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„Als wir durch Andernach zur Insel gingen, standen am Bahnhof kleine Jungen mit Spielzeugpistolen, mit denen sie auf uns zielten. Die Eltern standen hinter den Gardinen und warteten darauf, wie wir reagieren würden. Aber wir haben uns nicht provozieren lassen. Wir haben das Lied angestimmt: Nie woll´n wir Waffen tragen, nie woll´n wir wieder Krieg.“ So schilderte eine Teilnehmerin der Kinderrepublik Namedy von 1929 den nicht gerade freundlichen Empfang durch einige Andernacher.
Kinderrepubliken – was war das? Eine Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde Deutschlands wird 1923 unter Mitarbeit von SPD, Gewerkschaften, Arbeiterwohlfahrt, Sozialistischer Arbeiterjugend und sozialdemokratischen Lehrer_innen gebildet. Sie geht auf eine ähnliche sozialdemokratische Erziehungsbewegung zurück, die 1908 bereits in Österreich entstanden war.
Neben umfangreichen Materialien zu den Kinderfreunden beispielsweise im Seliger-Archiv, bewahren wir im Archiv der sozialen Demokratie auch viele weitere Bestände mit Bezug zur Arbeiterjugendbewegung von den Anfängen bis heute: Hierzu zählen neben dem Internationalen Sozialistischer Kampfbund (ISK) und der Internationale Jugendbibliothek (IJB) Kleinstbestände der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ), Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken (SAJ/SJD) und einiger Hochschulgruppen und Jungsozialisten. Alle Bestände sind online auf unserem iServer recherchierbar.
In der Bibliothek der FES finden sich darüber hinaus zahlreiche Publikationen zur Geschichte der Arbeiterjugendbewegung allgemein, aber auch zu vielen einzelnen Kleinstorganisationen sowie deren jeweiligen Presseorganen.
Die Bewegung der Kinderfreunde, geführt von dem Pädagogen Kurt Löwenstein (1885—1939), zählte auf ihrem Höhepunkt in der Weimarer Republik 200.000 Kinder und 10.000 Helfer_innen als Mitglieder. Nach seinen Tätigkeiten als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Lehrer und Lehrerinnen und Vorstandsmitglied des Reichsausschusses für sozialistische Bildungsarbeit in der SPD, hatte dieser 1924 den Vorsitz der Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde übernommen.
Die Kinder – Nestfalken (6–10 Jahre), Jungfalken (10–12 Jahre) und Rote Falken (12–16 Jahre) – sollten in ihrer Freizeit und in den Ferien im Geiste der Solidarität, der sozialen Demokratie, des Internationalismus und der Friedensliebe erzogen werden. Sie sollten soziale, organisatorische und politische Fertig- und Fähigkeiten erwerben und das möglichst, so Löwensteins Konzept, in gemeinschaftlicher Selbstorganisation. Die Zeltlager, oft bis zu 2.500 Mädchen und Jungen, spielten eine zentrale Rolle in diesem Konzept, konnten sie doch zeigen, wie Kinder Selbstverwaltung praktizierten, ohne dass die Helfer_innen besonders in Erscheinung traten.
In Anlehnung an die parlamentarische Demokratie wurden die Großzeltlager „Kinderrepubliken“ genannt, deren Verfassung mit dem Satz begann: „Die Staatsgewalt geht vom Kinde aus.“ In der ersten Woche, nach zwei Tagen Wahlkampf, wurde ein Lagerparlament gewählt, in dem die Kinderabgeordneten die Mehrheit besaßen und bindende Beschlüsse fassen konnten. Die Erwachsenen traten nur als Sachverwalter auf, zuständig für Veranstaltungen, Ernährung, Post oder Ähnliches. Ein früheres Mitglied: „Diese Gemeinschaft, die wir hatten, das war so wichtig. Und wir bekamen Augen für die Natur. Und dann bekamen wir immer gesagt: Einer für den anderen! Was du nicht willst, das man dir tut, das füg‘ auch keinem andren zu. Das sind Leitmotive, die hab ich behalten. Die hab ich versucht, auch an meine Kinder weiterzugeben.“
Damit folgte dieses, wie auch alle weiteren Zeltlager der Kinderfreunde, dem Konzept Kurt Löwensteins.
Mit dem Verbot der SPD am 22. Juni 1933 endete auch die kurze Geschichte der Kinderfreunde und ihrer Kinderrepubliken, die Zeltlagertradition wurde jedoch bereits 1946 wieder aufgenommen und seitdem gepflegt und zwar von der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken.
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