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Karl Marx und der Wiener Prater

1848 – im März hatte die Revolution auch in Österreich gesiegt – besuchte Karl Marx Wien; diese kurze Visite blieb sein einziger Besuch in der österreichischen Hauptstadt.

Bild: Karl Marx in Wien von P. M. Hoffmann lizenziert unter © Waschsalon Karl-Marx-Hof, P.M. Hoffmann. Verwendung mit freundlicher Genehmigung vom Verein Sammlung Rotes Wien e.V., Waschsalon Karl Marx Hof

Die „Wiener Zeitung“ vom 30. August vermerkte seine Ankunft unter der Rubrik „Angekommen“ für den 27. August: „Hr. Carl Marxe, Dr. der Philosophie, von Paris“. Am 7. September reiste er Richtung Berlin wieder ab. Während seines Aufenthalts nahm er am 28. August als Redner bei einer vom „Demokratischen Verein“ (einem Zusammenschluss von Wiener Bürgern) veranstalteten Diskussion über die Arbeiterfrage teil. Am 30. August und am 2. September sprach er auf Einladung des „Ersten Wiener Arbeiterbildungsvereins“, der erst am 24. Juni 1848 gegründet worden war und im August bereits mehr als 600 eingeschriebene Mitglieder hatte.

Karl Marx war in Wien kein Unbekannter, die Veröffentlichung des Kommunistischen Manifests hatte ihn auch hier bekannt gemacht. Und er kam zu einem ganz besonderen Zeitpunkt: vier Tage vor seiner Ankunft hatten sich – als Höhepunkt einer seit mehreren Wochen andauernden Reihe von Konflikten – neue blutige Ereignisse abgespielt. In der sogenannten "Praterschlacht" hatte die Nationalgarde am 23. August 1848 eine Arbeiterdemonstration zerschlagen, die als Reaktion auf eine Lohnkürzung für Notstandsarbeiter hervorgerufen worden war. Das Resultat waren 18 tote Arbeiter, 4 tote Soldaten und 282 Verwundete, darunter viele Frauen. Die Schlacht wurde als Symbol für einen inneren Konflikt der Revolution gewertet: den Konflikt zwischen Bourgeoisie und Proletariat.

„Sehr geistvoll, scharf und belehrend“

Die Zusammenkunft im Arbeiterverein am 30. August sollte die Folgen der opferreichen Demonstration diskutieren, und Karl Marx war eingeladen, über die revolutionäre Entwicklung in Westeuropa zu berichten. Er informierte über die Arbeiterbewegung in Deutschland, England, Frankreich und Belgien, unterstrich die Bedeutung der organisierten Arbeiterschaft als wichtigste nationale und internationale Kraft der gegenwärtigen Revolution und verdeutlichte die zahlreichen Parallelen der revolutionären Erhebungen in den Ländern. Die Zeitung „Der Radikale“ nannte seine Rede „sehr geistvoll, scharf und belehrend“.

Marx forderte die Einheit aller fortschrittlichen Kräfte; das Begräbnis der in der Praterschlacht erschossenen Arbeiter, das am 3. September stattfand, wurde zu einer mächtigen Einheitsdemonstration, bei der Arbeiterverein und linke Bürgergarde, Demokratischer Frauenbund und Studenten, Abordnungen der Eisenbahner und anderer Gruppen, Katholischer Arbeiterverein und Demokratische Partei gemeinsam durch die Stadt zogen.

Der fremde Doktor“ pflanzt den Keim des Misstrauens

Auch die bürgerliche Presse nahm Marxens Besuch und seine Vorträge zur Kenntnis. In einer Polemik in der „Wiener Zeitung“ vom 17. September wurde einem „gewissen Klub“ (gemeint ist der Demokratische Verein) vorgeworfen, dass dort ausländische Politiker „bitterste Kritik“ an österreichischen Regierungsmaßnahmen übten. Ohne Karl Marx namentlich zu nennen wurde ausführlich ein „fremder Doktor“ zitiert: „Man hat bis jetzt nur von zwei hohen Gewalten gesprochen, an welchen man sich wegen der Absetzung der Minister wenden will, an den Reichstag und an den Kaiser, die höchste Gewalt hat man aber vergessen – das Volk!“

Dank österreichischer Digitalisierungsprojekte kann man diese Polemik in der „Wiener Zeitung“ nachlesen, ohne nach Wien fahren zu müssen. Man sollte letzteres dennoch tun: das „Rote Wien im Waschsalon Karl-Marx-Hof“ zeigt ab dem 11. April 2018 eine Sonderausstellung zu „Karl Marx in Wien“. Ein Besuch dort und im immer noch beeindruckenden Karl-Marx-Hof lohnt auf jeden Fall.

Die Polemik über Karl Marx in der „Wiener Zeitung“ finden Sie hier.
 


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