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"Morgen werde ich gehängt, schafft die Einheit!" Dieser Ausspruch wird Wilhelm Leuschner (1890–1944) zugeschrieben, der vor 75 Jahren aufgrund seiner Beteiligung am Attentat auf Hitler zum Tode verurteilt und hingerichtet worden war. Seine Forderung wurde einem Vermächtnis gleich zu einem Leitgedanken des Neuaufbaus der deutschen Gewerkschaftsbewegung nach 1945. Hier spiegelt sich die Überzeugung wider, dass die nationalsozialistische Zerschlagung der Gewerkschaften 1933 möglicherweise erschwert worden wäre, wenn damals eine einheitlichere gewerkschaftliche Gegenbewegung bestanden hätte.
Der „Deutsche Gewerkschaftsbund“ gab 1995 das DGB-Archiv an das Archiv der sozialen Demokratie nach Bonn. Mehr als zwischenzeitlich 30.000 erschlossene Archivalien (z.B. Schriftgut der DGB-Bundesvorstandsverwaltung, verschiedener DGB-Landesbezirke und Vorläuferorganisationen wie des „Deutschen Gewerkschaftsbundes“ der britischen Besatzungszone) erlauben den Nutzern einen Blick in die gewerkschaftliche Politik und Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Schon am 18. März 1945 – also noch vor Unterzeichnung der deutschen Kapitulation im Mai 1945 – bildeten sozialdemokratische, kommunistische und christliche Gewerkschafter_innen in Aachen mit dem „Freien Gewerkschaftsbund Aachen“ die erste Einheitsgewerkschaft auf deutschem Boden. Zentrale Bedeutung kam der Programmforderung zu, „parteipolitische Tendenzen grundsätzlich aus der Gewerkschaftsbewegung fernzuhalten.“ Weiterhin waren der Kampf gegen Militarismus und Faschismus, das Eintreten für eine friedliebende Welt und die Wiedereinsetzung der durch Hitler beseitigten sozialpolitischen Regelungen der Vorkriegszeit von zentraler Bedeutung.
Einen Hemmschuh für den Aufbau eines einheitlichen Gewerkschaftswesens in Deutschland bildete zwischen 1945 und 1949 die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen. Die Besatzungsmächte setzten in ihrem jeweiligen Gebiet ihre Vorstellung vom organisatorischen Neuaufbau staatlicher und gesellschaftlicher Ordnung um. Wurde in der britischen Zone eine Struktur gewählt, in der die verschiedenen Einzelgewerkschaften vom Dachverband „Deutscher Gewerkschaftsbund“ überwölbt wurden, so entstand in der amerikanischen und französischen Zone nur eine dezentrale Gewerkschaftsstruktur: In der US-Zone (Hessen, Bayern, Württemberg-Baden) und der französischen Zone (Südbaden, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern) wurde nur jeweils auf Länderebene die Aufnahme gewerkschaftlicher Arbeit zugelassen.
Auch in der britischen Zone wurde erst im Frühjahr 1947 ein – in den Augen deutscher Gewerkschafter_innen – unvollkommener Schritt in Richtung „Einheitsgewerkschaft“ vollzogen: Nicht eine gewerkschaftliche Zentralorganisation (mit den Wirtschaftsbereichen zugeordneten Abteilungen) wurde realisiert, sondern „nur“ die Bildung eines Dachverbands, dem die weitestgehend autonomen Spartengewerkschaften zugeordnet waren. Das lokale Entstehen und Wirken hatte – ohne eine überörtliche gewerkschaftliche Steuerung – zu deren unstrukturiertem Aufbau geführt.
Die Bildung des „Vereinigten Wirtschaftsgebietes“ 1947 aus britischer und US-amerikanischer Zone (Bizone) sowie der Beitritt der französischen Besatzungszone 1948 (Trizone) erforderten eine auch immer stärkere Kooperation der regionalen Gewerkschaftsstrukturen. Im August 1947 erstellten Vorstände der Gewerkschaftsbünde beider Zonen Richtlinien, in denen der Wunsch vorangestellt wurde, „sobald als möglich für alle Zonen einen gemeinsamen Deutschen Gewerkschaftsbund zu errichten.“ Sei dies zeitnah nicht möglich, müsse „die Frage einer überzonalen Vereinigung der Gewerkschaften im Rahmen des Erreichbaren aufs Neue zur Beratung aufgenommen werden.“ So bildete sich am 6. November 1947 der „Gewerkschaftsrat der vereinten Zonen“, dem ein Jahr später auch die Gewerkschaftsbünde der französischen Zone beitraten. Der deutschlandweite Prozess, die Vielgestalt gewerkschaftlicher Organisation im einzelgewerkschaftlichen Bereich und die Diskussion grundsätzlicher Fragen (z.B., ob Angestellte selbständig gewerkschaftlich organisiert werden sollten) führten 1948/49 zu starken gewerkschaftsorganisatorischen Diskussionen.
In Vorbereitung der Gründung des DGB wurde im März 1949 aus Gewerkschaftsvertreter_innen aller Zonen ein „Vorbereitender Ausschuss für den Gründungskongress“ gebildet, der über die Satzung, andere organisatorische Grundfragen und Grundziele des künftigen Dachverbands beriet. Nach Schaffung notwendiger Beratungsgrundlagen wurde der Gründungskongress für den 12.–14. Oktober 1949 nach München einberufen. In den Wochen zuvor beschlossen die bisher bestehenden Dachverbände ihre Selbstauflösung, um sich neu konstituieren zu können. In seiner Eröffnungsansprache vor dem ersten „Parlament der Arbeit“ am 12. Oktober 1949 in München erklärte Hans Böckler:
"Vom Kleinen zum Großen und von der Vielfalt zur Einheit! Damit folgten die Gewerkschaften dem Gebote der Zeit. […] Heute stehen die arbeitenden Menschen ohne Rücksicht auf parteipolitische und weltanschauliche Unterschiede in echter Verbundenheit zusammen. Wir haben den ehrlichen Willen, die Gewerkschaften so zu gestalten, daß sie allen Arbeitnehmern künftig eine echte Heimat sind. Denn wir alle wissen oder empfinden es wenigstens, daß die Einheit und Einigkeit der arbeitenden Menschen der Kraftquell ist, aus dem zu schöpfen den Entrechteten und Enterbten immer möglich sein wird, wenn es gilt, ihr Los zu bessern durch den Kampf um einen größeren Anteil an den materiellen wie auch den geistigen und kulturellen Gütern des Lebens."
Am 13. Oktober 1949 gründeten die westdeutschen Gewerkschaften den „Deutschen Gewerkschaftsbund“. Die delegierten Gewerkschafter_innen unterzeichneten die Gründungsurkunde, die sich im DGB-Archiv befindet. Nach der Verabschiedung der Satzung, dem Gründungsakt und den Wahlen zum Bundesvorstand – mit Hans Böckler als erstem DGB-Vorsitzenden – wurden verschiedene Richtlinien zur gewerkschaftlichen Politik und zur Arbeit in verschiedenen Berufsbereichen beschlossen. Forderungen nach verantwortlicher volkswirtschaftlicher Arbeit, Mitbestimmung der organisierten Arbeiterschaft bei Fragen der Wirtschaftsführung und Wirtschaftsgestaltung, Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum und eine sozial gerechte Politik wurden zu Triebfedern gewerkschaftlicher Politik der Folgezeit.
Archiv der sozialen Demokratie
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Literatur zu Wilhelm Leuschner
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