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In der Friedrich-Ebert-Stiftung werden seit 2021 die Modernisierung und der Umbau der Magazinräume des gesamten Sammlungsbereichs vorbereitet. Was das für die Textilsammlung des Archivs bedeutet, erfahrt ihr hier.
Der Sammlungsbereich des AdsD umfasst neben Plakaten, Postkarten, Fotomaterialien und audiovisuellen Medien auch eine umfangreiche Sammlung an Textilien. Seit nunmehr bereits mehr als einem Jahr arbeiten Archivmitarbeiter_innen im Rahmen eines breit angelegten Umbauprojekts daran, die vielfältigen Bestände zu sichten, neu zu verpacken, umzulagern und so die Magazinräume für die geplanten Umbaumaßnahmen zu leeren. Während in der ersten Projektphase vorrangig die Bearbeitung von Plakaten, Flugblättern und Filmen in Angriff genommen wurde, liegt der Fokus aktuell auf der Textilsammlung des AdsD.
Die Textilsammlung beinhaltet neben Flaggen und Bannern auch T-Shirts, Uniformen und Armbinden, Schärpen, Kranzschleifen und Teppiche sowie den ein oder anderen (Sonnen-)Schirm – da gibt es also so einiges zu entdecken! Das große Highlight sind jedoch die rund 260 historischen Fahnen unterschiedlicher sozialdemokratischer Organisationen, Gewerkschaften, Landes- und Kreisverbände. Der Bestand reicht von kleineren Wimpeln bis hin zu großformatigen und teils sehr aufwändig gearbeiteten Fahnen, aus dem frühen 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Während von Flaggen mehrere Exemplare existieren können, sind Fahnen in der Regel Einzelstücke und mehr als nur ein Stück Stoff an einer Stange. Im Krieg wie auch in Gesellschaft und Brauchtum spielen sie seit Jahrhunderten eine spezielle Rolle als Ausdruck von Repräsentation, Gemeinschaft und Vereinigung gleicher (politischer) Interessen und stehen für ein vielschichtiges Zeichen- und Symbolsystem. Die historischen Fahnen des AdsD bestehen meist aus mehreren Stofflagen und sind detailreich ausgearbeitet mit kunstvollen Stickereien und Aufnähern, Borten und Quasten. Die aufwendige Gestaltung und das Verwenden teils kostspieliger Materialien verdeutlicht den hohen kulturellen und emotionalem Wert, den die Objekte für ihre jeweiligen Organisationen hatten.
Zu den ältesten Fahnen im AdsD gehört ein schlichtes Exemplar mit deutschem Dreifarb, das auf den ersten Blick wenig hermacht. Die aus Baumwolle und Atlasgewebe gefertigte Fahne stammt allerdings aus dem frühen 19. Jahrhundert und kam der Überlieferung nach 1832 beim Hambacher Fest zum Einsatz. Zwar mehrfach umgearbeitet, ist die geschichtsträchtige Fahne dennoch eine der wertvollsten Stücke der Sammlung und wurde von engagierten Sozialdemokrat_innen durch das turbulente 20. Jahrhundert gerettet. Nicht ganz so alt, aber etwas auffälliger ist die wohl bedeutendste Fahne im AdsD: die Traditionsfahne, „Lassalle-Fahne“ oder auch „Sozialistenfahne“. In die Gestaltung der beiden fast zwei Meter hohen und mehr als eineinhalb Meter breiten Fahnenblätter sind Symbole der Arbeiterbewegung wie die mittig platzierten „Verbrüderungshände“, ein zentraler Bestandteil der proletarisch-sozialistischen Bildsprache, eingeflossen. Die 1873 geweihte Traditionsfahne steht sinnbildlich für die ausgeprägte Festkultur der Arbeiter_innen und spielte bei Mai-Feiern, zahlreichen Stiftungsfesten, Kundgebungen und auch bei Beerdigungen von Parteimitgliedern eine zentrale Rolle. Die wechselvolle Geschichte der Fahne, die beispielsweise während der NS-Herrschaft zeitweise vergraben und ebenso unter Einsatz des Lebens von SPD-Mitgliedern versteckt worden war, zeigt den besonderen emotionalen Stellenwert dieser Objektart.
