Mehr als ein Zeltlager

Im Sommer 1927 berichtet der "Vorwärts" in einem ausführlichen Artikel über die "Kinderrepublik Seekamp".

Erste Seite des Buchs "Die Kinderrepublik Seekamp". Im Hintergrund eine Illustration von einem Zug von Kindern mit Fahnen vor einem Zeltlager.

Bild: Die Kinderrepublik Seekamp von Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung

2200 Kinder in 150 Zelten, gruppiert zu 8 „Dörfern“, organisiert und durchgeführt für 4 Wochen  Sommerferien – allein diese Zahlen lassen erahnen, dass es sich bei diesem „Ferienlager“ um etwas Besonderes gehandelt haben muss. In der Tat: nichts weniger als eine „Kinderrepublik“ wurde im Sommer 1927 auf Gut Seekamp bei Kiel ausgerufen.

Ferienerholung für Proletarierkinder – das hieß: raus aus den grauen Mauern der Großstädte, hinaus in die Sonne und an die frische Luft, Bewegung, gesunde Ernährung. Körperliche Erholung und Gewichtszunahme, insgesamt eine Verbesserung des Gesundheitszustandes der Kinder waren wichtige Ziele der Veranstalter. Aber man wollte mehr: „die Erziehung zur Gemeinschaft“, die „Aktivierung der proletarischen Massen für die soziale Demokratie“ – das Konzept einer sozialistischen Erziehung sollte der konservativ-bürgerlichen Pädagogik entgegengesetzt werden. Auf Gleichberechtigung der Geschlechter wurde großen Wert gelegt, ebenso wie auf Erziehung zum Frieden und gegen Rassismus.

Die Kinder sollten ihr Lager selbst verwalten und „regieren“;  mit Obleuten, Dorf- und Lagerpräsidenten, Ministern und Lagerparlament wurden die Instrumente und Strukturen einer Republik nachgebildet und eingeübt. Erwachsene standen als Berater zur Seite. Aufgaben und Arbeitsdienste wurden verteilt, ein Tagesplan sorgte für einen geregelten Tagesablauf. Große Gemeinschaftsfeier  wie der „Roter-Falken-Tag“ oder die „Nie-wieder-Krieg-Feier“ und  die Pflege proletarischen Liedgutes sorgten für „soziale Romantik“ und für die Verbundenheit der Kinder mit der Arbeiterklasse.

Organisator der Kinderrepublik war die „Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde“. Die „Kinderfreunde“ widmeten sich der Verbesserung der Erziehung und der Lebensumstände der Arbeiterkinder.

Nach „Seekamp“ fanden bis 1932 an verschiedenen Orten, z.B. auf der Rheininsel Namedy,  noch weitere Kinderrepubliken statt. Auch der junge Willy Brandt nahm (damals noch als Herbert Frahm) an mehreren der Ferienlager teil und veröffentlichte über die „Kinderrepublik Rhein“ 1929 einen Artikel im „Lübecker Volksboten“.

Die Kinderrepublik Seekamp blieb legendär, in zahlreichen Veröffentlichungen erinnert und in einem halbstündigen Film dokumentiert.

 

Der Vorwärts berichtete am 29.07.1927 ausführlich über die Kinderrepublik Seekamp. Hier geht es zum Artikel.

Hier finden Sie Ausschnitte aus dem Film über die Kinderrepublik Seekamp.

Einen umfassenden Überblick zum Thema bietet die Spd-Geschichtswerkstatt.

 


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