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Umbau des Sammlungsbereichs des Archivs der sozialen Demokratie

Im Archiv der sozialen Demokratie werden seit 2021 eine Modernisierung und eine Erweiterung der Magazinräume des gesamten Sammlungsbereichs vorbereitet. Seit seiner Eröffnung 1969 hat sich der Bestand des Archivs diversifiziert und vervielfacht. Mit der Heterogenität des Sammlungsguts steigt auch die Anforderung an dessen bedarfsgerechte Unterbringung. Neben der reinen Ausweitung der Lagerfläche stehen daher vor allem die konservatorische Sicherung und Bestandserhaltung im Fokus des Projekts.


Über das Umbauprojekt

Um die Räume umbauen zu können, müssen sie zunächst vollständig geleert sein. Somit steht das AdsD vor der Herausforderung, für eine fachgerechte und konservatorisch sichere Auslagerung des dort verwahrten Sammlungsguts zu sorgen. Der Umzug eröffnet dem Archiv jedoch auch eine einmalige Gelegenheit, da alle Objekte bewegt und im wahrsten Sinne des Wortes in die Hand genommen werden müssen. Im Oktober 2022 startete daher im AdsD ein auf zwei Jahre angelegtes Projekt, in dem diese Arbeiten stattfinden sollen: In enger Absprache mit für einzelne Sammlungsbereiche zuständigen Teammanger_innen, haben acht sehr motivierte Projektmitarbeiter_innen die erste Projektphase eingeleitet, an deren Ende die Räume „besenrein“ übergeben werden sollen. Die Lager- und Aufbewahrungsformen aller Objekte sind zu revidieren, gegebenenfalls zu optimieren sowie die angefallenen Rückstände vorzuordnen, archivgerecht zu verpacken und in einem gesonderten Inventar zu erfassen.

Was und wen muss man eigentlich noch alles bedenken, um ein Archiv umbauen zu können? Können Nutzer_innen den Bestand weiterhin einsehen? Hier erfahrt ihr mehr.


Projektupdates und Fundstücke

Hier geben wir Updates zum Projekt und informieren regelmäßig über besondere Fundstücke, die wir im Archiv der sozialen Demokratie entdecken.

 

#Update: Do not touch...ohne Handschuhe!

Ein kleiner Blick hinter die Kulissen zum Thema Bestandserhaltung

Das Sammlungsgut des Archivs stellt uns in unserem Projektalltag regelmäßig vor neue Herausforderungen, denn dauernd geraten die Objekte im Plakatlager – natürlich nicht zuletzt durch die erforderliche Umlagerung im Rahmen der Baumaßnahmen – in Bewegung! Manches ist dabei empfindlicher als anderes und so müssen wir uns immer wieder fragen: Mit welchen Materialien haben wir es genau zu tun und welcher Umgang ist jeweils am besten? Haben die Objekte eventuell schon Schaden genommen?

Wie erkennen wir das im Zweifel und wie können wir dem vorbeugen? Bestandserhaltung - das meint alle Maßnahmen, die der dauerhaften Erhaltung unseres Archivguts dienen­ - ­ist also ein wichtiges Thema, mit dem wir uns im Archiv kontinuierlich beschäftigen müssen. Die Auseinandersetzung mit den speziellen Anforderungen der unterschiedlichen Materialien und Objektgattungen bedeutet für uns in konservatorischer Hinsicht aller Art also ein stetiges Training on the Job – Fortbildung pur sozusagen. Gerne tauschen wir uns dazu mit Kolleg_innen anderer Institutionen aus, um zu diskutieren, von den Erfahrungen der anderen zu lernen und im Umgang mit Archivgut immer up-to-date zu bleiben. Erst kürzlich waren daher zwei Kolleginnen des LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum für einen Workshop zum Thema Bestandserhaltung bei uns zu Gast.

