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In der Novemberrevolution waren Jüdinnen und Juden zentrale Akteure, auch wenn diese sich selbst teilweise nicht als solche wahrgenommen haben. Rosa Luxemburg (1871–1919) und Kurt Eisner (1867–1919) sind zwei dieser Figuren innerhalb der revolutionären Ereignisse in Berlin und München. Beide verbanden mit der Revolution die Hoffnung auf Veränderung, auf eine neue und womöglich bessere Welt.
Der folgende Beitrag soll sich mit diesen prominenten revolutionären Figuren der deutschen Arbeiterbewegung auseinandersetzen. Als polnische Jüdin erlebte Luxemburg des Öfteren antisemitische Anfeindungen und auch Eisner, der in Berlin geborene Jude, wurde in seinem Leben mehr als einmal ex negativo mit dieser Identität konfrontiert, die ihm selbst immer weniger bewusst und wichtig war. Beide sind in der Sozialdemokratischen Partei aktiv geworden, denn keine andere politische Kraft vermochte so viel Inklusion und eine gleichberechtigte Zukunft für alle Menschen zu versprechen wie die Sozialdemokratie.
Der sogenannte „Burgfrieden“ und die damit verbundene Zustimmung zu den Kriegskrediten machten zu Beginn des Ersten Weltkriegs deutlich, dass nicht alle Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dieselben Vorstellungen zu Krieg und Imperialismus teilten. Eine kleine Gruppe ausgesprochener Kritikerinnen und Kritiker, zu denen auch Luxemburg und Eisner gehörten, meldete sich offensiv und entgegen der offiziellen Parteilinie zu Wort. Sie waren nicht bereit, die Fortsetzung des Krieges zu akzeptieren und den innenpolitischen „Frieden“ zu unterstützen. Während Eisner in seinem „Arbeiter-Feuilleton“ (1909–1917) versuchte, den Krieg und diejenigen zu diskreditieren, die von diesem profitierten, richtete sich Luxemburgs Groll, den sie in der „Junius-Broschüre“ (1916) zum Ausdruck brachte, vor allem gegen die Sozialdemokratie selbst.
Die Sozialdemokratie spaltete sich schließlich in eine Mehrheitspartei (MSPD) und eine unabhängige Partei (USPD) auf; die Haltung zum Krieg war schließlich das scheidende Element. Rosa Luxemburg konnte diese Ereignisse lediglich beobachten und kommentieren, war sie doch bereits seit 1915 in Haft. Seit der Spaltung nahm Kurt Eisner dagegen aktiv an den Geschehnissen teil und etablierte die Münchner USPD zusammen mit vielen jungen Kräften der Sozialdemokratie, die er in der bayerischen Landeshauptstadt um sich versammelte. Im Januar 1918 rief Eisner im Zuge einer landesweiten Erhebung der Arbeiterschaft zum Streik auf. Dieser endete allerdings nicht – wie zunächst noch gehofft – mit offener Revolution. Nachdem führende Köpfe des Streiks, darunter Eisner selbst, kurz nach dem Ende der Proteste verhaftet worden waren, verlief die Aktion schließlich endgültig im Sand.
Wie Luxemburg in ihrer Zelle, setzte sich auch Eisner während seiner Haft inhaltlich mit der Sozialdemokratie auseinander. Auch der Russischen Revolution widmete sich der USPD-Politiker. Allerdings schrieb er im Gegensatz zu Luxemburg keine politisch-wissenschaftliche Abhandlung, sondern verarbeitete die russische Februarrevolution 1917 in seinem dramatischen Einakter „Der Ifrit“. Wenn man die theoretischen Überlegungen Luxemburgs und Eisners vergleicht, dann wird deutlich, dass beide nicht an einer diktatorischen Korrumpierung des Revolutionsprozesses interessiert waren – etwas, das beiden mitunter bis heute vorgeworfen wird. Beide erhofften sich vielmehr die Materialisierung echter Freiheit und die Genese einer besseren, da klassenlosen, Gesellschaft im Zuge der revolutionären Veränderungen.
