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Wie sieht die Afrikanische Sicherheitspolitik in 20 Jahren aus?

Veraltet und ineffizient oder robust und effektiv? Welche Szenarien sind für die Afrikanische Sicherheitsarchitektur möglich und wie gestaltet sich das Zusammenspiel zwischen EU, den afrikanischen Staaten und der Afrikanischen Union?

Afrikanische Sicherheitsarchitektur im Wandel

Die sicherheitspolitische Landschaft auf dem afrikanischen Kontinent hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch gewandelt. Gehörten vor dem Jahr 2000 die Verhinderung zwischenstaatlicher Kriege und die Beilegung traditioneller Bürgerkriege zu den drängendsten Herausforderungen, so stellt sich mittlerweile die Bewältigung innerstaatlicher Konflikte mit einer Vielzahl unterschiedlicher und miteinander verbundener Gewaltakteure als Hauptherausforderung dar: Islamistische Terroristen, lokale Milizen, organisierte Kriminalität und separatistische Bewegungen fordern die staatlichen Gewaltmonopole heraus. Vor diesem Hintergrund gerät die African Peace and Security Architecture (APSA) als zentrales Instrument der Afrikanischen Union (AU) zunehmend in Bedrängnis. Die Bedrohungen, gegen die sie Anfang der 2000er entworfen wurde, sind in den Hintergrund gerückt, gegen die neuen Herausforderungen hingegen wirken ihre Instrumente hingegen nur bedingt – sei es weil die finanzielle wie materielle Ausstattung unzureichend ist oder die AU-Mitgliedsstaaten eine Intervention in innere Konflikte kategorisch ablehnen. Zudem haben sich in den vergangenen Jahren ad-hoc-Koalitionen, lose Militärbündnisse mit einem begrenzten Mandat, als direkte Konkurrenz zur APSA auf dem Kontinent ausgebreitet.

Eine grundlegende Anpassung der APSA und ihrer Bausteine (Peace and Security Council, Panel of the Wise, Continental Early Warning, African Standby Force und African Peace Fund) an die neuen Herausforderungen ist dringend notwendig, um die kollektive Sicherheit auf dem Kontinent zu stärken. Wie diese Anpassung jedoch aussehen könnte und sollte, ist ebenso stark umstritten wie die Frage nach der zukünftigen Rolle der APSA und der AU insgesamt: Soll die AU unabhängiger von ihren Mitgliedsstaaten werden? Kommt ihr eine führende oder nur begleitende Funktion zu? Und wie sollten die Beziehungen der AU zu den regionalen Wirtschaftsgemeinschaften (RECs), zur EU und zur UN künftig gestaltet werden?

Quo vadis APSA – Ein Szenarienprozess

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, hat das AU-Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung einen Szenarienprozess für das Jahr 2040 durchgeführt. Gemeinsam mit über dreißig führenden Entscheidungsträger_innen, Wissenschaftler_innen und Vertreter_innen der afrikanischen Zivilgesellschaft wurden im Rahmen dieses strategischen Reflektionsprozesses die zentralen Faktoren für die Zukunft der APSA in zwanzig Jahren identifiziert: Der politische Wille der AU-Mitgliedsstaaten, multilateral aktiv zu werden, sowie die Anpassungsfähigkeit der APSA. Anhand dieser beiden Faktoren wurden anschließend vier Szenarien entworfen, wie die sicherheitspolitische Landschaft allgemein und die APSA im speziellen in zwei Jahrzehnten aussehen könnten. Die Bandbreite reicht hierbei von einer weitgehend chaotischen und gefährlichen Lage, über eine weitere Ausbreitung loser Militärbündnisse, die substanzielle Stärkung der RECs bis hin zu einer robusten und effektiven APSA mit der AU als zentralem Akteur. Die Szenarien verdeutlichen, welche Auswirkungen politische Entscheidungen in den kommenden Jahren beinhalten und welche Entwicklungen hierdurch entstehen können. Damit stellen die Szenarien ein wirkungsvolles Mittel dar, um die Beratung politischer Entscheidungsträger_innen in Addis Abeba, Berlin oder Brüssel zu stärken. Die Szenarien sind jeweils in der Veröffentlichung „The APSA we Want“ als auch in einem kurzen Erklärvideo  festgehalten.