Schadensbilder erkennen und handeln!Learn as you go ist als Motto für den Umgang leider nicht für alle Materialen geeignet, mit denen wir in unserem Archivalltag so konfrontiert werden – eine kleine Materialkunde war daher der perfekte Einstieg in den Workshop. Von unterschiedlichen Papierarten in Büchern, Zeitungen, Flugblättern und Fotos oder Akten bis hin zu anderen Materialien wie Karton (Kunstsammlung), Textilien (Fahnensammlung), Kunststoffen und Metallen (Anstecker, viele, viele Anstecker) hatten wir seit Beginn des Projektes schon so gut wie alles einmal in der Hand. Spannend war daher, sich nochmals grundlegend mit Herstellungsprozessen von Papieren sowie Materialien und Techniken der Fotografie zu beschäftigen und Schadensbilder sowie deren mögliche Ursachen genauer unter die Lupe zu nehmen. Auslöser für Schäden am Archivgut können sehr vielfältig sein und reichen von klimatischen Schwankungen und Lichtschäden über Schädlinge bis hin zu Beschädigungen durch Benutzung oder Transport. Nicht nur Schädlingsbefall - etwa durch Papierfische – ist dabei im Archiv ein wichtiges Thema, sondern auch möglichen Schimmelbefall zu erkennen und korrekt damit umzugehen. Grundsätzlich kommen Bestände von Hinterleger_innen bei Ankunft zunächst in eine zweiwöchige Quarantäne ins Zwischenarchiv, bevor sie weiterbearbeitet werden. Hier können dann bereits bestimmte Faktoren ausgeschlossen werden. Dennoch gilt es auch bei ordnungsgemäßer Lagerung, das Archivgut beispielsweise auf klimatisch bedingte Schäden wie Feuchtigkeit prüfen zu können. Wichtig war in diesem Zusammenhang also, sich nochmals intensiver zu vergegenwärtigen, wie objektgerechte Lagerung in Magazinräumen mit bestimmten Raumtemperaturen und Luftfeuchtigkeiten sowie archivgerechte Verpackungen Schäden vorbeugen und was wir tun können, wenn doch kleinere Schadensbilder wie Verschmutzung und Verfärbung oder Risse und Knicke vorliegen.

Der Riss ist da, was nun? Theorie ohne Praxis - im Archiv weit gefehlt! Gemeinsam haben wir uns nach der Materialkunde einzelne Archivalien und Objekte unterschiedlicher Gattungen aus unserem Projektalltag angeschaut, analysiert und verschiedene Verfahren und Vorgehensweisen getestet. Vom Schmutzradierer zur Trockenreinigung bis hin zum Kleben mithilfe eines Mini-Bügeleisens zur Sicherung von Papierschäden war ein breites Spektrum an Möglichkeiten dabei. In diesem Zusammenhang ein wichtiges learning für uns: So wenig wie möglich, so viel wie nötig! Gerade durch stabile und säurefreie Archivboxen oder das Entfernen von schädlichen Materialen wie Plastik und Metallen (gern genutzte Büroklammern) können wir tagtäglich aufs Neue zur Bestandserhaltung beitragen. Auch über den schonenden Umgang beim Transport der Objekte durch das Tragen von Baumwoll- oder Latexhandschuhen oder das Lagern von flachem Archivgut im Liegen, sodass bei beispielsweise Fotoabzügen keine Stauchung der Kanten entstehen, haben wir gesprochen. Insbesondere der Austausch im Team, die konkrete Auseinandersetzung mit bestimmten Objekten, die wir in den letzten Monaten bearbeitet haben, und das Durchsprechen von Problemfällen und möglichen Lösungsansätzen hat uns für den Umgang mit dem sehr diversen Sammlungsgut in unserem Projektalltag bestärkt. Da kann also ab sofort nichts mehr schiefgehen? Das hoffen wir natürlich sehr, denn jeder Tag und jedes neue Objekt bringen neue Herausforderungen und somit neue Lösungsansätze, denen wir uns gerne stellen.

Nochmals einen ganz großen Dank an die Kolleginnen des LVR für die aufschlussreichen Gespräche!

#Fundstück: Wünsch dir was!

