Diese Webseite verwendet Cookies
Diese Cookies sind notwendig
Daten zur Verbesserung der Webseite durch Tracking (Matomo).
Das sind Cookies die von externen Seiten und Diensten kommen z.B. von Youtube oder Vimeo.
Geben Sie hier Ihren Nutzernamen oder Ihre E-Mail-Adresse sowie Ihr Passwort ein, um sich auf der Website anzumelden.
von Ibo Cayetano | 17. Mai 2022 | Lesezeit: 5 Minuten
Agostino Ramelli stand in seinem prächtigen Pariser Domizil und blickte auf den ungeordneten Bücherstapel auf seinem Schreibtisch. Als Militäringenieur im Dienst des königlichen Heeres war er ein vielbeschäftigter Mann. Tage- und zuweilen nächtelang grübelte er über Konstruktionen für Geräte, Maschinen und sonstigen Erfindungen, die bislang nur in seiner Vorstellung existierten. Sein literarisches Werk Le diverse et artificiose machine sollte seine Ideen für die Nachwelt festhalten und ihm Ruhm und Anerkennung einbringen.
An Ideen mangelte es ihm wahrlich nicht. Im Gegenteil, sein Geist und seine schöpferische Kraft waren kaum zu bändigen, weshalb er stets an mehreren Konstruktionen gleichzeitig arbeitete und mathematische Formeln zur Hand hatte. Das war die Ursache für das Bücherchaos, auf das er nun blickte. Er fragte sich: Wie konnte er all diese Bücher lesen und ebenso Notizen machen, um effizienter zu arbeiten?
Er grübelte und grübelte, während die Sonne langsam unterging. Schließlich stand er auf und begab sich in seinen Garten, um seine Gedanken zu ordnen. Wie gewohnt, ließ er sich auf der Bank neben der alten Mühle nieder, deren Rad sich beständig drehte. Plötzlich hatte er einen Geistesblitz! Warum hatte er das Offensichtliche nicht schon viel früher erkannt? Wie von Dämonen besessen sprang er auf und eilte zurück in seine Stube.
Vor seinem geistigen Auge sah er das Bücherrad, das er entwerfen würde. Es würde aus horizontalen und vertikalen Achsen bestehen, auf denen die Bücher platziert werden könnten. Der Leser könnte dann durch Drehen der Achsen zwischen den Büchern wechseln, ohne sie bewegen zu müssen. Die Idee brannte förmlich in ihm und er machte sich sofort daran, sie niederzuschreiben...
Ramellis Erfindung, die er 1588 in seinem Buch Le diverse et artificiose machine beschreibt, wird oft als erste Lernmaschine bezeichnet und gilt als eines der frühesten Information Retrieval Devices. Sie ist konzeptionell ein Vorläufer des modernen Hypertext-Konzepts, da sie das Verfolgen von Querverweisen und das parallele Lesen mehrerer Bücher zumindest ansatzweise mechanisiert bzw. automatisiert. Ähnlich wie bei heutigen E-Learning-Plattformen bietet das Leserad auch die Möglichkeit, verschiedene Lernmaterialien auf einer einzigen Plattform zugänglich zu machen.
Ob Ramellis Bücherrad oder vergleichbare spätere Konstruktionen tatsächlich aktiv zum Lesen genutzt wurden, ist historisch umstritten. Weniger umstritten ist hingegen ihre Bedeutung für die Entwicklung des maschinellen Lernens und ihre Vorreiterrolle für das heutige E-Learning.
Das folgende Video gibt einen Einblick in die Funktionsweise die bahnbrechende Erfindung. Darin sieht man eine Gruppe von Ingenieurstudent_innen des Rochester Institute of Technology (RIT), die 2018 zwei Bücherräder nach Ramellis Design, aber mit modernen Werkzeugen und Verfahren konstruierte. Derzeit soll es mindestens 14 Bücherräder in verschiedenen Städten geben, teils historische, teils Nachbauten.
In dieser Artikel-Reihe lernen wir gemeinsam die Anfänge des maschinengestützten Lernens kennen, die schließlich zum heutigen E-Learning führten.
Dabei mischen sich Fakt und Fiktion. Beruhend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen werden historische Ereignisse ausgeschmückt und trockene Abhandlungen verwandeln sich in mitreißende Geschichten.
Für den nächsten Halt auf unserer Reise durch die Zeit drücken wir die Fast Forward Taste. Angekommen im Jahr 1866, begleiten wir im nächsten Beitrag den New Yorker Webstuhlentwickler Halcyon Skinner zum US-Patentamt, wo er seine Lernmaschine zum Üben von Rechtschreibung anmeldet.
Ich gehöre zu denen, die "irgendwas mit Medien" studiert haben. Als Referent für Digitale Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung verbinde ich meine persönliche Neugier, digitale Tools und Entwicklungen auszuprobieren, mit meinem beruflichen Alltag. In diesem Blog, den das Team Digitale Bildung gemeinsam ins Leben gerufen hat, nehme ich euch mit in die facettenreiche Welt der digitalen politischen Bildung.
Friedrich-Ebert-Stiftung Godesberger Allee 149 53175 Bonn
Bei Fragen und Anregungen wenden Sie sich bitte an:
digital(at)fes.de
Hier findest du mehr Informationen zu den einzelnen Teammitgliedern und den Arbeitsbereichen.