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Spurensuche im historischen Vorwärts und anderswo nach einem fast vergessenen Aufstand und dessen Niederschlagung
Bild: Max Reichpietsch und Albin Köbis von Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung Buchcover: Wilhelm Dittmann: "Die Marinejustizmorde 1917 und die Admiralsrebellion von 1918", mit Fotos von Max Reichpietsch (li) und Albin Köbis (re)
Nach den dramatischen Ereignissen des ersten Weltkrieges ist die Entstehung der ersten parlamentarischen Demokratie in Deutschland, in der Friedrich Ebert, Namensgeber unserer Stiftung, als erster demokratisch gewählter Reichspräsident fungierte, eng verknüpft mit dem sogenannten Matrosenaufstand. Dieser prägte Ende des Jahres 1918 den „Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik“, so der Untertitel der für diesen Abschnitt deutscher Geschichte wegweisenden Arbeit von Dirk Dähnhardt. Aber schon vor diesen Ereignissen gab es Unruhen und politische Aktivität unter den Matrosen der deutschen Kaiserlichen Marine. Der Protest der Matrosen im Sommer 1917, der sich sowohl gegen die unhaltbaren Zustände auf den Schiffen, insbesondere gegen die menschenunwürdige Behandlung der Matrosen durch die Offiziere und die inakzeptable Nahrungsversorgung, aber auch deutlich gegen die Fortsetzung des Krieges selber richtete, besitzt für die Ereignisse des darauf folgenden Jahres eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.
Der Protest der Matrosen verlief friedlich; mit einzelnen Hungerstreiks und über Diskussionen in sogenannten Menagekommissionen wurde versucht, die Verpflegungssituation zu verbessern. Zunehmend aber gab es auch darüber hinaus gehende Beschwerden und Aktionen, welche die stetig wachsende kriegsablehnende Haltung vieler Matrosen dokumentierte. Nach einzelnen Kontakten mit Vertretern der USPD gab es eine immer offensiver bekundete Friedenssehnsucht und Zustimmung zur politischen Position der Partei. Vor der Stockholmer Sozialistenkonferenz (Hier die Ankündigung im Vorwärts), die ab dem 15. August 1917 stattfinden sollte, wurde offensiv für die USPD-Position und für den Eintritt in die USPD geworben.
Letztlich führten diese Vorgänge zur Verhaftung und Verurteilung einzelner Matrosen; Albin Köbis und Max Reichpietsch wurden am 5. September 1917 in Köln erschossen, die gleichfalls ausgesprochenen Todesurteile gegen die Matrosen Beckers, Sachse und Weber wurden letztlich zu langjährigen Zuchthausstrafen verringert. Man kann annehmen, dass diese Vorgänge Einfluss auf die Einstellung der Schiffsbesatzungen zur Kriegsführung und zur gesamtpolitischen Situation besessen haben. Zugleich bot der Protest der Matrosen aber auch Anlass für Marineführung und Reichskanzler, den Versuch zu unternehmen, gegen die entschiedenen Kriegsgegner aus der USPD vorzugehen. Die Verbindung einzelner Matrosen zu Aktivisten der USPD führte zum u.a. von Reichskanzler Michaelis formulierten Vorwurf, die USPD trage eine Verantwortung für die Steuerung des Aufstandes, womit ein entsprechendes Vorgehen gegen die Partei und einzelner Mitglieder gerechtfertigt wäre. Dass dies letztlich ohne größere Folgen blieb, war nicht zuletzt auch der Solidarität geschuldet, welche die gemäßigten Parteien im Reichstag mit der USPD bewiesen. Dies kann auch im Vorwärts anhand des Protokolls der Reichstagssitzung vom 9. Oktober 1917 nachvollzogen werden.
Eine unfassende Darstellung der Matrosenbewegung des Jahres 1917 findet sich im Buch von Christoph Regulski „Lieber für die Ideale erschossen werden, als für die sogenannte Ehre fallen“ aus dem Jahr 2014. Neben den konkreten Ereignissen rund um den Aufstand beschreibt Regulski zugleich die stark voneinander abweichenden Wege in der Geschichtsschreibung und der Interpretation der Ereignisse aus dem Jahr 1917. So besaßen die Aktivitäten der Matrosen für die historische Forschung der DDR vor allem einen vorbereitenden Charakter für die Novemberrevolution 1918, wohingegen diese Deutung in der westdeutsche Geschichtsschreibung eher weniger Relevanz besaß und dort die Namen der handelnden und letztlich verurteilten Matrosen lange Zeit weitgehen unberücksichtigt blieben. Im historischen Vorwärts stößt man gleichfalls erst diverse Jahre nach den Hinrichtungen auf die Namen Köbis und Reichpietsch. Der Artikel „Unschuldig hingerichtet“ in der Vorwärts-Ausgabe vom 22. Januar 1926 berichtet über eine Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Reichstages zur Erforschung der Ursachen des Zusammenbruchs von 1918, in dem insbesondere der SPD-Abgeordnete Wilhelm Dittmann, 1917 Gründungsmitglied der USPD, über die Vorgänge im Jahr 1917 berichtete. Dittmanns Schrift „Die Marine-Justizmorde von 1917 und die Admirals-Rebellion von 1918“, deren Cover wir als Foto für diesen Text gewählt haben, ist nach wie vor eine der wichtigsten Darstellungen der Vorgänge dieser Zeit. Zehn Jahre nach den Ereignissen des Sommers 1917 erinnert der kurze Artikel „Ein Gedenktag“ im Vorwärts vom 4. September 1927 an die Hinrichtungen. Dort werden sie als“Justizmord” bezeichnet, und eben dieser als einer der „grauenvollsten Skandale, die die Militärjustiz während des Krieges zutage gefördert hat“.