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Call for Articles für "Ariadne: Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte, Heft 75"
„[…]daß aber diese Gleichberechtigung immer noch eine rein papierne ist. Wir müssen nun dahin wirken, daß die Gleichberechtigung in der Praxis bis zur letzten Konsequenz durchgeführt wird […]“, so Elisabeth Selbert im Oktober 1920 auf der 8. Frauenkonferenz der SPD. Selbert reagiert mit dieser Äußerung auf die Formulierung der Weimarer Verfassung, in der in Artikel 109 die „grundsätzliche“ und „staatsbürgerliche“ Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau festgeschrieben worden war. Ihr und anderen war durchaus klar, dass diese beiden Wörter, nämlich „grundsätzlich“ und „staatsbürgerlich“, und vor allem eine Nichtinfragestellung des im Jahr 1900 verabschiedeten Ehe- und Familienrechts des BGB eine tatsächliche Gleichberechtigung der Geschlechter verunmöglichten. Es waren sicher auch die Erfahrungen der Weimarer Republik, die 1949 dazu führten, dass im Grundgesetz der BRD wie auch in der Verfassung der DDR die (scheinbar) unbeschränkte Gleichberechtigung der Geschlechter festgeschrieben wurde; allerdings in der BRD erst nach massivem Protest. So kann man 1949 als Paradigmenwechsel in der rechtlichen Gleichberechtigung ansehen: Das ambivalente Zugeständnis der „grundsätzlich [die]selben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“ aus der Weimarer Verfassung wurde in Westdeutschland im Januar 1949 in 2. Lesung einstimmig zu Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ und in Ostdeutschland im Oktober 1949 zu Artikel 7 der DDR-Verfassung „Mann und Frau sind gleichberechtigt“ mit dem bedeutsamen Zusatz „alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben“. Es ist spannend zu konstatieren, dass die Durchsetzung der Gleichberechtigung in der BRD stark umstritten war und in der DDR ohne Diskussion umgesetzt wurde. Dies erklärt sich in Teilen sicher aus dem sehr unterschiedlichen Grundverständnis beider Staaten zur Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Feierte die DDR die Gleichberechtigung als sozialistische Selbstverständlichkeit, was allerdings mehr die Theorie betraf als die Praxis, fußte die Sozialordnung der BRD weiter auf dem frauenfeindlichen BGB und musste in einem anstrengenden juristischen und gesellschaftlichen Prozess den langen Weg der Emanzipation gehen, der bis heute noch nicht abgeschlossen ist. So gibt es auch heute noch, knapp 70 Jahre nach der juristischen Formulierung der Gleichberechtigung weiterhin Brüche zwischen dem verfassungsrechtlichen Versprechen und der „gelebten“ Rechtswirklichkeit in Deutschland. Dies verweist darauf, dass die Gleichberechtigung nicht als ein historisches Ereignis verstanden werden kann, welches auf einen Schlag – quasi ohne Vorgeschichte – stattfand. Die Gleichberechtigungsforderungen, Kämpfe darum und Erfolge müssen vielmehr als Prozess verstanden werden, der durch die Ideen der Französischen Revolution angestoßen wurde und bis heute andauert. Innerhalb dieses Prozesses gibt es wichtige Ereignisse und Stationen – im Fall von Deutschland sind dies sicher 1908 (Frauen dürfen Mitglieder in politischen Parteien werden), 1918 (Frauenwahlrecht und grundsätzliche staatsbürgerliche Gleichberechtigung), 1949 (Verankerung der Gleichberechtigung in BRD-Grundgesetz und DDR-Verfassung), 1957 (BRD Gleichberechtigungsgesetz), 1965 (DDR Familiengesetzbuch), 1968 (BRD Mutterschutzgesetz), 1977 (BRD Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts), 1994 (Ergänzung von Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz), 1997 (Änderung im Strafrecht; Vergewaltigung in der Ehe ist strafbar), 2006 (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Anlässlich des 70sten Jubiläums der zunächst unbeschränkten Gleichberechtigung der Geschlechter in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes der BRD und Artikel 7 der Verfassung der DDR wollen wir die lange Geschichte der Gleichberechtigung in Deutschland kritisch beleuchten. Dabei versuchen wir die juristischen und gesellschaftlichen Entwicklungen dieser Forderung seit der ersten expliziten Formulierung in der Weimarer Republik bis heute zu verfolgen und damit einen Querschnitt durch Weimarer Republik – Nationalsozialismus – DDR/BRD – vereinigtes Deutschland aufzuzeigen. Doch gerade die Verwobenheit von wechselnden politischen und gesellschaftlichen Systemen, hehren Verfassungsforderungen, patriarchalen oder neutralen Familienrechten und gelebter Rechtswirklichkeit macht „Gleichberechtigung in Deutschland“ zu einem herausforderungsvollen Themenfeld. Rasch drängen sich zwei Fragen auf: Welche Gleichberechtigung ist gemeint? Und welches Deutschland? Genau diese Vielschichtigkeit von Gleichberechtigungsdebatten, -initiativen, -aktivitäten und den unterschiedlichen Perspektiven darauf soll in der geplanten Ariadne aufgezeigt werden.
