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Ecuador: Die katastrophalen Folgen eines IWF-Kredits

Die massiven Unruhen waren möglicherweise nur ein Auftakt, denn die Unzufriedenheit angesichts des Rechtsrucks der Regierung Moreno wächst.

Proteste in Ecuador

Bild: Proteste in Ecuador von Luis Herrera-CoopDocs Cooperativa Audivisual

Proteste in Ecuador

Bild: Proteste in Ecuador von Luis Herrera-CoopDocs Cooperativa Audivisual

 

Standpunkt

von Wolf Grabendorff, Leiter der FES in Ecuador

 

In der letzten Woche ist es in Ecuador zu den heftigsten Ausschreitungen und Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstrant_innen seit Jahrzehnten gekommen. Doch die massiven Proteste gegen die Abschaffung der staatlichen Treibstoffsubventionen waren nur der zündende Funke in einer ohnehin schon aufgeheizten politischen Atmosphäre.

Auslöser der Unruhen: Benzinpreiserhöhungen

Bei den Unruhen der letzten Woche gab es sieben Tote, über 1.000 Verletzte und mehr als 1.300 Verhaftete. Auslöser waren Maßnahmen zur Reduzierung der Staatsausgaben, die der IWF als Bedingung für einen Kredit forderte. Die darin enthaltene Abschaffung der Treibstoffsubventionen führte zunächst zu einem 48-stündigen Streik aller Transportunternehmen, der aber mit einer raschen Einigung auf moderate Fahrpreiserhöhungen endete. Der Schwerpunkt der massiven Proteste war die Mobilisierung der unterschiedlichen indigenen Gruppen unter der Führung ihrer nationalen Dachorganisation CONAIE (Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador), die einen unbefristeten Streik bis zur Aufhebung des Maßnahmenpakets angekündigt hatte.

Die Protestierenden sperrten alle Straßen in den ausgedehnten indigenen Gebieten des Hochlandes, stellten sämtliche wirtschaftlichen Aktivitäten ein und riefen nach mangelnder Verhandlungsbereitschaft der Regierung zu einem »Marsch auf Quito« auf, dem sich etwa 20.000 CONAIE-Mitglieder anschlossen. Die CONAIE erhielt Unterstützung von Gewerkschafts- und Studierendenverbänden, aber auch von einigen Anhänger_innen des ehemaligen Präsidenten Correa. Dieser heizte mit seinen Äußerungen aus dem Exil in Belgien die gewaltsamen Proteste in Ecuador ebenfalls an.

Zwischenfälle mit Plünderungen und massiven gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Protestierenden nicht nur im Zentrum Quitos, sondern auch in den Wohnbezirken machten deutlich, dass es sich keineswegs nur um einen legitimen politischen Protest vor allem der indigenen Bevölkerung handelte, sondern auch zumindest teilweise um gezielte Unruhestiftung krimineller Akteure. Diesen Gewaltausbruch nahm die Regierung Moreno zum Anlass, die machtvolle politische Demonstration der Unzufriedenheit weiter Bevölkerungskreise zu kriminalisieren sowie die Repression gegenüber Opposition und freien Medien zu verstärken. Präsident Moreno rief zunächst den Ausnahmezustand aus und verfügte damit eine massive Militarisierung des Landes. Er verlegte die Regierung zeitweise von der Hauptstadt Quito in die Küstenmetropole Guayaquil und verhängte in Quito eine Ausgangssperre. Am Sonntag gelang es dann durch die Vermittlung der UN und der Bischofskonferenz, die Regierung und Indigenen-Vertreter_innen an einen Tisch zu bringen. Das Dekret zur Streichung der Treibstoffsubventionen wurde zurückgezogen, und es wurden weitere Dialoge über die aufgrund des IWF-Vertrags notwendigen wirtschaftlichen Schritte vereinbart. Für die CONAIE war dies ein enormer politischer Erfolg.

Lenín Morenos Rechtsschwenk: wirtschafts- und IWF-freundliche Politik

Die Bilanz der Regierungszeit von Präsident Moreno ist ziemlich enttäuschend: 2017 mit einem moderat linken Programm gewählt, vollzog er einen deutlichen Rechtsschwenk. Die wichtigen Unternehmensgruppen üben großen Einfluss auf Regierungsentscheidungen aus. Ergebnis ist eine neoliberale und wirtschaftsfreundliche Politik, die von der Bevölkerung kritisch gesehen wird, denn Präsident Morenos Zustimmungsraten sind von über 70 Prozent im Jahr 2017 auf unter 20 Prozent 2019 gesunken.

Hinzu kommt, dass die Bevölkerung sich dem IWF zunehmend ausgeliefert fühlt. Unter Präsident Correa kamen die Kredite überwiegend aus China, Ecuador verfügt daher in Südamerika pro Kopf über die höchste Verschuldung gegenüber China. Der Preisverfall des Erdöls erzeugte weiteren Handlungsdruck. Um die Staatsschulden zu senken, hat Moreno daher beim IWF einen Kredit von 4,2 Milliarden Dollar beantragt, Voraussetzungen dafür sind aber umfassende Reformen und Sparmaßnahmen, die bisher vor allem die ärmeren Teile der Bevölkerung treffen und aufgrund ihrer Radikalität sowie mangelnder sozialer Abfederung zunehmenden Unmut auslösen.

Morenos politische Zukunft ist ungewiss

Es ist schwer einzuschätzen, wie lange sich Präsident Moreno in der derzeit weiter angespannten Lage ohne eigene Mehrheit im Parlament und nur mit deutlicher Unterstützung von Unternehmensseite, dem Militär und den weitgehend gleichgeschalteten Medien an der Macht halten wird. Weitere Regierungsmaßnahmen wie Massenentlassungen im öffentlichen Dienst sowie die geplante Flexibilisierung der Arbeitsgesetzgebung und damit eine erhöhte Arbeitslosigkeit können durchaus erneute Proteste auslösen und die deutliche Instabilität der Regierung Moreno noch verschärfen. Selbst weniger gewaltsame indigene Proteste haben in Ecuador bereits 1997 und 2005 zu raschen Präsidentschaftswechseln geführt. Aber Präsident Morenos Versuch, in einer Amtsperiode den Wechsel von einer staatszentrierten Entwicklung zu einem vom IWF gewünschten Marktmodell zu vollziehen, lässt sich demokratisch wohl kaum verwirklichen.

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