Neues Jahr, neues Glück! Was würde man sich wohl wünschen, wenn man einen Wunsch zur Erfüllung frei hätte? Das haben wir uns nicht zuletzt beim Fund dieses Objekts im Sammlungsbreich des Archivs der sozialen Demokratie gefragt. Bei der gar nicht mal so kleinen Figur aus Pappmaché, vermutlich ein Gastgeschenk, handelt es sich um einen besonders beliebten japanischen Glücksbringer – den Daruma. In Japan ist der handgefertigte und bemalte Talisman mit übergroßem Kopf ein fester Bestandteil der Alltagskultur und wird gerne als Mitbringsel verwendet. Die Figur geht zuück auf den buddhistischen Mönch Bodhidarma, der einst ganze neun Jahre im Schneidersitz meditiert haben soll, um Erleuchtung zu erlangen. Arme oder Beine waren dazu nicht notwendig, weshalb auch der Daruma aus Pappmaché ganz gut ohne Gliedmaßen auskommt. Andere Quellen behaupten, dass sie dem Mönch durch die jahrelange Meditation einfach abgefallen sind und daher auch der Glücksbringer nur aus Kopf und Körper besteht. Klingt heftig, soll der Erfüllung von Wünschen aber nicht im Wege stehen.

Meist sind die Figuren rot und stehen daher für allgemeine Zufriedenheit, Glück und Gesundheit. Andere Farben widerum bringen Glück in speziellen Situation oder zu bestimmten Anlässen - wie einem glücklichen neuen Jahr. Versehen sind die Figuren mit japanischen Schriftzeichen für Glück und Erfolg, das Gesicht besteht bei allen größtenteils aus den weißen, leeren Augenhöhlen. Erhält man einen Daruma, teilt man ihm im Stillen seinen konkreten Wunsch mit und malt eines der Augen aus. Anschließend arbeitet der Glücksbringer an der Erfüllung des Wunschs – bestenfalls an einer Stelle, an der man ihn jeden Tag sieht. Sobald der Wunsch in Erfüllung gegangen ist, wird das zweite Auge ausgemalt. Dem kleinen Wunschhelfer aus dem Archiv fehlen noch beide Augen - das Glück ist vom ehemaligen Besitzer also nicht voll ausgeschöpft worden ...

#Fundstück: Ein echtes Glanzstück!

Nicht selten begegnet uns im Archiv kurioses Sammlungsgut, das an bestimmte Personen oder Ereignisse erinnert – wie beispielsweise an einen Sommer mit Helmut Schmidt in den 1970er Jahren...

Für Fans des Altkanzlers ist das kleine Silberschälchen mit filigranem Muster sicher ein wahrer Schatz! Die Gravur „Sommerfest bei Helmut Schmidt 1976“ sowie die rückseitige Markierung „WMF“ verraten uns Hersteller und Entstehungskontext: Vermutlich wurde die Schale als Erinnerungsstück an geladene Gäst_innen des Sommerempfangs im Bonner Kanzlerbungalow ausgehändigt. Auffällig sind die deutlichen Gebrauchsspuren im Inneren. Wie das Schälchen in der Vergangenheit genutzt wurde, kann in diesem Fall nur spekuliert werden. Bei Helmut Schmidt erscheint uns der Einsatz als schicker Aschenbecher  nicht ganz abwegig, allerding diente das kleine Gastgeschenk wohl eher als Gebäck- oder Konfektschälchen. Sorgfältig in Seidenpapier verpackt, lagert es nun zukünftig im neu konzipierten Sammlungsbereich und zeugt von illustren Festivitäten in der alten Bonner Republik.

#Update: „Spaß mit Flaggen“!

Die Fahnensammlung und andere Textilien im Umbauprojekt

Der Sammlungsbereich des AdsD umfasst neben Plakaten, Postkarten, Fotomaterialien und audiovisuellen Medien auch eine umfangreiche Sammlung an Textilien. Seit nunmehr eineinhalb Jahren arbeiten wir daran, die vielfältigen Bestände zu sichten, neu zu verpacken, umzulagern und so die Magazinräume für die geplanten Umbaumaßnahmen zu leeren – und das betrifft auch die Textilsammlung des AdsD. Sie beinhaltet neben Flaggen und Bannern auch T-Shirts, Uniformen und Armbinden, Schärpen, Kranzschleifen und Teppiche sowie den ein oder anderen (Sonnen-)Schirm – da gibt es also so einiges zu entdecken!

