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Archiv der sozialen Demokratie
Vor 50 Jahren, am 3. Juli 1973, kamen 35 Außenminister in Helsinki zusammen zur ersten Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, kurz: KSZE. Sie bildete den Auftakt für Verhandlungen über die Festschreibung der Menschenrechte, der Unverletzlichkeit der Grenzen und des Prinzips der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und wirkt bis heute nach.
Bild: Vertreter der Bundesrepublik und der DDR bei der KSZE 1975, Quelle: AdsD, FJHD000423, Rechte: J.H. Darchinger/AdsD.
Bild: Saal der KSZE 1975, Quelle: AdsD, Rechte: J.H. Darchinger/AdsD
Der Vorschlag, eine Konferenz über Fragen der europäischen Sicherheit einzuberufen, war schon wesentlich früher formuliert worden: Der Politisch Beratende Ausschuss des Warschauer Paktes hatte ihn 1966 in seine Bukarester Deklaration aufgenommen. Im Grunde ging es schon seit den 1950er Jahren um die Festigung der Einflusssphäre der Sowjetunion, die Unantastbarkeit der Grenzen der DDR, Polens sowie der CSSR und letztendlich die völkerrechtliche Anerkennung der DDR.
Die Dialogbereitschaft westlicher Staaten wurde allerdings immer wieder auf die Probe gestellt. In der deutschen Öffentlichkeit wurden in diesem Zusammenhang insbesondere die Niederschlagung des Ungarnaufstandes und der „Prager Frühling“, der mit dem Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die CSSR endete, am stärksten wahrgenommen. Nichtsdestotrotz erklärte sich die NATO im April 1969 anlässlich der Ministertagung in Washington dazu bereit, zu verhandeln. Und auch die Warschauer Pakt-Staaten ließen sich auf die Entspannungspolitik ein, ohne hierfür allerdings die Rüstungspolitik zu vernachlässigen: Im Herbst 1970 nahmen alle Armeen des Warschauer Pakts an einem Großmanöver („Waffenbrüderschaft“) teil. Aufrüstung und Rüstungsbegrenzung, Konfrontation und Normalisierung schlossen einander in dieser Zeit nicht aus.
Wichtige Stationen auf dem Weg zur Etablierung eines Ost-West-Dialoges waren die sogenannten Ostverträge: der Moskauer Vertrag zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion vom August 1970, der Warschauer Vertrag zwischen der Bundesrepublik und Polen vom Dezember 1970, das Berliner Viermächte-Abkommen aus dem September 1971 und schließlich, im darauffolgenden Jahr am 21.12.1972, der Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR. (Stefan Müller über Entspannungspolitik).
Mit jedem Abkommen verbesserten sich die Voraussetzungen für die Vorbereitung einer ersten multilateralen Ost-West-Konferenz. In Zeiten der Blockkonfrontation sollte sie ein Forum bieten, um perspektivisch eine friedliche Koexistenz zu ermöglichen. Im November 1972 begannen die Vorgespräche: Botschafter der beteiligten Staaten kamen, auf Vorschlag des unabhängigen Finnlands in Helsinki, auf neutralem Boden zusammen.
In Bonn stritt man währenddessen immer wieder über die Grundlinien der deutschen Außenpolitik, so anlässlich der Regierungserklärung im Januar 1973, als Brandt in der Schlussbemerkung zur Aussprache „die Fundamentierung der amerikanisch-europäischen Allianz“ als „ausgesprochenen Schwerpunkt unserer Interessen“ benannte.
Und so auch am 5. April – eigentlich stand im Bundestag ab 9 Uhr die Haushaltsdebatte auf der Agenda: Da der Bundeskanzler noch nicht anwesend war, forderte die CDU zunächst Vertagung und ging dann zum Angriff über: Rainer Barzel setzte an mit der Frage „Wohin geht die Reise der Bundesrepublik Deutschland?“, die „besorgte Stimmen im Inland und im Ausland“ stellten. Von „Antiamerikanismus“ (insbesondere der Jungsozialisten) war die Rede, der Bundesregierung wurde mangelndes Engagement für eine europäische Wirtschaftspolitik vorgeworfen. Schließlich liege nicht in der Ostpolitik, sondern in der Westpolitik die Zukunft.
Willy Brandt erklärte nach seiner Ankunft die Verspätung damit, dass er am selben Morgen ein Schreiben Breschnews erhalten hatte, in dem dieser seine Bereitschaft erklärte, auf Einladung des Bundeskanzlers die Bundesrepublik zu besuchen. Und er stellte klar, dass er selbst am 1. Mai auf Einladung des amerikanischen Präsidenten in die USA reisen werde. Beide genannten Gespräche seien als „Gelegenheit für einen ruhigen Gedankenaustausch“ zu begrüßen.
