100 Jahre FES! Mehr erfahren

Ansprechpartner

PD Dr. Stefan Müller

0228 883-8068

Stefan.Mueller(at)fes.de 

Abteilung

Archiv der sozialen Demokratie

 

FES Asia

China in der Entwicklungszusammenarbeit der UN: Das selektive Engagement einer Großmacht mit Entwicklungslandstatus

Leitinitiativen, Führungsansätze, Normen und Bündnispolitik: Chinas Einfluss innerhalb der Entwicklungssäule der UN wächst. Unsere Analyse nimmt diese Entwicklung erstmals umfassend in den Blick.

Internationale Beobachter_innen verfolgen mit großem Interesse, in einigen Fällen auch mit Sorge, wie die Globalmacht China ihr Engagement in der UN-Entwicklungssäule ausbaut. So sind in den letzten zehn Jahren immer wieder konkurrierende Darstellungen und Meinungen zu Chinas Wirken andiskutiert worden. Einerseits heißt es, dass Peking eine aktivere Rolle als verantwortungsvoller Teilhaber und Unterstützer des UN-Multilateralismus einnimmt. Andererseits wird angenommen, dass Peking versucht, die Kontrolle über die Vereinten Nationen auszuweiten und ihre Normen und Strukturen so umzugestalten, dass sie primär den nationalen Interessen Chinas entsprechen.

Vor diesem Hintergrund liefert die Studie der Asien-Pazifik-Abteilung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem German Institute of Development and Sustainability (IDOS) die erste umfassende und eingehende Analyse des wachsenden Engagements Chinas in der UN-Entwicklungssäule. Der von Max-Otto Baumann, Sebastian Haug und Silke Weinlich verfasste Bericht gibt einen Überblick über Chinas wachsende, aber immer noch begrenzten finanziellen Beiträge und Repräsentation in den UN-Mitarbeitergremien. Auf der Grundlage von Interviews mit UN-Mitarbeiter_innen und Diplomat_innen bietet die Analyse außerdem neue Einblicke in Chinas Engagement in Bezug auf politische Leitinitiativen, Führungsansätze, Normen und Sprache sowie Bündnispolitik.

Die drei Autoren stellen fest, dass Chinas Engagement in Anbetracht der ihm zur Verfügung stehenden finanziellen und politischen Ressourcen weitgehend moderat und selektiv geblieben ist. Zu den thematischen Prioritäten und ausgewählten Bereichen, auf die sich Peking konzentriert hat, gehören ländliche Entwicklung, Big Data sowie Süd-Süd- und Dreieckskooperationen. China scheint einen zunehmend selbstbewussten und langfristigen Ansatz zu verfolgen, um einige der traditionellen Konturen der UN-Entwicklungsarbeit zu verändern. Die Versuche, chinesische Konzepte in UN-Resolutionen und der Globalen Entwicklungsinitiative zu verankern, scheinen darauf abzuzielen, die Grundlage für einen Entwicklungsmultilateralismus mit chinesischen Merkmalen zu schaffen. Die beträchtliche Zunahme der Zahl chinesischer Praktikanten bei den Vereinten Nationen scheint eine bewusste Investition in ein besseres Verständnis und die Gestaltung der Vereinten Nationen in der Zukunft zu sein.

Darüber hinaus stellen die Autoren fest, dass die VR China einen Vorteil nutzen kann, der den westlichen Mitgliedstaaten nicht zur Verfügung steht: die Kombination ihrer Rollen als globale Supermacht und UN-Programmland. China hat sich diese Dualität zunutze gemacht, um die Beziehungen zu den Vereinten Nationen auszubauen, insbesondere durch Programme zur Unterstützung der Süd-Süd-Kooperation. Während viele westliche Mächte die UN-Entwicklungsorganisationen als Projektdurchführer betrachten, lässt China die UN-Organisationen als Makler oder Vermittler für Prozesse und Initiativen auftreten, die für chinesische Interessen unmittelbar relevant sind.

Dieser Bericht ist Teil der Veröffentlichungsreihe »Gestaltungsmacht China« der FES, die Beijings Herangehensweise in einer Reihe unterschiedlicher globaler Politikfelder untersucht. Das übergreifende Thema ist die Zukunft des Multilateralismus angesichts Chinas Aufstieg zur Weltmacht und einem immer stärker werdenden Wettbewerb um Werte und Normen: Wie können wir einen konstruktiven Verhandlungsprozess zwischen Europa und China über die Rahmenbedingungen für die Global Governance einleiten? In welchen Bereichen sind mehr Koordinierung und Zusammenarbeit mit China möglich, und wo muss Europa zunehmend Gegenmaßnahmen ergreifen und seine Hausaufgaben machen, zum Beispiel um in Schwellen- und Entwicklungsländern als verlässlicher Partner wahrgenommen zu werden?

Dieser Artikel erschien im Original in englischer Sprache auf asia.fes.de

Baumann, Max-Otto; Haug, Sebastian; Weinlich, Silke

China in der Entwicklungszusammenarbeit der UN

Das selektive Engagement einer Großmacht mit Entwicklungslandstatus
Bonn, 2023

Zum Download (PDF) (930 KB, PDF-File)


Neueste Blogbeiträge

Protestieren in der Vereinigungsgesellschaft: Wellen und Deutungen ostdeutscher Arbeitskämpfe der frühen 1990er-Jahre

Demonstrant:innen vor einem BEtriebsgelände halten Protestschilder und eine Fahne der IG Metall

In Ostdeutschland gab es bereits Monate vor der Revolution erste Betriebsproteste. Oft waren es Konflikte um Produktionsfragen, schlechte Arbeitsbedingungen und Lohnungleichheiten – Themen, die in der Bundesrepublik Teil der institutionalisierten Mitbestimmung sind. Das änderte sich mit der Einheit.


weitere Informationen

Protestieren nach 1989: Arbeitskämpfe in Ostdeutschland in den frühen 1990er-Jahren

Arbeiter des Bergwerks mit Helmen und Arbeitskleidung unter Tage

In der ersten Hälfte der 1990er-Jahre kam es auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zu zahlreichen betrieblichen Auseinandersetzungen. Die meisten von ihnen sind heute vergessen, erscheinen aber zu Unrecht als Fortsetzung der Friedlichen Revolution.


weitere Informationen

Glasnegative: Ein Blick in die Vergangenheit

Ein Glasnegativ, das eine Lachmöwe zeigt, wird von einer Hand in Gummihandschuhen gegen das Licht gehalten

Glasnegative stehen bis heute bei Sammler*innen und Fotografie-Liebhaber*innen hoch im Kurs. Kein Wunder, erinnern diese doch an die Anfänge der Fotografie, als ein Klick auf den Auslöser nicht reichte, um ein schönes Foto aufzunehmen.


weitere Informationen
nach oben