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Drei Pfeile, die gegen das Hakenkreuz flogen

In einem Gastbeitrag beschreibt Simon Sax vom Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) der Universität Bremen die Drei-Pfeil-Kampagne der Eisernen Front ab 1932, mit der sich SPD, Gewerkschaften, Reichsbanner und Arbeitersportler gegen die antidemokratischen Kräfte der späten Weimarer Republik wendeten. Das beigefügte Poster zeigt den Stand eines am ZeMKI laufenden Forschungsprojekts zum Thema, welches unter anderem auf der Auswertung digitalisierter Zeitungen basiert.

"Eines Abends, nach seinem Vortrag [im Gewerkschaftshaus], drückte er [Sergej Tschachotin] jedem von uns [jungen Sozialisten] ein Stück Kreide in die Hand, um damit jedes Hakenkreuz an den Häuserwänden mit den drei Pfeilen durchzustreichen! Gesagt, getan! […] Die Nazis waren schockiert, ganz Heidelberg sprach von dieser Aktion."

Schilderung eines Zeitzeugen, zit. nach Richard Albrecht,
Symbolkampf in Deutschland 1932, 1986, hier S. 523

 

Dem Eingangszitat ist die Gründungserzählung des Drei-Pfeils zu entnehmen; über die Symbolmalerei hinaus erwählte die Eiserne Front den Drei-Pfeil 1932 zum Herzstück ihrer Kampagnen-Kommunikation. 1931 gegründet, schlossen sich in der Eisernen Front die SPD, das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Arbeitersportler und der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund zusammen. Ihre Gegnerschaft galt der Harzburger Front, die im Oktober 1931 den Schulterschluss u.a. des Stahlhelms, der NSDAP und der DNVP vollzogen hatte. Den kommunikativen Kampf der Eisernen Front konzipierten der russische Mikrobiologe und Propagandatheoretiker Sergej Tschachotin sowie der SPD-Politiker Carlo Mierendorff, ihre Waffe: das Drei-Pfeil-Symbol. Sergej Tschachotin verband damit „niedersausende, die Feinde treffende Blitze“. Daneben war das Pfeil-Logo mehrfach codiert: (1) Es stand sinnbildlich für die drei Säulen der Eisernen Front: „1. Partei, 2. Gewerkschaften und 3. Reichsbanner und Sportler“. (2) Die Pfeile rasten nieder auf drei Gegner: die Nationalsozialisten, die Kommunisten und den reaktionären Adel – wobei die Hauptgegnerschaft der NSDAP galt. (3) Zugleich repräsentierten die drei Pfeile abstrakte Ideen: „Aktivität, Disziplin und Einigkeit“; „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“; „Kampfentschlossenheit, Treue, Glaube an den Sieg“ und dergleichen mehr. Sergej Tschachotin und Carlo Mierendorff hatten die kommunikativen Maßnahmen der Drei-Pfeil-Kampagne sozusagen am Reißbrett entworfen und im Leitfaden Grundlagen und Formen politischer Propaganda dargelegt. In dieser Handreichung zur Kampagne listeten sie zahlreiche Mittel der strategischen Kommunikation auf, die von der Eisernen Front eingesetzt werden konnten: Neben der Symbolmalerei finden sich dort u.a. Flugblätter, Plakate, Klebezettel, Abzeichen, ein Marsch für die Eiserne Front, Sprechchöre für Versammlungen und Choreographien für Aufmärsche und Umzüge. Als Pendant zum Hitler-Gruß schlugen Tschachotin und Mierendorff den Freiheitsruf und -gruß (Ausruf „Freiheit!“ und der „senkrecht erhobene, energisch ausgestreckte Arm mit geballter Faust“) vor. Auf dem ersten Blick Kuriosa, fügen sich Papierfähnchen für Kinder, Freiheits-Lampions und Pfeile-Konfetti in das gegenwärtig diagnostizierte Bild des karnevalistischen Charakters populistischer Kommunikation.

In digitalisierten Zeitungsarchiven der Kampagne auf der Spur       

Im Lab Kommunikationsgeschichte und Medienwandel am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) der Universität Bremen wird derzeit eine explorative Studie zur Drei-Pfeil-Kampagne durchgeführt. Kern des Vorhabens ist die Auswertung von Presseberichterstattung über die Kampagne in den Jahren 1932 und 1933. Das nebenstehende Poster wurde auf der diesjährigen European Communication Conference gezeigt und präsentiert erste Forschungsergebnisse aus diesem bisher aus Eigenmitteln finanzierten Projekt. Mittels einer Stichwortsuche in volltextdigitalisierten Zeitungsarchiven wurden knapp 150 Artikel im sozialdemokratischen Vorwärts und rund 25 Artikel in der unabhängig-liberalen Vossischen Zeitung identifiziert. Diese Artikel berichten explizit über die Kampagne oder verweisen auf die Verwendung des Drei-Pfeils. Zunächst soll in der Untersuchung geprüft werden, ob die Vielfalt der von Sergej Tschachotin und Carlo Mierendorff beschriebenen Kommunikationsmaßnahmen von der zeitgenössischen Presse wahrgenommen wurde. Einige Schlaglichter auf die Polit-Kampagne wurden dem Vorwärts als Photographien entnommen und zeigen in der Mitte des Posters (von links nach rechts): (1) Eine für die SPD wehende Drei-Pfeil-Fahne im – so der Vorwärts – „Flaggenkrieg“ vor der Reichstagswahl am 6. November 1932. (2 & 3) Den SPD-Reichstagsabgeordneten Franz Künstler auf einer Versammlung im Berliner Lustgarten am geschichtsträchtigen 30. Januar 1933. (4) Das vom Drei-Pfeil getroffene Hakenkreuz an einer Wand (Symbolmalerei), abgedruckt vom Vorwärts kurz vor der Reichstagswahl im Juli 1932. (5) Otto Braun nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs vom 25. Oktober 1932 in der Sache Preußen contra Reich. Der Artikel des Vorwärts impliziert, Otto Braun sei im Berliner Regierungsviertel nach der teilweisen Rehabilitierung seines Kabinetts von Republikanern mit dem Freiheitsgruß empfangen worden.    