Brandt betonte ferner, dass die Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika Basis der Friedenspolitik sei und die europäische Sicherheit und Zusammenarbeit „sinnvoll nur verhandelt werden kann, wenn die Vereinigten Staaten am Konferenztisch so anwesend sind, wie es ihnen zu kommt und wie wir es wünschen müssen. In Helsinki ist dies täglich sichtbar. Die Vorbereitung für die Gespräche zur Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa unter den neun Mitgliedsnationen der Europäischen Gemeinschaft war von eindrucksvoller Qualität. Auch hier ist die Gemeinschaft gegenwärtig in völlig natürlicher und harmonisierter Zusammenarbeit mit den Institutionen der NATO.“
Trotz aller Widrigkeiten fand vom 3. bis zum 7. Juli 1973 in Helsinki die blockübergreifende Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa statt – die erste multilaterale Ost-West-Konferenz in der Nachkriegszeit. Teilnehmer waren die Außenminister von 35 Staaten: Vertreten waren die 15 NATO-Mitglieder, sieben Vertreter des Warschauer Pakts und 13 Unabhängige, darunter die Schweiz, Österreich, Schweden und Finnland.
Für die DDR bedeutete diese erste Konferenz einen wichtigen Schritt in Richtung offizieller Anerkennung, denn hier nahmen die Bundesrepublik Deutschland und die DDR gleichberechtigt teil. Unter dem Titel „Besonderer Abschnitt. Außenminister Walter Scheel nutzte die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, um seinem Ost-Berliner Kollegen Winzer näherzukommen“ berichtete der Spiegel am 8. Juli: „Als […] die Außenminister der beiden Deutschland zum erstenmal als Akteure auf großer diplomatischer Bühne auftraten, suchten sie sich an aufwendiger Gastfreundschaft, repräsentativem Auftreten und verbindlichem Charme zu übertreffen.“
Nach den Gesprächen in Helsinki folgten ab Herbst 1973 die Hauptverhandlungen in Genf. In Helsinki traf man sich erst wieder zur Unterzeichnung der Schlussakte durch die 35 teilnehmenden Staaten am 1. August 1975. Der sogenannte Dekalog der Schlussakte schrieb die Grundregeln der Beziehungen zwischen den Teilnehmerstaaten fest, so die friedliche und gewaltlose Regelung von Streitfällen, die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die territoriale Integrität aller Teilnehmerstaaten, die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten der anderen Staaten und die Unverletzlichkeit bestehender Grenzen. Darüber hinaus enthielt das Papier Vereinbarungen zur Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Umwelt sowie über vertrauensbildende Maßnahmen im militärischen Bereich. Ab 1977 wurden weitere KSZE-Folgekonferenzen durchgeführt, die vor allem zur Überprüfung der Einhaltung der Vereinbarungen aus der Schlussakte dienten.
Im Herbst 1990 erklärte die KSZE-Folgekonferenz in Paris den Kalten Krieg für beendet und die Demokratie zur verbindlichen Staatsform in Europa. Aus der KSZE ging die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hervor, die offizielle Umbenennung erfolgte mit Beginn des Jahres 1995. Heute besteht die Organisation aus 57 Teilnehmerstaaten und hat ihren Sitz in Wien. Da die OSZE nach dem Konsensprinzip beschließt, wird jeweils die Zustimmung aller benötigt. Die so gefassten Beschlüsse sind politisch, aber nicht rechtlich bindend. Beides bringt Probleme mit sich – das Blockieren von Entscheidungen ebenso wie das Ignorieren.
Aktuell stellt der Krieg Russlands gegen die Ukraine die Organisation vor eine kaum zu bewältigende Aufgabe. So stand die Wintertagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE am 23./24. Februar 2023 unter dem Generalthema „Ein Jahr danach: Russlands anhaltender Krieg gegen die Ukraine“ – und trotz aller Proteste ließ das Gastgeberland Österreich russische Vertreter teilnehmen.
Wie diese einzigartige sicherheitspolitische Organisation aus der Krise hervorgehen kann, wird sich wohl erst nach Beendigung des russischen Krieges herausstellen. Inzwischen geht die OSZE ihren Weg, entsendet Beobachter:innen in die Teilnehmerstaaten, vermittelt und berät, um den seit 1973 erarbeiteten Zielen in kleinen Schritten näherzukommen.
Sabine Kneib
Quellen und Literatur:
Für die „Ostpolitik“ wurde Brandt weltberühmt. Gab es auch eine Brandt’sche „Westpolitik“?
Manuel Campos berichtet von seinem Weg aus Portugal nach Deutschland, den Erfahrungen von Migrant:innen in der Bundesrepublik seit den 1970er-Jahren und seinem Engagement in der IG Metall.
Das AdsD hat kürzlich den Teilnachlass Elfriede Eilers erschlossen. Aus diesem Anlass widmen wir uns in unserem aktuellen Blogbeitrag der sozialdemokratischen Politikerin und dem bei uns verwahrten Bestand.
Die Erfahrungen im Umgang mit den Republikanern zeigen, warum es in liberalen Demokratien so schwierig ist, rechtsextreme Parteien zu beobachten und zu verbieten. Der Historiker Moritz Fischer argumentiert in einem Gastbeitrag, warum die Bewertung durch den Verfassungsschutz oft ein Teil des Problems ist.