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„Von dieser Stelle aus möchte ich an alle Organisationen, Institutionen, Mitarbeiter und Mitglieder der deutschen Arbeiterbewegung die Bitte richten, die in ihrem Besitz befindlichen Unterlagen, die für die Erforschung der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung von Wichtigkeit sind, dem „Archiv der sozialen Demokratie" der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Verfügung zu stellen. Durch gemeinsame Mitarbeit werden in kurzer Zeit in diesem Archiv alle historisch relevanten Auskünfte zusammengefaßt sein – auch über die kleinsten Arbeitervereine, wie es Johann Jacobi einst anregte.“ Als Willy Brandt im Dezember 1967 zur Grundsteinlegung des AdsD diesen Satz äußerte, konnte er nicht ahnen, dass das Archiv tatsächlich schon bald mit Hilfe eines Zufallsfunds um einen bedeutenden, längst verloren geglaubten Bestand ergänzt werden würde. Wie genau es dazu kam, das ist die Geschichte dieses Fotos.
Das Foto wurde am 11. September 1967 im Keller des Gewerkschaftshauses in Stockholm gemacht. Es zeigt eine Reihe von älteren Akten, hinter denen ein Mann mit Mantel sitzt: Vor ihm stehen aufgereiht die seit 1939 verschollen geglaubten Akten der SOPADE, wie sich der SPD-Parteivorstand während des Exils 1933 bis 1945 nannte, aus der Zeit des Prager Exils 1933 bis 1938. Diese Unterlagen waren 1938 in 15 Kisten nach Kopenhagen geschmuggelt worden, in die Hände der Dänischen Sozialdemokraten. Aus Sorge um das weitere Ausgreifen Deutschlands auf seine Nachbarländer waren die Akten ein Jahr später bereits nach Stockholm zur Schwedischen Arbeiterpartei weitergegeben worden, wo sich die Spur verlor.
Bereits unmittelbar nach dem Krieg begann die SPD, ein neues Parteiarchiv aufzubauen, dessen Basis die Exilakten bilden sollten: Die Akten aus London (die auch die Unterlagen aus dem Exil in Paris beinhalteten) wurden schon zur Jahreswende 1945/46 geholt, doch die in Stockholm erwiesen sich als unauffindbar. Erste Bemühungen 1948 ergaben nichts, zwei der 15 Kisten konnten 1953 im Keller des schwedischen Gewerkschaftshauses gefunden und nach Bonn an den Parteivorstand überstellt werden. Mitte der 1960er Jahre unternahm der Parteiarchivar Paul Mayer einen neuen Versuch. Auch dieser verlief zunächst im Sande. Doch schließlich half das Glück nach: Im Keller des Stockholmer Gewerkschaftshauses kam beim Forträumen alter Gegenstände hinter einem vollgestellten Regal eine kleine Tür zum Vorschein. Der Kellerraum war 1939 geteilt und die Akten im hinteren, kleinen Teil versteckt worden. Das Regal hatte all die Jahre die Tür verdeckt. Dieser Vorgang war über die Jahre in Vergessenheit geraten. Sogar als man 1953 bei einer intensiven Suche zwei Kisten fand, die nicht mehr in den hinteren Raum hineingepasst hatten, kam niemand dem Versteck auf die Spur. Das spricht dafür, wie stark konspirativ-geheim alle Rettungsaktionen der Unterlagen der SPD gehalten wurden.
Auf dem abgebildeten Foto sieht man Karl Ilgner (5.11.1895, Magdeburg – Oktober 1968, Stockholm), der diese Unterlagen gesucht hatte. Er war in der Weimarer Demokratie Justiziar des Reichsbanner Schwarz – Rot – Gold gewesen und hatte die Mitglieder vor Gericht gegen die Nationalsozialisten verteidigt. Daneben hatte sich Ilgner auch als Redakteur betätigt. Mit dieser Arbeit hielt er sich zunächst im Prager und dann Stockholmer Exil über Wasser und baute sich eine neue Existenz auf. Er hatte bereits bei der Übergabe der Akten durch den schwedischen Ministerpräsidenten Tage Erlander an Willy Brandt als Außenminister der Bundesrepublik im Februar 1968 nicht mehr teilnehmen können und verstarb einige Monate später.
Ilgners Einsatz kann bis heute nicht genug gewürdigt werden, denn nur durch seinen Aktenfund ist der Grundstock dieses Archivs - die Exilakten der SPD - vollständig.
Das letzte Wort sei deshalb noch einmal bei Willy Brandt, dessen Appell ich mich auch für die Zukunft nur anschließen kann:
„Dieses Archiv, für dessen Errichtung ich mich als Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands nachdrücklich eingesetzt habe, versteht sich zunächst als Sammelstelle von Quellenmaterial zur Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung. Es soll darüber hinaus Forschungen anregen und selber betreiben. […] Ich hoffe, daß sich nicht nur die in Betracht kommenden Organisationen, sondern auch viele einzelne entschließen werden, dem „Archiv der sozialen Demokratie" Dokumente und Materialien zu übergeben, die für die Geschichte der Arbeiterbewegung Bedeutung haben. Jedenfalls möchte ich von dieser Stelle aus recht herzlich darum bitten.“
Archiv der sozialen Demokratie
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archiv.bibliothek(at)fes.de
Anschrift
Godesberger Allee 149 53175 Bonn
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