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„Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“ Mit diesen Worten begründete Otto Wels am 23. März 1933 das „Nein“ der Sozialdemokraten zum Ermächtigungsgesetz, das einen Tag später verabschiedet werden sollte. Von den 94 Sozialdemokraten, die geschlossen und als einzige Partei gegen das Ermächtigungsgesetz stimmten, bezahlten 24 mit ihrem Leben. Am 22. Juni 1933 wurde die SPD schließlich durch Reichsinnenminister Wilhelm Frick als „volks- und staatsfeindliche Organisation“ verboten.
Das Originaltonband zur "Reichstags-Rede, 23. März, zum Nationalistischen Ermächtigungsgesetz" (Abbildung) ist mit Sicherheit eines der beeindruckendsten Tonbänder in den Beständen unseres Tonarchivs. Die Bestände können online auf unserem iServer durchsucht werden.
Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933, beziehungsweise das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“, wie es offiziell verharmlosend hieß, hob die Gewaltenteilung auf und war somit der zentrale Schritt zur endgültigen Machtübernahme Hitlers und zur Etablierung der nationalsozialistischen Diktatur.
Ihm vorausgegangen waren die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 und einen Tag nach dem Reichstagsbrand die „Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar, die bereits wichtige Grundrechte, wie das Versammlungsrecht und die Pressefreiheit, außer Kraft gesetzt hatte. Die anschließenden Reichstagswahlen vom 5. März – die letzten, an denen mehr als eine Partei teilnehmen sollte –, fanden bereits unter enormen Druck durch Einschüchterung, Verfolgung und Gewalt gegen andere politische Parteien und Wähler statt. Das Wahlergebnis fiel daraufhin zwar mit einer klaren Mehrheit für die Regierung Hitler (43,9% NSDAP, 8% „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot“) aus, erbrachte damit aber noch nicht die für das geplante Ermächtigungsgesetz benötigte Zweidrittelmehrheit. Um diese zu erreichen wurden Mandate von Abgeordneten, die nicht anwesend waren – dies betraf vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten, die in inhaftiert, auf der Flucht oder überfallen worden waren – für nichtig erklärt, weitere Abgeordnete hielten dem Druck, etwa durch Morddrohungen, nicht stand, andere Stimmten aus freien Stücken für das Gesetz.
Die Abstimmung fand in der Kroll-Oper statt, die aufgrund des Reichstagsbrands als Provisorium diente und von der SS abgesperrt wurde. Abgeordnete wie Otto Wels, die nicht dem Regierungslager angehörten, mussten unter Beschimpfungen von Nationalsozialisten ins Gebäude dringen. Im Innern waren vor allem an den Ausgängen und Plätzen der Sozialdemokraten die schwerbewaffneten Mitglieder der SS und SA positioniert, über dem Podium trumpfte eine riesige Hakenkreuzflagge. Hitler wurde für seine erste Rede vorm Reichstag bejubelt, anschließend trugen die Vorsitzenden der Parteien ihre Begründungen zur Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz vor. Das Gesetz und die nationalsozialistische Diktatur unter Hitler waren längst nicht mehr aufzuhalten, die Machtverhältnisse eindeutig – in dieser Situation tritt Otto Wels ans Rednerpult. Es sind die letzten freien Worte, die für 13 Jahre in einem deutschen Parlament erklingen sollten:
„Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht. […] Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten. [...] Das Sozialistengesetz hat die Sozialdemokratie nicht vernichtet. Auch aus neuen Verfolgungen kann die deutsche Sozialdemokratie neue Kraft schöpfen. Wir grüßen die Verfolgten und Bedrängten. Wir grüßen unsere Freunde im Reich. Ihre Standhaftigkeit und Treue verdienen Bewunderung. Ihr Bekennermut, ihre ungebrochene Zuversicht verbürgen eine hellere Zukunft.“
Am 23. März 1933 hielt der SPD-Vorsitzende Otto Wels vor dem Deutschen Reichstag seine historische Rede gegen das nationalsozialistische Ermächtigungsgesetz. Sie ist ein Manifest der Verteidigung von Rechtsstaatlichkeit und des Parlamentarismus. Das Eintreten für Freiheit und Gerechtigkeit erforderte angesichts des braunen Terrors großen Mut und bewies demokratische Standfestigkeit.
Heinrich August Winkler, Die Ehre der deutschen Republik. Zum 80. Jahrestag der Rede von Otto Wels gegen das Ermächtigungsgesetz, Reihe Gesprächskreis Geschichte (100), 2013.
Die Vortragsreihe „Profile des Parlaments“ lädt ein zu einer Zeitreise ganz besonderer Art. Die Idee, anhand herausragender Politiker die demokratische Entwicklung Deutschlands von der Weimarer Zeit bis heute nachzuzeichnen, hat sich als überaus fruchtbar erwiesen. Politiker werfen einen Blick auf die Arbeit ihrer „Kollegen“ von einst. Entstanden ist ein Reigen interessanter Biografien, die eindrucksvolle Einblicke in das Funktionieren, aber auch das Scheitern des deutschen Parlamentarismus vermitteln.
Manfred Stolpe, Otto Wels und die Verteidigung der Demokratie. Vortrag im Rahmen der Reihe „Profile des Parlaments“ der Evangelischen Akademie zu Berlin am 14. Februar 2002, Reihe Gesprächskreis Geschichte (45), 2002.
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