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Gesine Weber

EU-Berichterstattung: Zwischen Schwarzmalerei und Vierter Gewalt

Brexit-Chaos, Pleite-Griechen oder europäisches Bürokratiemonstrum: Nicht selten sind es schlechte Nachrichten aus Brüssel, die die europapolitische Berichterstattung dominieren.

Bild: Die Medien und die EU © Andrew Testa von Andrew Test/Panos Pictures/VISUM

Die Berichterstattung aus Brüssel steht vor einer gewaltigen Herausforderung: Chronisch unterbesetzte Redaktionen, oft nur einzelne Korrespondent_innen müssen einem Publikum in ihrem Mitgliedstaat Sachverhalte erklären, die in vielerlei Hinsicht komplex sind. Es gilt Konfliktlinien zwischen Staaten und politischen Orientierungen darzustellen und die konkreten Auswirkungen von Entscheidungen auf die Bürger_innen der Europäischen Union (EU) zu erklären. Dabei ist stets zu bedenken, dass bei jenen Bürger_innen in der Regel nur wenig Wissen über die Europäischen Institutionen, ihr Zusammenspiel untereinander und mit den nationalen Institutionen vorliegt. Eine unerfüllbare Mission? Nicht unbedingt – aber die strukturellen Bedingungen machen es den in Brüssel arbeitenden EU-Korrespondent_innen nicht leichter. Mehrsprachigkeit, eine fragmentierte europäische Öffentlichkeit und zuletzt enormer Kostendruck führen dazu, dass die Qualität der Berichterstattung oftmals unter Druck gerät. Dabei bestehen bereits Netzwerke und Wissen, die man für eine europäische Berichterstattung nicht nur mobilisieren könnte, sondern auch müsste, damit die Medien ihrer Verantwortung als „Vierter Gewalt“ in Europa gerecht werden können.

Nationale Perspektiven, nationale Berichterstattung

Ein zentrales Problem, dass es für eine umfassendere europäische Berichterstattung zu überwinden gilt, ist die nationale Sichtweise von Politik und Medien auf europäische Politik. Die Medien in den Mitgliedstaaten zeigen eine Tendenz, europäische Ereignisse oftmals ausschließlich aus einer nationalen Perspektive zu beleuchten: So werden wichtige Entscheidungen als Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten präsentiert, wohingegen parteipolitische Trennlinien zumeist außer Acht gelassen werden. Auch bei der Berichterstattung aus dem Europäischen Parlament fehlt oft eine gesamteuropäische Einordnung; obwohl Entscheidungen im Parlament entlang politischer Orientierungen und nicht nationaler Linien getroffen werden, ordnen Medien diese Entscheidungen kaum auf einer politischen Skala ein. Die Interpretation wird den Bürger_innen überlassen. Die Sprecher_innen der Politiker_innen, auf deren Informationen die Brüsseler Journalist_innen stärker angewiesen sind als ihre Kolleg_innen im nationalen Kontext, setzen die Brüsseler Ereignisse ebenfalls in einen nationalen Kontext. Die europapolitische Kommunikation von Regierungen kennzeichnet sich stark durch das sogenannte „Blame Game“: Erfolgreiche europapolitische Maßnahmen verbuchen Regierungen gern als die eigenen, unbeliebte hingegen werden dezidiert als EU-Politik kommuniziert. Da diese Mechanismen in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen funktionieren, verfügt die EU nach wie vor über 28 getrennte Öffentlichkeiten statt über eine gemeinsamen.

Aus Brüssel kaum Gutes

Tatsächlich zeigen empirische Studien, dass die Europaberichterstattung nationaler Medien oftmals vor allem die negativen Aspekte von EU-Politik hervorhebt. Grundsätzlich ist ein Fokus auf Konflikte oder Probleme in der Berichterstattung nicht ungewöhnlich, weil regulär ablaufende Prozesse kaum Interesse zu wecken vermögen. Die nationale Einordnung führt außerdem dazu, dass Narrative von europäischer Solidarität oder den europäischen Institutionen als Problemlöser kaum Platz in der Berichterstattung finden. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Journalist_innen in Brüssel gleichzeitig innenpolitische und außenpolitische Berichterstattung leisten müssen, indem sie den Bürger_innen die Auswirkungen der Europapolitik auf ihr tägliches Leben nahebringen müssen, ohne dass die Komplexität der Institutionen in Brüssel erschlagend wird. Trotz dieser Herausforderungen wird Europaberichterstattung von den Medienhäusern eher stiefmütterlich behandelt. Die Brüsseler Redaktionen sind oftmals unterbesetzt, was tiefgreifende Recherchen und investigativen Journalismus erschwert – und in Verbindung mit dem Kostendruck schnell dazu führt, dass der Einfachheit halber auf nationale statt europäische Narrative zurückgegriffen wird.

Dauerschleife Krise? Ein Entkommen ist möglich

Dass es so nicht weitergehen muss, zeigt der Impulsbeitrag „Schlechte Nachrichten aus Brüssel? Die Medien und die EU“ von Dr. Claudia K. Huber für die Akademie Medienpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung. Anschließend an eine umfassende Analyse der Herausforderungen für Medien als „Vierte Gewalt“ in Europa formuliert Dr. Claudia Huber in ihrer Studie drei Empfehlungen, damit Medien ihrer Informations-und Bildungsverantwortung auch im europapolitischen Bereich gerecht werden:

  • die Aufstockung der Ressourcen für die Berichterstattung aus Brüssel,
  • die transnationale Zusammenarbeit zur Verbesserung der journalistischen Qualität und
  • eine stärkere Zusammenarbeit von Hauptstadt-und EU-Korrespondent_innen.

Der Impuls wurde auf einer medienpolitischen Veranstaltung der Politischen Akademie denkraum_medien: „Dauerschleife europäische Krise?“ in Köln im Januar 2019 vorgestellt und diskutiert.

Ansprechpartnerin in der Stiftung

Katrin Dapp

Huber, Claudia K.

Schlechte Nachrichten aus Brüssel?

Die Medien und die EU
Bonn, 2019

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