Das große Highlight sind jedoch die rund 260 historischen Fahnen unterschiedlicher sozialdemokratischer Organisationen, Gewerkschaften, Landes- und Kreisverbände. Der Bestand reicht von kleineren Wimpeln bis hin zu großformatigen und teils sehr aufwändig gearbeiteten Fahnen, aus dem frühen 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Während von Flaggen mehrere Exemplare existieren können, sind Fahnen in der Regel Einzelstücke und stehen als Ausdruck von Repräsentation, Gemeinschaft und Vereinigung gleicher (politischer) für ein vielschichtiges Zeichen- und Symbolsystem.

Die historischen Fahnen des AdsD bestehen meist aus mehreren Stofflagen und sind mit kunstvollen Stickereien und Aufnähern, Borten und Quasten detailreich ausgearbeitet. Die aufwendige Gestaltung und das Verwenden teils kostspieliger Materialien verdeutlicht den hohen kulturellen und emotionalem Wert, den die Objekte für ihre jeweiligen Organisationen hatten. In Benutzung waren die Fahnen in der Regel im Freien der Witterung ausgesetzt, durch wiederholtes Schwenken oder andere übermäßige Bewegung wurde das Material strapaziert und je nach Objektgeschichte verfolgungsbedingt einigen Tortouren ausgesetzt. Insbesondere ältere Bestände sind teilweise brüchig oder schon beschädigt und verschmutzt.

Für das AdsD ist der Erhalt dieser Unikate innerhalb der breiten Vielfalt des Sammlungsbereichs im Archivalltag eine spannende Herausforderung. Sammlungen mit unterschiedlichen Materialgruppen sind schwieriger zu lagern als homogene Bestände einer Objektgattung, die weitestgehend unter gleichen Bedingungen aufbewahrt werden können. Die historischen Fahnen des AdsD sind aus Stoff und damit letztlich nicht für die Ewigkeit gedacht. Wie alle organischen Materialien unterliegen sie dem natürlichen Verfall. Das macht sie im Archiv zu einem sehr sensiblen Sammlungsgut mit besonderen Bedürfnissen an Lagerung und Klima. Um die natürliche Alterung der Stoffe zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen, wird die Fahnensammlung des AdsD getrennt von den übrigen Beständen des Sammlungsbereichs aufbewahrt. Das derzeitige Fahnenlager des AdsD ist ein abschließbarer, fensterloser und in der Regel abgedunkelter Raum, um Lichtschäden an den Stoffen zu verringern. Neben Feuchtigkeit, die Schimmel verursachen kann, und übermäßiger Wärme, die das Material spröde und brüchig macht, beschleunigt Licht durch Ausbleichen den Alterungsprozess der Stoffe. Die historischen Fahnen liegen in deckenhohen Regalen auf maßangefertigten, ausdünstungsfreien Pressspanplatten. Flach ausgelegt werden die Objekte, um Beschädigungen der Stofffasern, Stickereien und Malereien auf den Fahnenblättern durch das Hängen, Falten oder Drapieren des Stoffes zu vermeiden. Zur Bestandserhaltung gehört es auch, dass der Fahnenraum nicht frei zugänglich ist: Der Schutz der Unikate vor Beanspruchung des Materials durch menschlichen Kontakt ist neben Kontrolle von Licht, Klima und bestmöglicher Lagerung ein wichtiger Baustein der präventiven Konservierung der Sammlung.

