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100 Jahre Arbeiterwohlfahrt

Vor 100 Jahren, am 13. Dezember 1919, rief der Parteiausschuss der SPD die Arbeiterwohlfahrt ins Leben. Die neue Organisation sollte alle Aktivitäten der Sozialdemokratie auf dem Gebiet von Wohlfahrtspflege und Fürsorge bündeln. Sie gab das programmatische Ziel aus, die staatlichen Angebote auszubauen und einen Rechtsanspruch auf umfassende soziale Leistungen zu verwirklichen. Gleichzeitig war die Arbeiterwohlfahrt, wie Reichspräsident Friedrich Ebert in einer Grußbotschaft formulierte, als „soziale Selbsthilfe der Arbeiter“ konzipiert. Da der Staat sowohl organisatorisch als auch finanziell nie in der Lage war, alle sozialen Notlagen abzustellen und individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen, waren und sind Wohlfahrtsverbände wie die AWO seit den 1920er-Jahren zentrale Stützen des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Deutschland.

Bevor der AWO Bundesverband im Herbst 2005 von Bonn nach Berlin umzog, übergab er sein Archiv sowie seine Fachbibliothek dem AdsD. Diese umfangreichen Bestände wurden archivalisch erschlossen bzw. dem Bibliotheksbestand zugeordnet und stehen für Forschungen und sonstige Nutzung bereit. Sie umfassen nicht nur Protokolle, Verwaltungsakten und Korrespondenz (u.a. von Marie Juchacz und Lotte Lemke), sondern auch Zeitschriften, Broschüren und Fotos. Viele Dokumente wurden zur Bestandserhaltung bereits digitalisiert, ein Teil der Publikationen ist auch online frei abrufbar.

Heute betreibt die AWO bundesweit rund 18.000 Einrichtungen und soziale Dienste. Über 220.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie rund 70.000 Ehrenamtliche pflegen und betreuen, fördern und beraten täglich Hunderttausende, für die diese Unterstützung lebensnotwendig ist. Die Anfänge waren ungleich bescheidener. Wie der Stummfilm „Sozialistische Fürsorgeerziehung“ von 1930 dokumentiert, wurde das Engagement von einem reformpädagogischen Impuls und einer Kritik an bestehenden Fürsorgeeinrichtungen getragen. Schweigepflicht beim Essen, Kostentziehung und Dunkelhaft als Bestrafung – diese zeitgenössischen Erziehungsmethoden erschienen der Arbeiterwohlfahrt skandalös. Auf dem „Immenhof“ in der Lüneburger Heide betätigten sich die Fürsorgezöglinge stattdessen in der freien Natur und erhielten zugleich eine Berufsausbildung. Durch die Betreuung von Kindern in den Ferien sammelten sie praktische Erfahrungen.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 beendete jäh alle Aktivitäten und Reformpläne. Der Immenhof und zahlreiche weitere Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt wurden beschlagnahmt und in den Dienst des neuen Regimes gestellt. Die Organisation wurde verboten, die Mitglieder verfolgt.

Nach Kriegsende 1945 musste sie deshalb unter schwierigen sozialen Bedingungen den Neuaufbau von unten bewerkstelligen. Immerhin erhielt sie den Immenhof zurück, der noch bis in die 1990er-Jahre eine zentrale Einrichtung für die Aus- und Weiterbildung blieb. Insgesamt konnte die Arbeiterwohlfahrt in der Bundesrepublik eine beeindruckende Ausweitung ihres Wirkradius verzeichnen. Neue Tätigkeitsfelder und soziale Dienste kamen stetig hinzu, die Zahl der Mitglieder und Beschäftigten stieg rasant an. Die sich häufig ändernden sozialen und  politischen Rahmenbedingungen verlangten der Organisation permanente Lernbereitschaft, Wandlungsfähigkeit und die Bereitschaft zu demokratischen Aushandlungsprozessen ab, um als Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege erfolgreich bis in die Gegenwart hinein zu bestehen.

Der Film „Sozialistische Fürsorgeerziehung“ sowie zahlreiche weitere Videos aus der Geschichte der Arbeiterwohlfahrt werden im Bild- und Tonarchiv des AdsD aufbewahrt. Da sich die Abspielformate mit dem technischen Fortschritt häufig änderten und die Datenträger sehr empfindlich sind, ist die archivalische Lagerung besonders aufwändig. Die Digitalisierung dieser Bestände, die auch angesichts der wachsenden Bedeutung audiovisueller Medien wünschenswert erscheint, ist deshalb eine langfristige und kostspielige Herausforderung.

Archiv der sozialen Demokratie

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