In Benutzung waren die Fahnen in der Regel im Freien der Witterung ausgesetzt, durch wiederholtes Schwenken oder andere übermäßige Bewegung wurde das Material strapaziert und je nach Objektgeschichte verfolgungsbedingt einigen Tortouren ausgesetzt. Insbesondere ältere Bestände sind teilweise brüchig oder schon beschädigt und verschmutzt. Für das AdsD ist der Erhalt dieser Unikate innerhalb der breiten Vielfalt des Sammlungsbereichs im Archivalltag eine spannende Herausforderung. Sammlungen mit unterschiedlichen Materialgruppen sind schwieriger zu lagern als homogene Bestände einer Objektgattung, die weitestgehend unter gleichen Bedingungen aufbewahrt werden können. Die historischen Fahnen des AdsD sind aus Stoff und damit letztlich nicht für die Ewigkeit gedacht. Wie alle organischen Materialien unterliegen sie dem natürlichen Verfall.
Das macht sie im Archiv zu einem sehr sensiblen Sammlungsgut mit besonderen Bedürfnissen an Lagerung und Klima. Um die natürliche Alterung der Stoffe zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen, wird die Fahnensammlung des AdsD getrennt von den übrigen Beständen des Sammlungsbereichs (Fotos, Plakate, Flugblätter, Filme) aufbewahrt. Das derzeitige Fahnenlager des AdsD ist ein abschließbarer, fensterloser und in der Regel abgedunkelter Raum, um Lichtschäden an den Stoffen zu verringern. Neben Feuchtigkeit, die Schimmel verursachen kann, und übermäßiger Wärme, die das Material spröde und brüchig macht, beschleunigt Licht durch Ausbleichen den Alterungsprozess der Stoffe. Die historischen Fahnen liegen in deckenhohen Regalen auf maßangefertigten, ausdünstungsfreien Pressspanplatten. Flach ausgelegt werden die Objekte, um Beschädigungen der Stofffasern, Stickereien und Malereien auf den Fahnenblättern durch das Hängen, Falten oder Drapieren des Stoffes zu vermeiden. Zur Bestandserhaltung gehört es auch, dass der Fahnenraum nicht frei zugänglich ist: Der Schutz der Unikate vor Beanspruchung des Materials durch menschlichen Kontakt ist neben Kontrolle von Licht, Klima und bestmöglicher Lagerung ein wichtiger Baustein der präventiven Konservierung der Sammlung.
Während des Umbaus der Magazinräume steht das AdsD vor der Herausforderung, für eine fachgerechte und konservatorisch sichere Auslagerung des dort verwahrten Sammlungsguts zu sorgen – und das betrifft natürlich auch die Textilien. Das bisschen Stoff umräumen, kein Problem?! Weit gefehlt. Seit Wochen arbeiten zwei Mitarbeiterinnen des Projektteams am Sichten und Umpacken der Bestände. Die Objekte werden hierzu in alterungsbeständiges Seidenpapier eingeschlagen und in säurefreie Stülpschachteln aus Wellpappe verpackt. Nicht nur sind die Textilien teilweise sehr groß und schwer, denn manche Fahnenblätter messen mehrere Meter und bestehen aus drei oder mehr Stofflagen. Aufgrund ihres Alters und stellenweise fragilen Zustands können die Stoffbahnen zudem nicht einfach aus den Regalen gezogen werden. „Kleintextilien“ wie Aufnäher, Armbinden, Kranzschleifen, Schärpen und auch der ein oder andere sozialdemokratische Kissenbezug passen zwar in handlichere Kartons, die größten Verpackungen für Fahnen und Banner messen jedoch über einen Meter in Länge und Breite. Hier ist Teamarbeit gefragt, denn vom Zusammenfalten der einzelnen Kartons über das vorsichtige Ausheben der Großformate aus den Regalen bis hin zum Ablegen und Einschlagen der Stoffe in den Schachteln – kein Handgriff ist ganz alleine durchführbar, sondern muss in sorgfältiger Partner_innenarbeit abgestimmt werden.