Während des Umbaus der Magazinräume steht das AdsD vor der Herausforderung, für eine fachgerechte und konservatorisch sichere Auslagerung des dort verwahrten Sammlungsguts zu sorgen – und das betrifft natürlich auch die Textilien. Das bisschen Stoff umräumen, kein Problem?! Weit gefehlt. Wochenlang haben zwei Mitarbeiterinnen unseres Projektteams am Sichten und Umpacken der Bestände gearbeitet. Die Objekte werden hierzu in alterungsbeständiges Seidenpapier eingeschlagen und in säurefreie Stülpschachteln aus Wellpappe verpackt. Nicht nur sind die Textilien teilweise sehr groß und schwer, denn manche Fahnenblätter messen mehrere Meter und bestehen aus drei oder mehr Stofflagen. Aufgrund ihres Alters und stellenweise fragilen Zustands können die Stoffbahnen zudem nicht einfach aus den Regalen gezogen werden. „Kleintextilien“ wie Aufnäher, Armbinden, Kranzschleifen, Schärpen und auch der ein oder andere sozialdemokratische Kissenbezug passen zwar in handlichere Kartons, die größten Verpackungen für Fahnen und Banner messen jedoch über einen Meter in Länge und Breite. Hier ist Teamarbeit gefragt, denn vom Zusammenfalten der einzelnen Kartons über das vorsichtige Ausheben der Großformate aus den Regalen bis hin zum Ablegen und Einschlagen der Stoffe in den Schachteln – kein Handgriff ist ganz alleine durchführbar, sondern muss in sorgfältiger Partner_innenarbeit abgestimmt werden. Sehr großformatige Objekte dürfen auch für den temporären Transport nicht gefaltet werden. Sie werden vorsichtig um eine gut gepolsterte Rolle aus Seidenpapier gelegt, um das Stauchen des Stoffes möglichst gering zu halten. Fahnenblätter mit Stickereien oder Malereien werden mit den Applikationen nach außen umgeschlagen, um auch hier Stauchungen des Materials zu verringern. Besonders knifflig im Umgang sind jene Fahnenblätter, die sich von der zugehörigen Fahnenstange nicht ohne Eingriff lösen lassen. Die hölzernen oder metallen Applikationen (Fahnenstangen, Aufhängungen oder Ösen) müssen zusätzlich in Seidenpapier gewickelt werden, um kaum mit dem restlichen Stoff in Berührung zu kommen. Jene Objekte, die besonderen Reinigungs- und Restaurierungsbedarf aufzeigen, werden von der restlichen Sammlung getrennt verpackt und markiert.

Die Planungen für das neue Depot des Sammlungsbereichs laufen währenddessen auf Hochtouren. Für die Textilsammlung und insbesondere die historischen Fahnen sind Planschränke mit geschlossenen Schubladen vorgesehen, um die Objekte zukünftig noch besser vor Staub und Licht zu schützen. Zusätzlich können die Schubladen zur Ansicht einfach herausgezogen werden, ohne dass die Stoffe an sich immer wieder aufs Neue bewegt werden müssen. Weitere Kleintextilien finden in inventarisierten Archivkartons in Regalen ihren Platz. Ziel ist es, die Textilsammlung des AdsD im neuen Depot zu bündeln, in Hinblick auf Klima, Verpackung und Lagerung bestmöglich zu verwahren und so präventiv für die Zukunft im Archiv zu sichern. Bis dahin ist die Bearbeitung insbesondere der historischen Sammlungsbestände für uns regelmäßig ein spannendes Abenteuer, bei dem es immer wieder etwas zu Entdecken und Staunen gibt! 

#Fundstück: Papierspinnen im Archiv

Im Zuge unseres Umbauprojektes stoßen wir immer wieder auf besondere Objekte. Dabei gibt es etwas, das uns bereits ein paar Mal über den Weg gelaufen ist und das ein oder andere Teammitglied ist mit Sicherheit froh, dass es bisher nur in gedruckter Form der Fall ist: Spinnen!

