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Um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu gewährleisten, sieht das Grundgesetz die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse vor. Doch inwiefern wird eben jenes Versprechen auf die Probe gestellt, wenn in ländlichen Regionen der letzte Supermarkt, die letzte Apotheke oder der letzte Fahrradladen schließt? Können multifunktionale Dorfläden als Problemlöser in der Nahversorgung dienen?
"Ja, der Dorfladen kann eine Lösung sein!" meint unser Autor Anton Brand und legt im neuen Artikel unseres Blogs dar, warum er das so sieht:
Bild: Dorfladen Gleiritsch von Anton Brand
Bild: Anton Brand von Anton Brand
Die Zahl der Verkaufsstellen im Lebensmitteleinzelhandel ist in den letzten Jahrzehnten von 160.000 Geschäften im Jahr 1970 auf unter 39.000 Geschäfte im Jahre 2012 gesunken (Quelle: Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels).
Die Kilometerzahl für Einkaufsfahrten verdoppelte sich in Deutschland von 1982 bis 2002 von 219 Millionen auf 444 Millionen Kilometer. Das hat das Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) Berlin ermittelt. Deutschland fährt also täglich 444 Millionen Kilometer, um einzukaufen!
Selbst in den meisten Dörfern und Stadtteilen mit 1.000, 2.000 oder 3.000 Einwohner_innen hat heute der oder die letzte Lebensmittelhändler_in seine Ladentür geschlossen, sodass auch diese Einwohner_innen zu den 8 Millionen „unterversorgten“ Bundesbürger_innen zählen (Quelle: IÖW-Studie 2005 im Auftrag des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen).
Diese negative Entwicklung hat zu einer Gegenbewegung geführt. Engagierte Bürger_innen und Kommunalpolitiker_innen in den ländlichen Regionen sind es leid, unterversorgt zu sein und weite Strecken bis zur nächsten Nahversorgung zurücklegen zu müssen. Diese weiten Wegstrecken kosten Zeit und Geld. Ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung stehen ohnehin oft vor noch größeren Herausforderungen zum nächsten Laden zu gelangen.
„Eigeninitiative statt Unterversorgung“ lautet das Motto und so werden „Dorfläden – von Bürgern für Bürger“ gegründet. Durch dieses Engagement sind in ganz Deutschland bereits mehr als 300 Bürger_innen-Dorfläden gegründet worden. Die Gründungen erfolgen aus rein ideellen und keinen eigenen wirtschaftlichen Interessen. Die Tendenz ist weiterhin steigend.
Ich denke, dass Allerwichtigste ist die Akzeptanz und Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit dem Dorfladen. Deshalb ist die Beteiligung der Bürgerschaft enorm wichtig. Es ist dann ihr Dorfladen, welcher aus dem bürgerschaftlichen Engagement heraus entstanden ist, auf den sie dann auch stolz sein können.
Ein weiterer, ganz entscheidender Punkt für mich ist, dass bei der Ausrichtung des Dorfladens darauf geachtet wird, sich an den konkreten Bedürfnissen und Defiziten vor Ort zu orientieren. Hier gilt das Motto: „Gutes erhalten, Fehlendes ergänzen!“. Ist z. B. eine Bäckerei oder eine Metzgerei noch vor Ort, dann sind diese zu stärken, mit ihnen das Gespräch zu suchen und im Idealfall eine für beide Seiten optimale Zusammenarbeit anzustreben.
Ich bin auch der Meinung, dass ein großer Anteil an Regionalität bei den Produkten und Dienstleistungen anzustreben ist. Sei es der Honig vom Imker um die Ecke, die Kartoffeln vom Landwirt vor Ort oder die Back-, Wurst- sowie Fleischwaren vonregionalen Firmen -mit einem Einkauf im Dorfladen werden dann die Vermarktungswege kurz. Gleichzeitig erhalten die Kund_innen hohe Qualität, Sicherheit und Gesundheit. Arbeitsplätze werden in der Region gesichert. Die Wertschöpfung bleibt in unserer ländlichen Heimat.