In einem zweiten Schritt sollen in der Presse geäußerte Deutungszuweisungen an und moralische Bewertungen von kommunikativen Maßnahmen der Eisernen Front identifiziert werden. Bereits jetzt kann festgehalten werden: Als offizielles Organ der Sozialdemokratie übernahm der Vorwärts eine aktive Rolle in der Drei-Pfeil-Kampagne. Nach anfänglicher Skepsis druckte die Zeitung das Symbol ab dem 29. Juni 1932 im Kopf auf Seite eins ab. Der Vorwärts warb unter dem Schlagwort „Freiheitsopfer!“ für Spenden im Wahlkampf, mahnte seine Leser „Lasst keinen heraus […] bevor er nicht sichtbar das Freiheitsabzeichen trägt: die drei Pfeile!“ und forderte zum Gruß mit der erhobenen Faust auf. Die für ein bürgerlich-gebildetes Publikum geschriebene Vossische Zeitung hingegen würdigte die Kommunikationsmaßnahmen der Eisernen Front teilweise kritisch. Allgemein beklagte sie im Wahlkampf zur Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 das Fehlen „geistiger Waffen“. Ihrem bekannten Gerichtsberichterstatter und Feuilletonisten Moritz Goldstein war die symbolische Aufrüstung, das „Bekennertum“, in jenem letzten Jahr der Republik zuwider. Gleichwohl bejubelte etwa ein Artikel vom 21. Juli 1932 den „verblüffenden Erfolg“, den der Drei-Pfeil im „Symbolkrieg“ erzielt habe. Es ist bezeichnend, dass Dr. Winners – einem Politikredakteur der Vossischen Zeitung – einen Tag später, am 22. Juli, von SS-Männern der Kopf blutig geschlagen und ihm eine Gehirnerschütterung zugefügt wurde. Er hatte sich geweigert, das Drei-Pfeil-Abzeichen vom Revers zu entfernen – die Vossische titelte: „Terror gegen das Abzeichen der drei Pfeile“.

Neuanfang des Symbols nach 1945?

Dem Hamburgischen Correspondenten vom 22. März 1933 entnimmt der Leser, in der Hansestadt seien „mehrere Kolonnen am Werk“ gewesen, „welche die drei Pfeile der ‚Eisernen Front‘ an die Häuserwände“ gemalt hätten. Zwei Tage später melden die Hamburger Nachrichten unter der Überschrift „Drei Pfeile aus dem Hinterhalt“, Flugblätter des Reichsbanners seien von einem Kaufhaus aus auf die Straße geworfen worden.

Im gegenwärtigen Kommunikationsrepertoire der bundesdeutschen Sozialdemokratie taucht das Pfeil-Symbol kaum auf. Richtet man den Blick nach Österreich, so zeigt das Liniendiagram auf dem Poster das numerische Auftreten des Suchbegriffs „drei Pfeile“ im Portal AustriaN Newspapers Online (ANNO). Es kann dahingehend interpretiert werden, dass dem Symbol in Österreich eine längere Inkubationszeit beschieden war. Nach 1945 nahm die SPÖ den Drei-Pfeil in die Riege ihrer Parteisymbole auf (siehe auch hier).

 

Links zum Thema:

FES-Online-Galerie „Kampf dem Hakenkreuz“

Historische Presse der deutschen Sozialdemokratie online

Dokumentarfilm von Boris Hars-Tschachotin über seinen Urgroßvater Sergej Tschachotin

Literatur von Sergej Tschachotin in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung

Der Dreipfeil in den "Erinnerungsorten der deutschen Sozialdemokratie"

Richard Albrecht: Symbolkampf in Deutschland 1932. In: IWK, 1986.

Richard Albrecht: Der militante Sozialdemokrat Carlo Mierendorff 1897 bis 1943. Eine Biografie, 1987.

Stefanie Averbeck-Lietz: Persuasive Kommunikation und Behaviorismus. In: Blexkom, 2017.

Hermann Kurt Schueler: Trotz alledem. Der Vorwärts – Chronist des anderen Deutschland, 2006.


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