Ballonaktion des SPD-Ostbüros

 

Als im Frühjahr 1955 der DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl in Magdeburg bei einer Veranstaltung auftrat, regneten plötzlich Flugblätter der SPD auf die Teilnehmer herab. Organisiert wurde die Aktion vom SPD-Ostbüro, einer Einrichtung des SPD-Parteivorstands in Hannover. Das Ostbüro sollte dazu dienen den Kontakt und Informationsaustausch zu Sozialdemokrat_innen in Ost-Deutschland trotz angespannter politischer Lage zu ermöglichen.

Zu diesem Zweck ließen Mitarbeiter und Unterstützer ab Anfang der 1950er Jahre monatlich tausende, teils metergroße wasserstoffgefüllte Ballons in die Luft steigen. Bei guten Wetterbedingungen flogen die Ballons von circa 20 sogenannten Ballonbasen über die Grenze in die DDR, wo sie platzten und Flugblätter, Broschüren oder Tarnschriften fallen ließen. Allein im Juli 1953 startete die auf dem Foto abgebildete Ballonbasis 20 in Tann (Rhön) 6.245 Ballone, wie in Berichten an das SPD-Ostbüro akribisch notiert wurde.

Das SPD-Ostbüro war im April1946 unmittelbar nach der Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED gegründet worden. Zu den Aktivitäten des Ostbüros gehörte zunächst die Betreuung tausender SPD-Mitglieder, die in den Westen flohen. So nannte sich das Ostbüro der SPD treffenderweise in seinen Anfangsjahren auch „Flüchtlingsbetreuungstelle-Ost“. Außerdem beschaffte das Ostbüro Informationen über die politische und wirtschaftliche Situation in der SBZ (und später in der DDR) durch die Auswertung von Zeitungen, die Befragung von Flüchtlingen und durch Informanten im Osten. Gerade die Mitarbeiter, Unterstützer und Informanten des Ostbüros in der SBZ beziehungsweise DDR setzten sich einem hohen Risiko aus, da sie dort illegal arbeiteten. Viele Unterstützer wurden verfolgt, verhaftet und zur Abschreckung zu teils jahrelangen Haftstrafen verurteilt.

Das Informations- und Propagandamaterial, das das Ostbüro in den Osten einschleuste, wurde deshalb später durch selbstgebaute Raketenwerfer über die Grenze geschossen oder durch Ballons weit hinter der Grenze fallengelassen. Teilweise kamen auch Zeitschaltuhren zum Einsatz, mit deren Hilfe der Abwurfzeitpunkt präziser festgelegt werden konnte.

Nach dem Mauerbau fanden weiterhin Ballonaktionen statt, aber in weitaus kleinerem Umfang. Im Oktober 1967 wurden die Ballonaktionen des SPD-Ostbüros schließlich ganz beendet. Das Politische Klima hatte sich im Zuge der neuen Ostpolitik geändert, und das SPD-Ostbüro wurde 1971, das Berliner Büro 1981 geschlossen.

Nach seiner Auflösung wurden die Akten des Ostbüros zunächst beim SPD-Parteivorstand verwahrt und später dem Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung (AdsD der FES) übergeben (Umfang: ca. 360 lfm.). Damit ergänzt der Bestand die Überlieferung des SPD-Parteivorstands, dessen Altregistratur sich ebenfalls im AdsD befindet. Die Laufzeit dieser Akten reicht vom SPD-Exil-Vorstand während des Nationalsozialismus von 1933 über die Akten des Büros Kurt Schumacher bis zu jüngsten Abgaben aus dem Jahr 2019.

Darüber hinaus befinden sich die Überlieferungen der SPD-Bundestagfraktion, der meisten SPD-Parlamentsfraktionen der Bundesländer, regionaler Parteigliederungen von Landesverbänden bis hin zu Ortsvereinen im AdsD. Die Geschichte der SPD im Osten Deutschlands wird ab 1989 abgebildet, so beispielsweise durch die Altregistratur der SDP und der SPD-Fraktion in der Volkskammer der DDR.

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