Die Spinne blickt auf eine lange Motivtradition zurück und bietet Karikaturist_innen ein fast unerschöpfliches Potential an Anspielungsmöglichkeiten. Ihren Ursprung in der abendländlichen Bildtradition hat die Spinnenkarikatur vermutlich in Ovids Arachne Erzählungen. Die Geschichte aus der griechischen Mythologie thematisiert die Verwandlung einer talentieren Weberin namens Arachne, die es wagte, die Göttin Athene zu einem Webduell herauszufordern und dieses auch noch zu gewinnen. In Folge dessen verwandelte die Göttin Arachne in eine Webspinne. Auch der auftretende Ekel, den viele beim Anblick einer Spinne empfinden, machen sich die Zeichner_innen zu Nutze. Bis ins 18. Jahrhundert wurde die Spinne vor allem als Metapher für menschliches Verhalten genutzt. Dadurch wurden negative Assoziationen des Tiers wie beispielsweise Gier, Hinterhältigkeit, Gefahr oder Überheblichkeit auf die Abgebildeten übertragen. Ihren Auftritt innerhalb der politischen Karikaturen startete mit Napoleon Bonarparte. Seitdem wird das Spinnenmotiv verwendet, um unbeliebte Politiker_innen oder Staatsfeinde zu verunglimpfen. Auch das Netz der Spinne kann unschwer politisch gedeutet werden. Dient es in der Natur dazu, nichts ahnende Tiere zu fangen, sie nicht mehr freizulassen und somit dem fast sicheren Tod durch das Fressen der Spinnen ausgeliefert zu sein, steht das außerordentlich widerstandsfähige Netz in den Karikaturen oftmals für die ungewollte Okkupation und Expansion einer Herrschaft.

Drei Beispiele aus dem Sammlungsbereich des AdsD zeigen Karikaturen von Spinnen auf der Titelseite der sozialdemokratischen Zeitschrift Volk und Zeit in der Ausgabe vom 10. April 1932, einer politischen Flugschrift aus dem Jahr 1953 sowie auf einer Fotografie aus der Sammlung Telegraf von 1964.

Auf dem Titel der Volk und Zeit werden sowohl das Spinnennetz als auch die Spinne selbst als visuelles Motiv genutzt. Den Vormarsch des NS-Terrors und die Ausbreitung in der Weimarer Republik wird durch das Netz, das sich über das Deutsche Reich ausbreitet, verdeutlicht – gleichzeitig ruft die Zeitschrift mit den Worten „Zerreißt das Netz“ dazu auf, sich gegen die Machtübernahme der Nazionalsozialisten zur Wehr zu setzen. Die Spinne mit dem Hakenkreuz auf ihrem Körper steht für das Auflauern und Einfangen der Reichsbürger_innen. Mit ihrem „Gift“ kann sie immer mehr Menschen mit der NS-Ideologie infizieren.

Weiter geht es mit der politischen Flugschrift "Die Wahrheit" des Volksbund für Frieden und Freiheit (VFF) von 1953. Der VFF wurde 1950 von Franz Wilhelm Paulus und Eberhard Taubert, ehemalige Nazifunktionäre im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, gegründet und richtete sich mit seinen Veröffentlichungen gegen den Bolschewismus. In der Broschüre selbst findet sich folgende Zweckbeschreibung: "Das Ziel dieser Bewegung ist es, dem geschlossenen Block der Sowjetstaaten zunächst mit einer geschlossenen geistigen Abwehrfront der freien Welt entgegenzutreten." Auf dem Deckblatt der Broschüre begegnet uns eine Spinne, die mit den Zügen Stalins versehen wurde. Die Beine der Spinne bestehen aus Hammer und Sichel in gekreuzter Form, dem Symbol des Bolschewismus. An vielen Beinen der Stalinspinne stehen Ländernamen, die bereits "im Netz" des Stalinismus gefangen sind. Auch hier dient die Spinnenkarikatur sehr anschaulich der Propaganda des VFF und schürt Angst, dass es anderen Ländern auch bald so ergehen könnte.

