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Bernd Rother (BWBS) beschreibt im aktuellen FEShistory Blog die inhaltlichen Hintergründe der sechsteiligen Gesprächsreihe der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung
Gastbeitrag von Bernd Rother (Berlin)
Vor 50 Jahren war Willy Brandt Bundeskanzler, der erste Sozialdemokrat in diesem Amt. Nur viereinhalb Jahre dauerte seine Regierungszeit, aber Historiker*innen sprechen schon seit langem von einer „Ära Brandt“. Vieles, ja Grundlegendes hat sich damals verändert. Die damalige „Neue Ostpolitik“ wird bis heute immer wieder als Beispiel für innovative Ideen in der internationalen Politik beschworen. Auch die Innenpolitik der sozial-liberalen Koalition von SPD und FDP erweckt nostalgische Gefühle. Damals verbreitete die Ankündigung einer „Reform“ die Hoffnung auf bessere Zeiten; seit „Hartz IV“ verbinden viele mit einer „Reform“ stattdessen Befürchtungen.
Die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung erinnert von 2019 – 2024 mit einem großen Programm an die Zeit, als „Willy“ in Bonn regierte. 1994 vom Deutschen Bundestag ins Leben gerufen, hat die parteiunabhängige Stiftung die Aufgabe, an Leben und Werk des großen Staatsmanns und Sozialdemokraten zu erinnern. Auf www.willy-brandt.de stehen alle Informationen bereit; auch eine umfangreiche Online-Biografie gehört dazu.
2021 steht das Erinnerungsprogramm der Stiftung unter der Überschrift „Erneuerung“. Von einer notwendigen „Erneuerung“ der Sozialdemokratie wird in Deutschland und darüber hinaus seit Jahren gesprochen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen steht die europäische Sozialdemokratie schlecht da. Auch in anderen Regionen der Welt gibt es nur wenige Lichtblicke. Die Sozialistische Internationale ist ein Schatten ihrer Bedeutung in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Handelt es sich um einen säkularen Trend? Bereits 1983 hatte der Soziologe Ralf Dahrendorf das Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts ausgerufen. 15 Jahre später regierten Parteien dieses Spektrums in vielen europäischen Ländern, die düstere Prognose schien widerlegt. Ist die heutige Schwäche der Sozialdemokratie doch nur ein Pendelausschlag?
Die Forderung nach „Erneuerung“ ist in der Geschichte der Sozialdemokratie alles andere als unbekannt. Eduard Bernsteins „Revisionismus“ Ende des 19. Jahrhunderts lässt sich nennen, Otto Bauers „Austromarxismus“ der 1920er-Jahre ebenfalls. Nach 1945 machten die Parteien des demokratischen Sozialismus nicht einfach dort weiter, wo Nationalsozialismus, Faschismus und Krieg die Entwicklung unterbrochen hatten. Alte Spaltungen sollten überwunden werden. Mit den Linkssozialist*innen gelang die Einigung, gegenüber den Kommunist*innen nicht, denn sie beharrten auf Dominanz und Parteidiktatur. Renovation stand erneut ab der zweiten Hälfte der Fünfzigerjahre an. Christdemokrat*innen und Konservative verwiesen in dieser Dekade mit Ausnahme Skandinaviens die Sozialdemokrat*innen in die Opposition. „Godesberg“ in seinen je nationalen Ausprägungen – die Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft und der Abschied von der Idee, die Partei nur der Arbeiterklasse zu sein – sollte den Weg aus der Stagnation weisen. Die SPD und Österreichs Sozialist*innen konnten 1970 darauf verweisen, dass dies die richtige Entscheidung gewesen war. In Südeuropa erfolgte die Erneuerung im Zeichen der Abgrenzung von der nordischen Sozialdemokratie; die Sozialist*innen in Frankreich, Italien, Portugal und Spanien bekannten sich zu einem vom Marxismus inspirierten Selbstverwaltungssozialismus – so jedenfalls im Parteiprogramm. Auch dieser Weg führte (zurück oder erstmals) in die Regierung, in der die Praxis sehr der der mittel- und nordeuropäischen Sozialdemokrat*innen ähnelte.
Die Idee des „Demokratischen Sozialismus“ schien zwischen 1975 und 1985 auch jenseits von Europa auf dem Siegeszug zu sein. Die Sozialistische Internationale durchlief eine spektakuläre Transformation von einem westeuropäischen Klub zu einer globalen Bewegung mit einer besonders starken Verankerung in Lateinamerika. Der Preis dafür war eine Aufweichung programmatischer Grundsätze.
Der Siegeszug mehr oder minder neoliberal inspirierter Parteien in den 1980er Jahren bewirkte in der Sozialdemokratie einen erneuten Prozess der Erneuerung. Großbritanniens Labour Party ging dabei voran und am weitesten, aber viele andere Parteien gingen einen Teil des „Third Way“ mit, so auch die SPD. Innerhalb der Parteien unterlagen (vorerst) die Verfechter*innen des solidarischen Wohlfahrtsstaates den Kräften, die für einen progressiven Neoliberalismus eintraten, in dem die „Solidarität“ von der „Hilfe zur Selbsthilfe“ abgelöst wurde.
Seit Beginn der 2010er Jahre reiht sich in ganz Europa Niederlage an Niederlage. 25 % bedeuteten vor Jahren eine schwere Schlappe, heute gelten sie in den meisten Ländern als großer Wahlerfolg. Die Parteimitglieder streiten, ob eine Wendung nach links oder ein Kurs der Mitte erfolgversprechender ist. Die einen fordern eine Rückbesinnung auf wohlfahrtsstaatliche Positionen, die anderen betonen den Vorrang von Klimapolitik und individuellen Freiheitsrechten. Und wie erreicht man sowohl Arbeiter*innen außerhalb der Großstädte als auch Aufsteiger*innen in Metropolen, um nur zwei Gruppen zu nennen, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben?
Die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung hat in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung Historiker*innen, Politikwissenschaftler*innen und einen aktiven Politiker zu fünf Gesprächen eingeladen. Am 28. Januar werden Donald Sassoon (London) und Marcel van der Linden (Amsterdam) einen Blick auf Erfolge und Misserfolge der europäischen Sozialdemokraten nach 1945 werfen. Am 4. März steht die Reaktion der Sozialdemokratie auf den Wandel von Arbeitsgesellschaft, Öffentlichkeit und Demokratieverständnis auf der Tagesordnung. Frank Decker (Bonn) wird mit Oliver Nachtwey (Basel) diskutieren. Die Bedeutung der sozialdemokratischen Leitbegriffe „Freiheit, Gleichheit und Solidarität“ in der Gegenwart ist am 24. März Thema der Debatte zwischen Jürgen Kocka (Berlin) und Dietmar Süß (Augsburg). Die Besonderheiten der Sozialdemokratie in Ostmitteleuropa erörtern am 15. April Klára Dobrev (Budapest) und Dieter Segert (Wien). Über den alten Kontinent hinaus blicken am 27. Mai Sheri Berman (New York) und Michael Zürn (Berlin). Sie gehen der Frage nach, welche Zukunft sozialdemokratische Konzepte in einer veränderten Weltordnung haben. Zum Abschluss der Reihe versuchen am 17. Juni Hubertus Heil (Berlin), Christina Morina (Bielefeld) und Herfried Münkler (Berlin) einen Ausblick auf die Chancen der Sozialdemokratie, indem sie sich der Ausgangsfrage stellen: „Erneuerung oder Niedergang der Sozialdemokratie?“
Die Gespräche werden als Livestream in deutscher und englischer Sprache auf dem YouTube-Kanal der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung übertragen.
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