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"Gute Feen vergeben immer drei Wünsche!" Auswirkungen der Energiekrise auf kommunale Haushalte

Apostolos Tsalastras, Kämmerer der Stadt Oberhausen und Anne Haller, Leiterin der KommunalAkademie der Friedrich-Ebert-Stiftung sprechen über die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise auf kommunale Haushalte und die Zukunftswünsche eines Kämmerers für seine Stadt.

Bild: Apostolos Tsalastras, Oberhausen von picture alliance SvenSimon / Malte Ossowski / SVEN SIMON

Apostolos Tsalastras ist Erster Beigeordneter, Kulturdezernent und Kämmerer der Stadt Oberhausen. Wir haben ihn zum Interview getroffen und mit ihm über die aktuelle Energiekrise gesprochen und deren Auswirkungen auf den kommunalen Haushalt. Wir wollten von ihm wissen, welche Herausforderungen und Probleme Kommunen in dieser Zeit der Mehrfach-Krisen zu bewältigen haben und wie diese vielleicht gelöst werden können.

Herr Tsalastras, Sie sind Kämmerer der Stadt Oberhausen. Häufig werden Sie auch als „Schuldenverwalter“ bezeichnet. Was ist denn Ihre Aufgabe als Kämmerer?

Traditionell lässt sich der Kämmerer einer Stadt mit dem Finanzminister auf Bundes- und Landesebene vergleichen. Ich bin zuständig für jegliche Finanzen der Stadt: die Steuern, den Haushalt. Oft werden Kämmerer missverstanden als diejenigen, die nur darauf achten müssen, dass die Kohle zusammenbleibt. Selbstverständlich muss ich darauf achten, dass die finanziellen Mittel vorhanden sind und sich die Verschuldung in Grenzen hält. Das ist allerdings eine etwas eingeschränkte Betrachtung der Aufgabe eines Kämmerers. Es geht vielmehr um eine Ermöglichung als um eine Verhinderung. Ich trage dafür Sorge, dass für die Aufgaben, die wir als Kommune zu erledigen haben, die notwendigen finanziellen Mittel vorhanden sind.

Welche Besonderheit bringt die Stadt Oberhausen mit sich?

In Kommunen, die sich im Strukturwandel befinden, wie die Stadt Oberhausen, fehlen die finanziellen Mittel, um alle Aufgaben bewältigen zu können, weil sie keine ausreichende Finanzkraft haben. Sie nehmen zu wenig Steuern ein, um die Aufgaben, die sie haben, zu bewältigen. Diese Kommunen sind nicht verschuldet, weil sie sich goldene Türklinken und Marmorbürgersteige leisten. Im Gegenteil: Unsere Infrastruktur ist in einem schlechteren Zustand und wir können den Bürgerinnen und Bürgern nicht die gleichen Dienstleistungen zur Verfügung stellen wie in anderen Kommunen. In Oberhausen erfolgte eine Strukturkrise in der Kohle- und Stahlindustrie. Das hat dazu geführt, dass viele Unternehmen weggefallen sind, die vorher Steuern gezahlt haben und hohe Soziallasten angefallen sind.

Aktuell sprechen wir von Mehrfach-Krisen für die Städte und Gemeinden:  2015/2016 brachte die Zuwanderung vieler Geflüchteter finanzielle Belastungen für die Kommunen, wir kommen gerade aus der Corona-Pandemie und jetzt befinden wir uns in einer Energiekrise. Wie spüren das die Kommunen?

Zunächst muss gesagt werden, dass die Energiekrise eine direkte Folge aus dem Ukrainekrieg ist. Die Energiekrise ist ja nicht dadurch entstanden, dass Energieknappheit herrscht. Dieser Krieg führt zu einer Gesamtbelastung der Kommune, die an verschiedenen Stellen Auswirkungen hat. Die Corona-Krise, die wir immer noch nicht verdaut haben, konnte man besser eingrenzen, bei ihr waren vor allem der Gesundheitsbereich und Teile der örtlichen Wirtschaft betroffen. Das konnten wir eher kontrollieren und besser gegensteuern. Das ist bei der Ukraine-Krise überhaupt nicht möglich. Erstens, haben wir eine gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die dazu führt, dass wir ein geringeres Wachstum oder sogar eine Rezession bekommen und wir deswegen geringere Steuereinnahmen haben. Im Gegenzug wird unsere Aufgabenwahrnehmung nicht geringer, sondern steigt sogar, weil auch die Sozialkosten in die Höhe gehen. Das ist also ein großes gesamtwirtschaftliches Problem, das sich insbesondere in den Kommunen, die sowieso schon Schwierigkeiten haben, existenziell auswirkt. Zweitens, belastet der Ukrainekrieg bestimmte Bereiche in der Kommune ganz besonders.

In welchen Bereichen spüren Kommunen das zum Beispiel?

Nehmen wir den ÖPNV als Beispiel. Die Energiekrise führt zu enormen Energiekosten, die der ÖPNV jetzt tragen muss. Gleichzeitig haben wir immer noch nicht die Fahrgastzahlen, die wir vor der Corona-Pandemie hatten. Hier gehen also beide Krisen ineinander über und es entsteht ein Millionenbedarf an Zuschuss, den wir zusätzlich in den ÖPNV reinstecken müssen. Das trifft auch andere städtische Unternehmen: die Müllabfuhr, die Energiebetriebe… Alle sind von der Energiekrise betroffen. Das führt dazu, dass wir als Stadt weniger Ausschüttungen erhalten und mehr Zuschüsse nötig sind, die wir zahlen müssen.

Wie dramatisch ist denn die Lage? Muss man Angst haben, dass Stadtwerke pleitegehen?