Rege Diskussionen zur Beziehung zwischen APSA und der EU

Die Szenarien wurden am 20. April in Berlin sowie am 25. Mai in Brüssel vorgestellt und in Bezug auf aktuelle Entwicklungen in den EU-Afrika-Beziehungen im Bereich Frieden und Sicherheit diskutiert. Bei beiden Onlineveranstaltungen waren Parlamentarier_innen, Botschafter_innen, Vertreter_innen deutscher Ministerien und der EU-Kommission, Wissenschaftler_innen sowie Vertreter_innen der Zivilgesellschaft anwesend. In Berlin diskutierten dieses Thema Amandine Gnanguenon vom European Council on Foreign Relations, Cedric Denier von der EU-Botschaft an der AU und Ulf Engel von der Universität Leipzig. Die Diskussion wurde in Brüssel durch Faith Mabera vom südafrikanischen Institute for Global Dialogue, Lidet Tadesse vom Brüsseler European Center for Development Policy Management und dem Europaparlamentarier Javier Lopez (S&D) fortgeführt.

Zentrales Thema beider Diskussionsrunden war das Spannungsverhältnis zwischen EU und APSA: Die EU beansprucht eine aktiviere und robustere Rolle als geopolitischer Akteur im Bereich Frieden und Sicherheit. Die APSA darf aber gleichzeitig nicht unterminiert werden. In den Veranstaltungen wurde herausgearbeitet, dass der Paradigmenwechsel der EU hin zu einem pragmatischeren und weniger wertegetriebenen Umgang mit dem Themenfeld (im Sinne des neuen Selbstverständnisses als „geopolitische Kommission“) einige Vorteile bietet: Indem Unterstützung flexibler gewährt und den Interessen der EU und der AU-Mitgliedsstaaten angepasst werden kann, erweitert sich das Instrumentarium der EU deutlich. Andererseits besteht die Gefahr, dass die Bedeutung der AU als koordinierender Akteur hierdurch geschmälert wird und es zu einer unübersichtlicheren Akteurslandschaft kommen kann, in der sich einzelne AU-Mitgliedsstaaten, aber auch ad-hoc-Koalitionen hervortun. In beiden Runden wurde darauf hingewiesen, dass die zukünftige EU-Afrika-Kooperation entscheidend von der Ausgestaltung des neuen Finanzierungsmechanismus‘ European Peace Facility (EPF) abhängt. Dieser erlaubt der EU eine direkte bilaterale Kooperation mit afrikanischen Staaten im Bereich der Sicherheitspolitik, ohne dass die Mittel zwangsläufig über die AU verteilt werden. Doch auch die Verantwortung der AU-Mitgliedsstaaten, die APSA stärker als bisher zu stützen und zu nutzen, sowie die klare Artikulation der eigenen kontinentalen Interessen gegenüber der EU und ihrer Mitglieder wurden hervorgehoben.

Diskussion wird in Afrika fortgeführt

Beide Veranstaltungen stellten den Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe dar, in der die FES die Szenarien in mehreren afrikanischen Staaten vorstellt, um auch dort eine Diskussion über die Zukunft der kollektiven Sicherheit und der APSA in Afrika anzustoßen. Die bei diesen Veranstaltungen gesammelten Eindrücke, Reaktionen und Empfehlungen fließen in die Formulierung klarer Politikempfehlungen ein. Diese sollen schließlich Entscheidungsträger_innen in Berlin, Brüssel und Addis Abeba bei künftigen Entscheidungen zur weiteren Umsetzung der APSA zur Verfügung gestellt werden, damit die APSA das Versprechen einlösen kann, das bei ihrer Gründung gegeben wurde: Ein effektives und effizientes Instrument zu sein, um die Sicherheit der afrikanischen Staaten und ihrer Bürger_innen nachhaltig zu stärken und Konflikte beizulegen, ehe diese ausbrechen.

 

The APSA we want

Scenarios for the African peace and security architecture in 2040
AddisAbaba, 2020

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