Die Realitäten waren freilich anders und die seit Oktober 1917 um sich greifende Bolschewismusfurcht, die sich im „Judäobolschewismus“ mit antisemitischen Ressentiments und Stereotypen verband, wurde zu einem der Elemente, die die revolutionären Aktionen diskreditieren sollten. Ziel der Hetze waren Jüdinnen und Juden bzw. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, später dann auch Kommunistinnen und Kommunisten, die in der Revolutionszeit verstärkt ins politische Rampenlicht getreten sind. Luxemburg und Eisner wurden in diesem Zusammenhang vor allem mit dem Vorwurf konfrontiert, als bolschewistische Agentin und Agent zu agieren, in der Absicht, Deutschland und Bayern zu schwächen, durch eine Fortsetzung der Revolution nach November 1918 zu radikalisieren und für eine feindliche Übernahme durch das internationale Judentum vorzubereiten – sei es in Form der plutokratischen Eliten des Westens oder der bolschewistischen „Horden“ des Ostens. Die revolutionäre Aufbruchstimmung in Deutschland wurde folglich durch die Erfahrung der Russischen Revolutionen seit 1917 diskreditiert und die antisemitischen Anfeindungen, die damit einhergingen, nahmen stetig zu. Gerade in Eisners Fall lassen sich letztere auch in zahlreichen Schmäh- und Drohbriefen belegen. Auch nach der Ermordung Luxemburgs am 15. Januar 1919 wurde dem Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern mit einem ähnlichen Schicksal gedroht, das sich etwa einen Monat später auch bewahrheiten sollte. Zugleich kursierte ein Gerücht, demzufolge Eisner ein landfremder Jude aus Galizien sei, der eigentlich Kusmanowski hieße. Dieses Gerücht hielt sich auch nach Eisners Tod und wurde besonders in der nationalsozialistischen Propaganda immer wieder aufgegriffen, wenn die Diskreditierung der Revolution als ein von Juden gemachtes Ereignis unterstrichen werden sollte.
Luxemburg und Eisner wurden jedoch nicht nur von Kräften der politischen Rechten angegriffen und diffamiert, sondern ebenfalls auch innerhalb der Sozialdemokratie, vor allem der konservativen Repräsentanten des rechten Flügels der Partei. Luxemburg wurde zur „Terroristin“ erklärt, während in Bayern der MSDP-Führer Erhard Auer (1874–1945) zunächst gegen die Revolution und nach dem Ende der Monarchie sowie der Bildung der provisorischen Regierung in München auch gegen Eisner agierte, obwohl letzterer Auer bei der Regierungsbildung nicht übergangen hatte. Dennoch waren diese Anfeindungen per se nicht gleich antisemitisch, sie basierten oft eher auf politischen Meinungs- und Ausrichtungskonflikten innerhalb der Partei.
Alles in allem konnte es wenig überraschen, dass Jüdinnen und Juden, auch wenn sie sich teilweise selbst nicht als solche bezeichnet oder identifiziert haben, sich politisch mit der deutschen Sozialdemokratie identifizierten und auf eine Revolution hofften, die ihnen und anderen Menschen eine umfassende Freiheit bringen sollte, nach der sie sich bereits lange Zeit gesehnt hatten. Ihre exponierte Stellung während der revolutionären Veränderungen stimulierte allerdings antisemitische Ressentiments, die entscheidend zum gewaltsamen Ende der hier vorgestellten Revolutionärin Luxemburg und des Revolutionärs Eisners beigetragen haben.
Frank Jacob
Weiterführende Literatur:
Dieser Beitrag von Dr. Bernd Braun erschien 2012 und war Teil des Projekts "Erinnerungsorte der Sozialdemokratie".
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