihnen ein Stück weit gelungen, allerdings um den Preis einer sich weiter vertiefenden Spaltung der Welt.

Zweitens sind die eigentlichen Ziele der UN-Klimakonferenz in Madrid im Ringen um Kompromisse auf der Strecke geblieben. Diese Ziele waren, dringend erforderliche Beschlüsse zur ambitionierten Erhöhung nationaler Klimaziele im nächsten Jahr zu treffen, einen Ausgleichsmechanismus für Klimaschäden in vulnerablen Ländern zu schaffen sowie den internationalen Emissionshandel zu regulieren. Als Minimalkonsens konnte neben einer sehr zurückhaltenden Aufforderung, die Klimaziele im nächsten Jahr zu erhöhen, gerade einmal erreicht werden, die Verhandlungen in Glasgow Ende 2020 fortzusetzen. Das reicht aber nicht aus, die Klimakatastrophe abzuwenden.

Daraus folgt drittens, dass es nicht erfolgversprechend ist, die Frage des Klimaschutzes, die über unser aller Zukunft entscheidet, mit Staaten zu verhandeln, deren Regierungen die wirtschaftlichen Partikularinteressen einer winzigen Elite über das Allgemeinwohl der Weltbevölkerung setzen. Diese Staaten greifen dabei zu extremen Mitteln und schrecken selbst davor nicht zurück, gesicherte wissenschaftliche Fakten einer drohenden Katastrophe zu ignorieren und durch ein Gespinst an Unwahrheiten zu ersetzen.

Als Fazit bleibt festzuhalten: Der Kontrast zwischen dem, was in puncto Klimaschutz an politischem Willen, Verantwortungsbereitschaft und Führung erforderlich ist, und dem, was in den Messehallen in Madrid geliefert wurde, könnte nicht größer sein. Um klimapolitisch wieder handlungsfähig zu werden, ist es jetzt dringend an der Zeit, neue politische Formate zu finden, die die Macht der Blockiererinnen und Blockierer destabilisiert.

Die Ergebnisse von Madrid im Kurzüberblick

„Time to act“ – gemäß dem Konferenzmotto sollte COP25 eigentlich ein starkes Signal aussenden, dass die Mitgliedsstaaten im nächsten Jahr ihre Klimaziele für die Zeit bis 2030 konkretisieren. Die bisherigen Maßnahmen zum Klimaschutz reichen nämlich bei Weitem nicht aus, um die Staatengemeinschaft dazu zu bringen, das Ziel der UN-Klimakonferenz in Paris zu erreichen: eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad und möglichst 1,5 Grad. Die letzten drei Sonderberichte des Weltklimarats (IPCC) haben eindringlich davor gewarnt, dass bereits ein Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze zu einer Klimakatastrophe führen könnte. Um dies zu verhindern, ist es erforderlich, die weltweiten Emissionen im neuen Jahrzehnt pro Jahr um mehr als sieben Prozent zu senken.

Mit Blick auf die bisherigen nationalen Klimaziele insbesondere der großen Emittenten wie China, der USA, der EU und Indien wird aber dieses erste Ziel dramatisch verfehlt, befinden wir uns doch auf dem Weg zu einer Erwärmung um rund 3 Grad. In der Abschlusserklärung von Madrid reichte es so auch gerade einmal zu einer wachsweichen Aufforderung an die Staaten, ihre Klimaziele zu überprüfen. Damit stehlen sich vor allem die wirtschaftlich mächtigen Länder aus ihrer Verantwortung, was wiederum verheerende Konsequenzen für die armen Länder haben wird. Einzig die Ankündigung der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, mit einem Green Deal bis 2050 treibhausgasneutral zu werden und die Dekarbonisierung zugleich dazu zu nutzen, technologische Innovation und wirtschaftlichen Wohlstand zu generieren, bildet hier eine Ausnahme.

Das zweite wichtige Ziel, in Madrid verbindliche Regeln für den internationalen Handel mit Klimaschutzzertifikaten zu vereinbaren und damit das Regelbuch des Pariser Klimaabkommens zu vervollständigen, ist ebenfalls gescheitert, vor allem an den Maximalforderungen Brasiliens, das bereits vor einem Jahr bei der COP24 in Katowice einen Abschluss verhindert hatte: Brasilien blockiert weiterhin Regeln, mit denen die Umweltintegrität des Abkommens sichergestellt werden könnten. Am Ende lautete der Minimalkonsens, die Verhandlungen in Glasgow im Jahr 2020 fortzusetzen.

Auch hinsichtlich des dritten zentralen Themas, der Stärkung des Warschau-Mechanismus zu klimabedingten Schäden und Verlusten, ist es nicht gelungen, den massiv betroffenen Ländern mehr Unterstützung zukommen zu lassen und einen Einstieg in die Schaffung eines zusätzlichen Finanzierungsmechanismus zu finden. Der gefundene Minimalkonsens besteht aus substanzlosen Formulierungen im Abschlussdokument. Größter Bremser waren hier die USA. So wird auch dieses Thema in Glasgow auf der COP26 erneut auf die Tagesordnung kommen.

Eine klare Verpflichtung auf die Einhaltung der Menschenrechte und die Ziele eines gerechten Überganges (Just Transition) wurden im Verhandlungsverlauf ebenfalls fallen gelassen und durch Formulierungen ersetzt, die gut klingen, rechtlich aber bedeutungslos sind. Immerhin ist es gelungen, sich auf einen Gender Action Plan (GAP) zu verständigen.

Insgesamt bedeutet dies, dass mindestens ein, wenn nicht zwei weitere Jahre als verloren gelten können: Die Verhandlungen über ausstehende Regeln werden jetzt auch noch die UN-Klimakonferenz 2020 bestimmen, während das eigentliche Thema in Glasgow, das Pariser Abkommen endlich erfolgreich zu starten und seine Ziele umzusetzen, in den Hintergrund treten dürfte.

Wie es jetzt weitergehen kann

Was jetzt erforderlich ist, ist eine enge klimapolitische Zusammenarbeit zwischen der EU, Kanada, China, Indien, Südafrika, weiteren asiatischen und vor allem lateinamerikanischen Schwellenländern sowie den Inselstaaten und der Gruppe der vulnerablen Entwicklungsländer. Bereits in Paris und schon 2011 in Durban waren es informelle Allianzen von ambitionierten Ländern aus Nord und Süd, die in entscheidenden Momenten Dynamik in festgefahrene Verhandlungen brachten. 2020 müssen jetzt auch die großen Schwellenländer, allen voran China und Indien, gleichberechtigte Teilhaber von Klimapartnerschaften beziehungsweise eines ausgeweiteten Green Deals werden. Ob China sich darauf einlässt, ist eine offene Frage. Aber der Versuch lohnt sich.

 

Thomas Hirsch leitet Climate & Development Advice, ein Netzwerk für Klima- und Entwicklungsfragen. Seit der COP21 bereitet er engagiert und kompetent die internationalen FES-Delegationen auf die Klimaverhandlungen der Weltklimakonferenzen vor.

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