Nein, diese Sorge muss man sich nicht machen, weil das durch Verschuldung ausgeglichen wird. Wir versuchen natürlich, die Defizite möglichst gering zu halten, indem wir zum Beispiel Leistungen einschränken, aber das geht nicht in vollem Umfang. Schließlich müssen wir die Versorgungssicherheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten. An manchen Stellen können wir nicht einsparen. Zum Beispiel können wir ja nicht einfach den ÖPNV aussetzen. Es geht also keiner pleite.

Wie sieht denn die finanzielle Lage bei Ihnen in Oberhausen aufgrund der Energiekrise aus?

Das lässt sich genau beziffern. Die Kommunen in NRW isolieren die Kosten, die durch den Ukrainekrieg entstanden sind, um handlungsfähig zu bleiben. Das bedeutet, dass wir die Kosten gesondert im Haushalt ausweisen und uns dafür verschulden können. In Oberhausen sind das aktuell 75 Millionen Euro. Das ist trotz eines Haushaltsvolumens von einer Milliarde Euro richtig viel Geld, weil wir diese Mehrbelastung komplett mit Schulden ausgleichen müssen. Unser Haushalt sieht nämlich nur ein Plus von 200.000 Euro vor.

Nun gibt es ja noch andere politische Ebenen, auf denen die Probleme der Kommune adressiert werden können. Wer ist neben der Kommune bei der Bewältigung der Krisen noch gefragt?

Bei einer kurzfristigen Finanzkrise plädiere ich dafür, dass die Verluste in irgendeiner Form sofort ausgeglichen werden, damit wir diese als Kommune nicht alleine tragen müssen. Am Ende des Weges haben wir sonst keine Chance, unsere Schulden wieder abzubauen. Wenn wir in eine Krisenlage geraten, für die wir ja nichts können, häufen wir Schulden an, die wir später nicht mehr ausgleichen können. Kommunen mit geringer Finanzkraft haben diese Überschüsse einfach nicht. Hier müssen andere staatliche Ebenen auf jeden Fall unterstützend eingreifen, denn sie haben durch die Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der Steuerpolitik die Möglichkeit, für Einnahmen zu sorgen. Das können wir als Kommune gar nicht. Es ist eine solidarische Aufgabe zwischen Bund, Land und Kommunen. So war das am Anfang der Corona-Krise auch, da wurden die Steuerverluste [der Kommune] ausgeglichen. Auch jetzt müsste man dort, wo nachweislich Verluste entstehen, zu einem entsprechenden und möglichst unbürokratischen Ausgleich kommen. Das kann auch im Nachhinein noch geschehen.

Sie plädieren bekanntermaßen auch für eine Altschuldenlösung. Eine solche Lösung würde einmalig das Problem beseitigen, die strukturelle Ursache jedoch nicht lösen. Könnten Sie das einmal erläutern?

Die Altschuldenlösung wäre ein Ausgleich der Probleme der Vergangenheit. Die Strukturkrisen, die wir durchgemacht haben, haben dazu geführt, dass wir eine viel geringere Finanzkraft als andere Kommunen haben. Die Steuerkraft durch die Unternehmen der Kohle- und Stahlindustrie ist verloren gegangen und auch nie wieder aufgeholt worden. Gleichzeitig hat der Strukturwandel dazu geführt, dass die sozialen Kosten beispielsweise aufgrund der Langzeitarbeitslosigkeit gestiegen sind. Und jetzt haben wir zusätzlich die Lage, dass die steigenden Zinsen im laufenden Haushalt für erhebliche Kosten sorgen und die Schuldenspirale antreiben. Deswegen ist es erforderlich, dass den Kommunen, die aufgrund des Strukturwandels eine hohe Verschuldung haben, die Altschulden ausgeglichen werden. Damit hätte man die Probleme der Vergangenheit aufgefangen und sichergestellt, dass sich Kommunen den Zukunftsaufgaben widmen können. Jedoch erzielen wir durch die Altschuldenlösung natürlich keine höhere Steuerkraft. Deswegen brauchen wir außerdem eine Finanzgrundausstattung, die uns zumindest sicherstellt, dass wir sowohl unsere Aufgaben wahrnehmen als auch in die Zukunft investieren können.

Wenn Sie zum Ende noch einen Wunsch frei hätten: Was würden Sie sich für Oberhausen wünschen?

Gute Feen vergeben ja immer drei Wünsche (lacht). Das Erste ist auf alle Fälle die Altschuldenlösung. Das drängt vor allem und es ist fatal, dass es bisher noch nicht stattgefunden hat, weil die Altschuldenlösung auch für den Bund und das Land mit den steigenden Zinsen immer teurer wird. Mein zweiter Wunsch wäre eine verlässliche Finanzierung für die Kommunen, und dass wir im kommunalen Finanzausgleich mehr Mittel zur Verfügung bekommen. Unsere aktuellen finanziellen Mittel reichen nicht aus, um unsere Aufgaben bewerkstelligen zu können. Als drittes würde ich mir wünschen, dass wir die hohe Steuerlast, die wir den Bürgerinnen und Bürgern durch die hohen Hebesätze aufbürden, reduzieren können. Es ist ungerecht, dass die Bürgerinnen und Bürger in Oberhausen mehr Steuern zahlen müssen und weniger Leistungen bekommen als beispielsweise die Bürgerinnen und Bürger in wohlhabenden Städten. Ich würde mir da wünschen, dass der grundgesetzliche Auftrag der gleichwertigen Lebensverhältnisse geachtet wird. 

 

Das Interview führte Anne Haller, Leiterin der KommunalAkademie der Friedrich-Ebert-Stiftung am 18.01.2023.


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