Auch in der Fotosammlung des Telegrafs ist uns das Spinnenmotiv begegnet: So zeigt beispielsweise eine Fotografie vom 22. April 1964 einen Mitarbeiter des Studios am Stacheldraht (SaS), wie er neue Plakate an der Sektoren- und Zonengrenze in der Friedrichstraße anbringt. Das westberliner SaS war eine Initiative des Berliner Innensenators Joachim Lipschitz. Eigentlich bekannt war das Studio für seine mobilen Lautsprecherstationen, die u.a. tagesaktuelle politische Informationen nach Ostberlin übermitteln sollten. Flankiert wurde diese Informationsübermittlung später durch Plakate und fest installierte Wandschriftanlagen. Mit der Aufschrift "Vorsicht vor den Abwehroffizieren und ihren Spitzeln!" wendete sich das SaS auf einem Plakat am Checkpoint Charlie an die Angehörigen der Zonengrenzbrigaden. Die Spinne trägt den Kopf des damamliegen DDR-Ministers für Staatssicherheit, Erich Mielke. In der Friedrichstraße am Ausländerübergang Checkpoint Charlie mahnte die Plakatierung zur Vorsicht gegenüber der Stasi und ihren Informat_innen.

#Fundstück: Ist hier alles Gold, was glänzt?

Immer wieder begegnen uns im Sammlungsbereich kunstvolle Objekte aus unterschiedlichsten Ländern. Um was es sich handelt, wie die Objekte genutz wurden oder welche Bedeutung sie haben, ist dabei nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Oftmals wurden sie unseren Hinterleger_innen im Rahmen bestimmter Zeremonien, auf Auslandsreisen oder als Gastgeschenke ausländischer Delegationen überreicht. Durch beiligende Schriftstücke, manchmal aber auch durch Plaketten oder Aufkleber können wir in einigen Fällen Herkunft oder Kontext erschließen. Nicht selten sind die Objekte kostbares Kunsthandwerk, das exemplarisch für die Region oder das Land einer Organisation steht, mit der sich ausgetauscht wurde oder ein Besuch stattfand. So haben wir auch mehr über die gerahmte Lackmalerei mit Kranich-Motiv aus dem Bestand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) erfahren können.

Bereits das Motiv ließ vermuten, dass es sich hierbei um japanisches Kunsthandwerk handeln könnte. Ein Aufkleber auf der Rückseite des Rahmens mit einem Text aus Kanji, japanische Schriftzeichen, hat unsere Annahme bestätigt. Eine erste Übersetzung des Textes ergab, dass es sich bei dem Objekt um Wajima-nuri, also Lackware aus dem Ort Wajima in der japanischen Provinz Ishikawa handelt.

Japanische Lackkunst ist ein Kunsthandwerk zur Veredelung von Oberflächen, dessen Urspünge in China liegt und über die Jahrhunderte in unterschiedlichen Techniken weiterentwickelt wurde. Insbesondere die Lackware aus Wajima – der „Hauptstadt des Lacks“ – ist für ihre Eleganz und Stabilität bekannt, so heißt es im Text. Tatsächlich werden die Gegenstände viele Male mit Lack überzogen und immer wieder poliert, sodass die Herstellung eines Objekts hundert Arbeitsschritte umfassen kann und viel Geschick und Geduld von den Kunstschaffenden erfordert. In der rückseitigen Inschrift ist von einem Meister Mae Taiho (1890-1977) die Rede, der selbst aus Wajima stammte und bei unserer Lackarbeit vermutlich das erforderliche Fingerspitzengefühl bewiesen hat. Als angesehener Lackkünstler der Moderne war Mae Taiho sogar für seine Bemühungen, besondere Kunstfertigkeiten als kulturelles Erbe fortzuführen und zu bewahren, vom japanischen Staat als Lebender Nationalschatz ausgezeichnet worden.Bei den schimmernden Kranichen handelt es sich darüber hinaus wahrscheinlich um einen speziellen und sehr kostbaren Typ von Lackware mit Goldeinlage. Bei der als chinkin bezeichneten Technik wird ein Muster mittels Meißel in die lackierte Oberfläche graviert und anschließend mit Blattgold verfüllt. Ziemlich edel und in diesem Fall also definitiv Gold, das hier so glänzt!

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