Sehr großformatige Objekte dürfen auch für den temporären Transport nicht gefaltet werden. Sie werden vorsichtig um eine gut gepolsterte Rolle aus Seidenpapier gelegt, um das Stauchen des Stoffes möglichst gering zu halten. Fahnenblätter mit Stickereien oder Malereien werden mit den Applikationen nach außen umgeschlagen, um auch hier Stauchungen des Materials zu verringern. Besonders knifflig im Umgang sind jene Fahnenblätter, die sich von der zugehörigen Fahnenstange nicht ohne Eingriff lösen lassen. Die hölzernen oder metallen Applikationen (Fahnenstangen, Aufhängungen oder Ösen) müssen zusätzlich in Seidenpapier gewickelt werden, um kaum mit dem restlichen Stoff in Berührung zu kommen. Jene Objekte, die besonderen Reinigungs- und Restaurierungsbedarf aufzeigen, werden von der restlichen Sammlung getrennt verpackt und markiert. Besonders spannend sind Stücke wie die auf 1848 datierte „Revolutionsfahne“, die der Überlieferung nach als Fahne der pfälzischen Parlamentsabgeordneten in der Frankfurter Paulskirche hing: Sie wurde zur Bestandssicherung bereits 1993 von einer Textilrestauratorin bearbeitet. Aus Protokollen konnte das Team in diesem Fall neben dem „Vor-Zustand“ der Fahne – also vor der Restaurierung – und den durchgeführten Maßnahmen selbst auch hilfreiche Details zu Material, Herstellungstechnik und früheren Umarbeitungen des Objekts in den 1920er Jahren erfahren. Nähmaschienennähte deuten beispielsweise darauf hin, dass die aus Seide, Baumwolle und Pailletten gefertigte „Revolutionsfahne“ vor den 1990er Jahren mehrfach bearbeitet wurde. Die Restaurierungen beinhalteten unter anderem die Reinigung der Fahne von Staub und Schmutz, eine Glättung der Stoffe sowie die Sicherung des brüchigen und ausgeblichenen Seidengewebes mit einer dünnen Crêpelineschicht.
Die Planungen für das neue Depot des Sammlungsbereichs laufen währenddessen auf Hochtouren. Für die Textilsammlung und insbesondere die historischen Fahnen sind Planschränke von bis zu 1,90 Metern Tiefe mit 10 Zentimetern Schubladenhöhe vorgesehen. Durch die Aufbewahrung in geschlossenen Schubladen sind die Objekte zukünftig noch besser vor Staub und Licht geschützt. Zusätzlich können die Schubladen zur Ansicht einfach herausgezogen werden, ohne dass die Stoffe an sich immer wieder aufs Neue bewegt werden müssen. Weitere Kleintextilien finden in inventarisierten Archivkartons in Regalen ihren Platz. Zusätzlich zu Schränken und Regalen sind außerdem Kragarmregale geplant, in denen auch Großtextilien wie aufgerollte Teppiche untergebracht werden können. Ziel ist es, die Textilsammlung des AdsD im neuen Depot zu bündeln, in Hinblick auf Klima, Verpackung und Lagerung bestmöglich zu verwahren und so präventiv für die Zukunft im Archiv zu sichern. Bis dahin ist die Bearbeitung insbesondere der historischen Sammlungsbestände für die Archivmitarbeiter_innen des Umbauprojekts regelmäßig ein spannendes Abenteuer, bei dem es immer wieder etwas zu Entdecken und Staunen gibt!
Laura Valentini
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