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Arbeitersportbewegung

Als Folge des ökonomischen und industriellen Fortschritts in Deutschland fand die Arbeitersportbewegung ihren Ursprung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Denn durch technische Veränderungen im Arbeitsalltag nahm die knapp bemessene Freizeit der Arbeiter_innen zu. Zunächst gingen die Arbeiter_innen in bürgerlichen Turnvereinen im Verband der Deutschen Turnerschaft (DT) sportlichen Betätigungen nach. Die stärker werdenden proletarischen Bewegungen und die sozialistischen Entwicklungen in der Politik provozierten Differenzen innerhalb der Sportvereine. Eine Mitgliedschaft in der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands konnte sogar zum Ausschluss aus den bürgerlichen Turnvereinen führen. Im Zuge dessen gründeten sich in den 1870er Jahren erste eigene Arbeitersportvereine, deren Existenz jedoch mit den Sozialistengesetzen von 1878 bis 1890 verboten wurde.

Nach der Aufhebung von Bismarcks Sozialistengesetzen organisierte sich die Arbeitersportbewegung ab 1890 anfangs in zahlreichen sozialistischen Turn- und Sportgruppen und gesammelt ab 1893 unter dem Deutschen Arbeiter-Turnerbund (ATB). Die Sport- und Kulturbewegung der Arbeiter_innen grenzte sich ideologisch von den bürgerlichen Sportverbänden ab. Vor allem das, mit dem Kapitalismus assoziierte, Streben nach Leistung und Konkurrenz als zentrale Bestandteile der Sportvereine der DT wurden zunächst kritisiert. Dagegen standen die körperliche Form der Arbeiter_innen und der Solidaritätsgedanke des Sportes in der Arbeitersportbewegung im Vordergrund. Obwohl Rekord- und Erfolgs-Gedanken im bürgerlichen Sport von der Arbeitergemeinschaft abgelehnt wurden, wurden auch hier bald Wettkämpfe abgehalten. Bei diesen Arbeitersportwettkämpfen sollten jedoch weiterhin Gemeinschaft und Solidarität neben Sport und Körperpflege im Mittelpunkt stehen.

Die Arbeitersportvereine waren als sozialdemokratische – und damit politische – Organisationen den Repressionen und der Unterdrückung des Staates ausgesetzt. Vor allem die Auf- und Teilnahme der Jugend in Arbeitersportvereinen, und damit die Begrenzung des konservativen Einflusses, besorgte die Regierung. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges beendete die Auseinandersetzungen zwischen Staat und Arbeitersport vorübergehend. Doch schon unmittelbar nach dem Krieg führten die politischen und revolutionären Entwicklungen zu weiteren Differenzen – auch innerhalb der Arbeitersportorganisationen. Der Vorstand des ATB schwankte zwischen parteipolitischer Neutralität und klarem Bekenntnis zum Sozialismus. Diese passive Haltung begünstigte Konflikte und Abspaltungen revolutionärer Arbeitergruppen vom, 1919 in Arbeiterturn- und Sportbund umbenannten, Dachverband der Arbeitersportbewegung.

Schließlich wurde im Juli 1925 die erste internationale Arbeiterolympiade ausgerichtet. Die Winterspiele fanden in Niederschlesien und die Sommerspiele in Frankfurt am Main statt. Neben Radsport und Leichtathletik waren auch Schießen und Schach als Disziplinen bei den Spielen vertreten. Mit Ausnahme der leichtathletischen Wettkämpfe konnten die deutschen Athlet_innen die erste Arbeiterolympiade überwiegend zu ihren Gunsten entscheiden. Diese internationale Veranstaltung der Arbeitersportbewegung symbolisierte Solidarität, Einigkeit und Leistungsfähigkeit über Ländergrenzen hinweg. In der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) erhielt die Arbeiterolympiade jedoch kaum Aufmerksamkeit. Das Parteiorgan, der „Vorwärts“, berichtete nur am Rande über die Olympiade, was die Distanz zwischen Arbeitersportbewegung und SPD widerspiegelte. Dennoch wurden die Spiele als herausragende körperliche und kulturelle Leistung gewürdigt. Die friedlich abgehaltenen Wettkämpfe waren ein Zeichen der Gemeinsamkeit und des Sozialismus. Trotz zum Teil unterschiedlicher ideologischer Vorstellungen verstärkten sich die Beziehungen der deutschen Arbeitersportorganisationen nach der Olympiade 1925. Für gemeinsame Ziele wurde gemeinsam gekämpft. Bei Auseinandersetzungen und Differenzen wurden Kompromisse und Vereinbarungen angestrebt.

Die internationale Zusammenarbeit ebnete den Weg zu weiteren Arbeiterolympiaden: 1931 in Österreich und im Jahr 1937 im niederländischen Antwerpen und im tschechischen Janské Lázně – allerdings ohne deutsche Beteiligung. Mit dem Verbot sozialistischer Organisationen setzte das nationalsozialistische Regime der weiteren Entfaltung der Arbeitersportbewegung 1933 ein jähes Ende. Ferner konnte die für 1943 geplante vierte internationale Arbeiterolympiade aufgrund der kriegsbedingten Entwicklungen nicht stattfinden.

Zahlreiche Plakate, Flugblätter und Fotos aus dieser frühen Zeit der Arbeiterbewegung befinden sich im Sammlungsbereich des Archivs der sozialen Demokratie. Eine Recherche ist über den iServer möglich.

Publikationen der Arbeitersportler_innen selbst und Literatur zu deren Geschichte sowie publizierte Verzeichnisse zu (A)RKB und ATSB finden Sie im Katalog der Bibliothek.

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