Dabei können folgende Fragen im Zentrum stehen: - Wann beginnt der Kampf um Gleichberechtigung und welche Stationen hat dieser zurückgelegt? - Welche Kampagnen / Initiativen zur politischen, rechtlichen und lebensweltlichen Gleichberechtigung werden von wem initiiert? - Gibt es Vorbilder, auf die immer wieder verwiesen wird? - Welche wichtigen Stationen sind beim Kampf um Gleichberechtigung zu beobachten? Geht es eher um langwierige oder schleichende Veränderungen oder um entscheidende Momente, welche uns mehr verändern als die Zeit? - Wie wurde der Abstand zwischen rechtlichen Vorgaben – bspw. emanzipativer Verfassung einerseits oder patriarchalem Familienrecht andererseits –, sozialen Normen und individuellen Geschlechterarrangements gelebt? - Wie ging die DDR mit der verordneten Gleichberechtigung um? Gab es auch hier Veränderungsprozesse und Anpassungen an die Lebensrealität? Welche handelnden Gruppen werden hier sichtbar? Wie verhielt sich die DDR im Vergleich mit anderen sozialistischen Ländern? - Welche Strategien sind in der Geschichte der BRD/DDR herauszuarbeiten, die die Gleichberechtigung beförderten bzw. behinderten? Von wem wurden diese getragen und initiiert? - Wie veränderte sich die Rolle der Gleichberechtigung nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten Anfang der 1990er Jahre? - Welche Personen trugen die Gleichberechtigungsforderungen und welche standen ihnen entgegen? - Welche Rolle spielte die Justiz, welche polity und policy? Welche Personen haben sich hier hervorgetan? - Welche Ein- und Ausschlüsse können beim Kampf um Gleichberechtigung nachgewiesen werden? - Gab/Gibt es internationale Netzwerke, Kontakte, transnationale Verbindungen, die die Debatte beförderten und auch heute noch befördern? - Wie und wer erinnert sich wo und wie an die Gleichberechtigungsschritte? Wie sieht die Rezeptionsgeschichte aus? - Bearbeitungen aus der Perspektive des Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsrecht, historische Wegmarken/Entscheidungen von 1949 bis Drittes Geschlecht.
»Ariadne – Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte« Das Periodikum »Ariadne – Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte« wird vom Archiv der deutschen Frauenbewegung (AddF; Archiv, Bibliothek und Forschungszentrum zur Geschichte der deutschen Frauenbewegung), herausgegeben. Im Zentrum der Publikation steht als Ausgangspunkt immer die Frauenbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts und die mit dieser Bewegung verbundenen Ideen, Theorien und Praxen. Wir freuen uns auf entsprechende Artikelvorschläge. Die einzelnen Beiträge haben i. d. R. einen Umfang von ca. 38.000 Zeichen, d. h. ca. 10-12 Manuskriptseiten. In Ausnahmefällen (zum Beispiel für einen einleitenden Artikel) kann von dieser Maßgabe abgesehen werden. Redaktionsschluss ist der 15. Oktober 2018, das Heft erscheint im Juni 2019. Wenn Sie Interesse an der Abfassung eines Artikels haben, reichen Sie uns bitte bis zum 4. Juni 2018 ein aussagekräftiges Exposé (1-1½ Seiten) ein. Da sich die genaue inhaltliche Gestaltung nach den eingehenden Exposés richtet, reichen Sie bitte auch Aufsatzideen ein, die am Rande des Themas zu liegen scheinen. Sie können sich auch gerne direkt mit uns in Verbindung setzen, wir stehen Ihnen für weitere Informationen jederzeit zur Verfügung.
Kontakt
Ariadne-Redaktionsteam: Prof. Dr. Ulrike Lembke, FernUniversität in Hagen, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl für Gender im Recht Laura Schibbe / Dr. Kerstin Wolff, Archiv der deutschen Frauenbewegung Bitte richten Sie Ihre Anfragen sowie das Exposé bis zum 4. Juni 2018 an: schibbe@addf-kassel.de
Archiv der deutschen Frauenbewegung Ariadne-Redaktion Gottschalkstraße 57 34127 Kassel 0561-9893670
Friedrich-Ebert-Stiftung Archiv der sozialen Demokratie Referat Public History, Netzwerk Demokratie/Geschichte 2018/19
KontaktPeter Beule
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