Eine gute Mischung aus ehrenamtlichem Engagement und die Schaffung von Arbeitsplätzen bedeutet ebenfalls einen weiteren wichtigen Baustein, damit ein Dorfladen seine gestellten Aufgaben erfüllen kann und auch erfolgreich sein wird.
Dorfläden stellen natürlich die Nahversorgung mit Produkten des täglichen Bedarfs, insbesondere mit Lebensmitteln und Haushaltswaren sicher und fördern dadurch wirksam das Gemeinwohl und die Lebensqualität in der Gemeinde.
Der Trend, dass Banken ihre Filialen im ländlichen Raum schließen, hält weiter an. Auf diese Entwicklung haben Dorfläden bereits reagiert und bieten mittlerweile z. B. mittels eines EC-Cash-Systems die Auszahlung von Bargeld an.
Wir in Gleiritsch arbeiten mittlerweile auch mit einem Optiker zusammen, welcher seine Dienstleistungen alle zwei Wochen für vier Stunden vor Ort anbietet.
Meine Erfahrung aber zeigt, dass Dorfläden darüber hinaus noch viel mehr leisten: Sie sind auch ein Ort des sozialen Austausches, für Gespräche während des Einkaufs oder bei einer Tasse Kaffee, ein Treff für Alt und Jung. Gerade die ältere Generation hat oft nicht die Möglichkeit ohne Hilfe aus der Familie oder Nachbarschaft zum Einkaufen den Ort zu verlassen. So bietet der Dorfladen neben aktivem sozialem Leben auch wieder eine gewisse Selbstständigkeit für diese Personen.
Obwohl alle Dorfläden die gleichen Zielsetzungen haben, so ist doch letztlich jeder anders gestaltet und versucht die konkret bestehenden Defizite der Nahversorgung vor Ort auszugleichen. Eine tolle Vielfalt, die hier in den ländlichen Gegenden bundesweit entstanden ist und weiter entsteht. Jeder dieser Dorfläden ist etwas Besonderes und das Engagement der Bürgerinnen und Bürger sowie der Kommunalpolitiker_innen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Von der Bundesvereinigung multifunktionaler Dorfläden (kurz: BmD) wurden in den letzten Jahren die Dorfläden Assmannshardt, Gelting, Gleiritsch, Heising, Hofstädten, Klausen und Otersen zu Dorfläden des Jahres ausgezeichnet (http://dorfladen-netzwerk.de/tag/dorfladen-des-jahres/).
Der Dorfladen Gleiritsch und die Gemeinde Gleiritsch haben für die Errichtung des Dorfladens zur Nahversorgung und für das Gemeinschaftsleben einen Sonderpreis im Rahmen des Staatspreises für Land- und Dorfentwicklung im Jahr 2014 erhalten.
Wer glaubt, dass Dorfläden nur eine Modeerscheinung sind, der wird sich täuschen. Der Trend zu mehr Bürger_innenengagement bei der Sicherstellung der Nahversorgung im ländlichen Raum wird sich in den nächsten Jahren eher noch verstärken. Die bereits bestehenden Dorfläden leben vor, wie die Problemstellungen der fehlenden Nahversorgung im ländlichen Raum gelöst werden können.
Der demografische Wandel, die Alterung der Gesellschaft, aber auch der Bedarf nach Lebensqualität und sozialem Leben werden den Wunsch nach wohnortnahen Einkaufsmöglichkeiten weiter ansteigen lassen.
Ich kann die Bürger_innen und die Kommunalpolitiker_innen vor Ort nur ermutigen, an einem Strang zu ziehen und zu versuchen, es selbst in die Hand zu nehmen, die Defizite der Nahversorgung vor Ort zu beheben.
Anton Brand hat als Arbeitskreismitglied und Geschäftsstellenleiter einer Verwaltungsgemeinschaft die Gründungssphase des Dorfladens „Schauts-eina“ in Gleiritsch im Rahmen einer Dorferneuerungsmaßnahme begleitet und ist seit dem Jahre 2014 dessen ehrenamtlicher Geschäftsführer. Seit April 2016 ist er Zweiter Vorsitzender der Bundesvereinigung multifunktionaler Dorfläden (kurz: BmD).
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